Mit ihren neuen, vereinigten Organisationen haben die Gewerkschaften solidarisch das Fundament für eine wirksame Interessenvertretung der Beschäftigten in Ost- und Westdeutschland geschaffen. Die jahrzehntelange Erfahrung der Gewerkschaften in der BRD und der zähe und erfolgreiche Kampf der Gewerkschaften in der DDR für eine Umgestaltung und Demokratisierung ihrer Organisationen geben Kraft und Zuversicht für die gemeinsame Zukunft. Stark und selbstbewusst arbeiten sie für ein soziales Deutschland auf dem Weg in ein geeintes Europa.
1. November 1990
Rund 606 000 neue Mitglieder hat die Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr (ÖTV) in einem Monat in den fünf neuen Bundesländern und im Ostteil Berlins hinzugewonnen. Diese Zahlen sind u. a. die Grundlage für die Delegiertenwahlen zum außerordentlichen Gewerkschaftstag am 14. und 15. Februar in Stuttgart. Bereits Mitte November finden die ersten Mitgliederversammlungen statt, auf denen die Delegierten gewählt werden.
7. November 1990
Auf dem Weg zu einem einheitlichen Tarifvertrag im öffentlichen Dienst der fünf neuen Bundesländer und Ostberlins gelingt der ÖTV in langen, schwierigen Verhandlungen bei Arbeitszeit, Urlaub und Jahressonderleistungen der Durchbruch. Weitere Verhandlungen u. a. zum Schutz gegen Arbeitslosigkeit und Einkommensverluste sollen noch in diesem Jahr folgen.
26. und 27. November 1990
Das Ergebnis der Tarifverhandlungen der Deutschen Postgewerkschaft (DPG) für die Arbeiter und Angestellten der Deutschen Bundespost in Ostdeutschland bringt den Einstieg in die Angleichung der Beschäftigungs- uind Einkommensbedigungen an das westdeutsche Niveau. Die ostdeutschen Postler wollen aber mehr: sichere Arbeitsplätze, Rationalisierungsschutz, mehr Geld und Arbeitszeitverkürzung. Der DPG-Hauptvorstand bekräftigt deshalb in seiner Sondersitzung am 1. Dezember seine Forderungen und beschließt gewerkschaftliche Aktionen bis hin zum Warnstreik. Erst vor diesem Hintergrund bieten die Arbeitgeber weitere Verhandlungen an, die sich bis zum Frühsommer 1991 hinziehen.
1. Dezember 1990
Die neuen Bezirke der DPG nehmen ihre Arbeit auf: Rostock/Schwerin/Neubrandenburg mit Sitz in Rostock, Potsdam/Frankfurt (Oder)/Cottbus mit Sitz in Potsdam, Magdeburg/Halle mit Sitz in Magdeburg, Erfurt/Gera/Suhl mit Sitz in Erfurt und Dresden/Chemnitz/Leipzig mit Sitz in Dresden. Das Organisationsgebiet Berlin (Ost) wird mit dem bisherigen DPG-Bezirk Berlin (West) vereinigt.
2. Dezember 1990
Die Menschen im vereinten Deutschland wählen ihr Parlament. Grundlage ihrer Entscheidung bei der ersten gesamtdeutschen Bundestagswahl sind vor allem für Mitglieder der Gewerkschaften die Wahlprüfsteine des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) und die Forderungen der Deutschen Angestellten-Gewerkschaft, die im November veröffentlicht wurden. Im Mittelpunkt stehen die drängenden Fragen der deutschen Einheit.
20. Dezember 1990
Die IG Medien schließt nach zähen Verhandlungen Tarifverträge für Rundfunk und Fernsehen der ehemaligen DDR ab. Vereinbart wird die Übernahme der Manteltarifverträge der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten mit einigen situationsspezifischen Abweichungen und ein Gehaltstarifvertrag, nach dem ab 1. Januar 1991 Gehälter in Höhe von 50 bis 60 Prozent der Gehälter beim Sender Freies Berlin gezahlt werden. Bereits im Oktober waren Rationalisierungsschutztarifverträge abgeschlossen worden.
1. Januar 1991
Die GUV/Fakulta nimmt ihre Arbeit auf.
Die Mitglieder der Deutsche Angestellten-Gewerkschaft (DAG) in den neuen Bundesländern erhalten ab jetzt regelmäßig die Mitgliederzeitschrift "DAG Journal". 25 Geschäftsstellen und drei neue Landesverbände hat die DAG in den neuen Ländern. Der Bundesvorstand hat drei Kollegen aus dem Westen vorläufig mit der Leitung der neuen Landesverbände beauftragt: Karl Menges in Sachsen, Jürgen Schenk in Sachsen-Anhalt und Harald Fennel in Thüringen. Mecklenburg-Vorpommern hat sich dem Landesverband Schleswig-Holstein angeschlossen, Brandenburg dem Landesverband Berlin.
