Ich arbeite im Team Beratung und Recht, also in der individuellen Mitgliederarbeit. Das heißt, ich kümmere mich ganz unmittelbar um die Probleme, die die einzelnen ver.di-Mitglieder mit ihren Arbeitgeber*innen haben. Wenn die Arbeitgeberin zum Beispiel keine Entgeltfortzahlung leisten oder eine tarifliche Zulage nicht gewähren wollen, dann werde ich aktiv.
Die Abteilung Recht und Rechtspolitik befasst sich mit den ganz grundsätzlichen rechtspolitischen Fragen der Organisation, betreibt Lobbyarbeit im rechtspolitischen Raum und erarbeitet Stellungnahmen zu Gesetzesentwürfen. Außerdem vertritt sie ver.di in manchen Fällen vor dem Bundesarbeitsgericht. Ich konnte deshalb auch an einem Verhandlungstermin in Erfurt teilnehmen. Da die Bundesverwaltung in Berlin sitzt, konnte ich außerdem den Landesbezirk Berlin besuchen und dort zu Terminen vor dem Arbeitsgericht mitkommen und die konkrete Beratungsarbeit an der Basis kennenlernen. Dadurch habe ich auch einige meiner heutigen Kolleginnen und Kollegen kennengelernt.
Ich war schon immer politisch engagiert und hatte, wie mein Geschichtslehrer es ausgedrückt hat: ein stark ausgeprägtes Gerechtigkeitsempfinden. Deswegen war es für mich sehr schnell klar, dass ich Jura studieren würde, weil ich verstehen wollte, wie gesellschaftliche Prozesse in Gesetze gegossen werden (können) und was das für einen Einfluss auf den Alltag der Leute hat.
ver.di ist eine starke Kraft innerhalb der arbeitsrechtspolitischen Auseinandersetzungen, die sich nicht darauf beschränkt, nur Individuen besser stellen zu wollen. Es geht immer um das Kollektive. Mir ist während des Studiums klar geworden, dass das Arbeitsrecht ein zentraler Ort der politischen Auseinandersetzungen ist, der den Alltag der allermeisten Menschen direkt beeinflusst. Fast jeder Mensch hat nun einmal eine Chefin oder einen Chef. Ich wollte keine Einzelkämpfer-Anwältin werden, die wirtschaftlich direkt von ihren Mandant*innen abhängig ist. Ich wollte, dass die Personen, die zu mir kommen und einen Rat brauchen, nicht Angst haben müssen, dass eventuell mein Rat davon beeinflusst ist, wie viel Geld ich im Laufe des Verfahrens erwarten kann.
ver.di ist nicht gewinnorientiert. Das heißt, ich muss nicht befürchten, dass ich eigentlich nur für ein Quartalsziel kämpfe oder für irgendeinen Geschäftsabschluss, sondern ich weiß immer, dass ich meine Arbeitszeit dem Kampf um eine gerechtere Welt widme. Bei ver.di bin ich umgeben von Leuten, denen es nicht darum geht, irgendwo nochmal eine Bonuszahlung herauszuschlagen, mit der sie sich dann ihre Dachterrasse ausbauen können. Das Kollegium ist viel angenehmer, als ich mir das jemals hätte erträumen können, es ist einfach ein tolles Betriebsklima.
Ich glaube, dass man immer ein Bewusstsein für die dem kleinen aktuellen Konflikt übergelagerte Auseinandersetzung braucht. In dieser Auseinandersetzung muss es neben einer konkreten Verbesserung der Arbeitsbedingungen auch immer das Ziel geben, dem einzelnen Mitglied zu zeigen, dass er oder sie dieses Ziel selbst erreicht hat. Die kollektive Auseinandersetzung kann und sollte der einzelnen Person zeigen, dass es nicht irrelevant ist, was sie denkt, was sie tut, was sie sagt und wie sie sich verhält.
Auch als Rechtssekretärin sage ich deshalb gern, dass es in der Auseinandersetzung mit den Arbeitgeber*innen keine schärfere Waffe gibt, als die kollektive Organisierung. Das Arbeitsgericht ist schließlich nicht dafür zuständig, das allgemeine Lohnniveau anzuheben. Das geschieht in Tarif-Auseinandersetzungen und die können nicht individuell geführt werden. Im besten Fall organisieren Gewerkschaften so statt individueller, nervenaufreibender Kämpfe, ein Selbstwirksamkeitsmoment für die Beschäftigten.