Während Staats- und SED-Parteigrößen 40 Jahre DDR und sich selbst feiern, protestieren die Menschen in der DDR für eine besser Republik. Seit Monaten fliehen tausende über die offenen Grenzen in Ungarn in den Westen. Andere wollen bleiben und fordern Reformen. Ihr "Wir sind das Volk!" der Montagsdemonstrationen wird bald zu "Wir sind ein Volk!"
12. bis 15. September 1989
Eine Delegation des Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes (FDGB) der DDR unter der Führung des FDGB-Vorsitzenden Harry Tisch trifft Ernst Breit und andere Mitglieder des Bundesvorstands des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) zu intensiven Gesprächen in Stuttgart. Beide Seiten zeigen sich zufrieden darüber, dass sich die Beziehungen zwischen den beiden Gewerkschaftsbünden gemäß der Vereinbarung von 1987 positiv entwickelt haben. Harry Tisch stellt dar, wie die Gewerkschaften in der DDR als Interessenvertreter der Werktätigen aktiv an der weiteren Gestaltung der sozialistischen Gesellschaft zum Wohle der Menschen mitwirken. Auch für Zukunft werde allen Bürgern in der DDR soziale Sicherheit, Geborgenheit und ein Leben in Frieden garantiert.
Ernst Breit betont, Reformen, politische und gesellschaftliche Veränderungen in einigen Staaten Osteuropas ließen hoffen, dass ein gemeinsames europäisches Haus, das sowohl west-, wie auch osteuropäische Staaten umfasse, nicht unerreichbare Vision bleibe. Die Gewerkschaften des DGB seien jederzeit bereit, Reformprozesse zu unterstützen und Kräften wie Solidarność tatkräftig zu helfen.
10./11. Oktober 1989
Drei Tage nach den Feiern zum 40. Jahrestag der Gründung der DDR und einen Tag nach der großen Montagsdemonstration der 70 000 in Leipzig ist auf der Tagung des Hauptvorstandes der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr (ÖTV) in Stuttgart die Entwicklung in Osteuropa, vor allem in der DDR, eines der wichtigsten Themen. Die Vorsitzende Monika Wulf-Mathies spricht vom dramatischen Verfall sozialistischer Utopien und bedauert, dass die Gewerkschaften mit Ausnahme der Solidarność nirgends an der Spitze des Fortschritts marschieren, sondern im Gegenteil die demokratische Entwicklung zu bremsen versuchen.
Zeitzeugen: Werner David und Bernd Prawalsky, Mitglieder der Abteilungsgewerkschaftsleitung der Interdruck, Leipzig
2. November 1989
Der seit fünfzehn Jahren amtierende Vorsitzende des Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes (FDGB), Harry Tisch, stellt im Bundesvorstand des FDGB die Vertrauensfrage. In seiner Rücktrittserklärung räumt er Fehler und seine Verantwortung für den Vertrauensverlust des FDGB ein. Zu seiner Nachfolgerin wird Annelies Kimmel vom FDGB-Bezirksvorstand Berlin gewählt.
4. November 1989
"Neues Forum", die Gewerkschaft Kunst und weitere Künstlerverbände der DDR rufen auf zu einer Demonstration und Kundgebung auf dem Alexanderplatz in Ost-Berlin: für die Reform ihres Staates, gegen Gewalt und für verfassungsmäßige Rechte. Über 500 000 Menschen zeigen deutlich, dass sie einen anderen Staat und eine andere Gesellschaft wollen. Eine ihrer Forderungen: neue Gewerkschaften.
Bild- und Tondokumente auf der Website des Deutschen Historischen Museums mehr...
5. November 1989
Auf dem 16. Ordentlichen Kongress der Deutschen Postgewerkschaft (DPG) betont der DGB-Vositzende Ernst Breit die Notwendigkeit der Umgestaltung in der DDR: Mitbestimmung in den Betrieben, Lösung aus der starren Planwirtschaft und die Durchsetzung des Streikrechts. Wenn sich der FDGB nicht an die Spitze dieser Bewegung setze, werden ihm die Mitglieder davonlaufen und unabhängige Gewerkschaften bilden.