22. Januar 1991
In den frühen Morgenstunden können die Tarifverhandlungen der IG Medien für die Druckindustrie in Ostdeutschland, die bereits im Oktober begonnen hatten, mit der Übernahme des Manteltarifvertrages aus Westdeutschland abgeschlossen werden. Die Arbeitszeit wird auf 40 Stunden ab 1. April 1991 festgelegt, sie beträgt an 1. Januar 1993 38 Stunden. Bereits ab 1. Juli 1991 gibt es 30 Tage Urlaub und ein zusätzliches Urlaubsgeld. Weitere Tarifverträge werden übernommen, die im Verlauf der nächsten Monate in Kraft treten. Löhne und Gehälter werden ab 1. Februar 1991 erhöht auf 60 Prozent der westdeutschen Löhne und Gehälter, ab 1. Oktober 1991 65 Prozent.
30. Januar 1991
Der Kampf der Beschäftigten in der ostdeutschen Papierverarbeitung hat sich gelohnt: Der Tarifabschluss der IG Medien bedeutet nicht nur eine Reduzierung ihrer Arbeitszeit auf 40 Stunden ab 1. März 1991, sondern eine weitere stufenweise Reduzierung bis auf 37-Stunden ab 1. Juni 1995. Ab 1. März 1991 erhalten sie 60 Prozent der Lohn- und Gehaltssätze der westdeutschen Papierindustrie. Alle Regelungen des Manteltarifvertrags werden sukzessive übernommen. Ohne den Druck aus den Betrieben hätte dieser Abschluss nicht erreicht werden können. In den Betrieben, die bereits für einen Arbeitskampf abgestimmt hatten, lag die Streikbereitschaft bei 98 bis 100 Prozent. Die Kolleginnen und Kollegen haben rasch lernen müssen, um ihre Interessen gemeinsam mit ihren Gewerkschaften zu kämpfen, und sie haben es geschafft.
14./15. Februar 1991
Der außerordentliche Gewerkschaftstag der ÖTV in Stuttgart ist der erste, an dem Delegierte aus den neuen Bundesländern teilnehmen, mit gleichen Rechten und nach gleichen Satzungsregeln gewählt wie die Delegierten aus Westdeutschland. 1 077 Delegierte beraten über ihre gemeinsame Zukunft und wählen für Hauptvorstand und Beirat der ÖTV zusätzliche ehrenamtliche Mitglieder aus den neuen Bundesländern und Ostberlin.
"Bericht der Vorsitzenden zur Situation im geeinten Deutschland und zur Gewerkschaftseinheit: 'Die Euphorie der esten Tage ist verschwunden'
10. April 1991
Der Gewerkschaftsrat der IG Medien beschließt gemäß der "Übergangsvorschriften für den Aufbau der IG Medien auf dem Gebiet der DDR" des außerordentlichen Gewerkschaftstages vom 25./26. Oktober 1990 über die Bildung eines Landesbezirkes Südost auf dem Gebiet der Länder Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen sowie des Landesbezirks Berlin-Brandenburg und bestätigt die auf der Konferenz von Delegierten der Ortsvereine in den neuen Bundesländern gewählte Kollegin Ruth Martin, die letzte Vorsitzende der Gewerkschaft Kunst, Kultur, Medien, als Sonderbeauftragt des Hauptvorstandes für die Gewerkschaftsarbeit auf dem Gebiet der DDR.
22. Juni 1991
Sechs Monat lang laufen die Tarifverhandlungen im sächsischen Straßenverkehrsgewerbe schon. Nach fünf Tagen Streik - dem längsten im deutschen Straßenverkehrsgewerbe überhaupt nach dem 2. Weltkrieg - und einem Verhandlungsmarathon von 32 Stunden kann die ÖTV höhere Löhne, kürzere Arbeitszeiten und gesicherte Tarifverträge durchsetzen.
28./29. September 1991
Mit dem 1. Landesbezirkstag des Landesbezirks Südost der IG Medien in Leipzig ist der organisatorische Aufbau der IG Medien in den neuen Bundesländern abgeschlossen. "Auf die eigene Kraft besinnen" ist das Motto der 64 Delegierten, die 30 000 Mitglieder vertreten.
7. bis 11. Oktober 1991
Der 15. Bundeskongress der DAG in Aachen ist der erste Kongress der vereinigten Ost- und West-DAG und der erste, an dem Delegierte aus den neuen Bundesländern teilnehmen.
31. Oktober 1991
Das Koordinierungsbüro der IG Medien in Ost-Berlin - zuletzt Hauptvorstandsbüro Berlin mit u. a. der Geschäftsstelle des Schriftstellerverbands - wird aufgelöst.