In den letzten Wochen der DDR arbeiten die Gewerkschaften in DDR und BRD gemeinsam hart für bessere Arbeitsbedingungen in Ostdeutschland. Mit massiver Unterstützung der Beschäftigten, die vor einem Jahr noch keinen Streik kannten, gelingt der Einstieg in die Übernahme der Tarifverträge aus der BRD. Die Gewerkschaften in der DDR haben ihre wichtige Rolle beim Übergang zum vereinten Deutschland erfolgreich beendet. Sie beschließen ihre Auflösung. Verträge regeln die Zukunft von Mitgliedern und Finanzen. Sie können stolz sein auf ihre Arbeit.
4. September 1990
Die Tarifgemeinschaft der Gewerkschaften unter Federführung der ÖTV einigt sich mit den Arbeitgebern auf einen Tarifabschluss im öffentlichen Dienst: Die Beschäftigten erhalten um 200 Mark höhere Löhne und Gehälter und einen Sozialzuschlag von 50 Mark je Kind. Mehr als 150 000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes in der DDR beteiligten sich an Warnstreiks und unterstützten damit die Forderungen der Gewerkschaften.
10. September 1990
Der außerordentliche Gewerkschaftstag der Gewerkschaft Kunst, Kultur, Medien - der vierte in diesem Jahr - beschließt die Bildung einer einheitlichen IG Medien Deutschland, die Auflösung der Gewerkschaft zum 31. Oktober 1990 und die kollektive Überführung ihrer ca. 40 000 Mitglieder in die IG Medien zum 1. November 1990. In ihrem Einleitungsreferat betont die Vorsitzende, Ruth Martin, einem Meteoriten gleich schlage die Marktwirtschaft in die DDR ein und führe zu einer ökonomischen Krise, die im kulturellen Bereich gegenwärtig Kahlschlag bedeute.
13. September 1990
Nach 15-stündigen Verhandlungen wird in Berlin ein Tarifabschluss für die über 600 000 Beschäftigten des Einzelhandels der DDR erzielt. Grundlage ist die Gehaltsstruktur Westberlins, die ohne Abstriche übernommen wird. Die Einkommen werden ab 1. November auf 55 Prozent der Westberliner Einzelhandelsgehälter angehoben. Die Wochenarbeitszeit wird ab 1. November von 43 3/4 auf 42 Stunden verkürzt, ab 1. Januar 1991 auf 40 Stunden.
14. September 1990
Auf seinem außerordentlichen Kongress beschließt der Gewerkschaftliche Dachverband FDGB, sich zum 30. September 1990 aufzulösen. Das auf 400 Millionen DM geschätzte Gewerkschaftsvermögen wird in eine Vermögensverwaltungsgesellschaft "Märkisches Ufer" eingebracht und soll u. a. Sozial- und Umschulungspläne für die 3 400 jetzt arbeitslosen FDGB-Beschäftigten finanzieren.
Die Tageszeitung des FDGB, "Tribüne", erscheint weiter fünfmal in der Woche, wie seit 1947, findet aber nicht mehr genügend Leser und muss ihr Erscheinen im September 1991 einstellen.
14. bis 16. September 1990
Eine enge Zusammenarbeit und gemeinsame Aktivitäten beschließen die Arbeitslosenorganisationen beider deutscher Staaten - "Arbeitslosenverband Deutschland e.V." aus Ost-Berlin und "Koordinierungsausschuss gewerkschaftlicher Arbeitslosengruppen" sowie "Fördervein gewerkscahftliche Arbeitslosenarbeit" aus der BRD - während ihrer Tagung im Institut für Arbeitnehmerbildung der IG Medien in Lage-Hörste. Vor allem in Ostdeutschland ist die Arbeitslosigkeit ein großes Problem; sie ist seit Beginn des Jahrs erschreckend gewachsen und der Höhepunkt der Arbeitslosigkeit noch lange nicht erreicht.
17. September 1990
Drei Tage nach Warnstreiks mit mehr als 25 000 Beteiligten setzen IG Transport und ÖTV gemeinsam höhere Einkommen im Transport- und Verkehrsgewerbe der DDR durch. Beschäftgte in den Betrieben des Güterkraft- und privaten Personenverkehrsgewerbes und in den Seehäfen erhalten ab 1. September mehr Lohn und Gehalt bzw. eine Teuerungszulage. Im Oktober wird weiter verhandelt über Tarifstrukturen und Arbeitszeiten.
Die DPG-Jugend aus Ost und West beginnt ihren Autokorso, der sie bis zum 10. Oktober mit mehreren Wohnmobilen, einem LKW und dem DGB-Aktionsbus durch Ostdeutschland führt. Vor den Betriebsschulen der Deutschen Post wollen sie die Probleme der Lehrlinge im Zusammenhang mit der deutsch-deutschen Einigung kennenlernen, mit den Lehrlingen diskutieren und über die gewerkschaftliche Jugendarbeit in der Deutschen Postgewerkschaft informieren.
20. September 1990
Der Hauptvorstand der ÖTV verabschiedet auf seiner Sitzung in Stuttgart einstimmig die Entschließung "Für eine starke ÖTV im vereinten Deutschland".
"Hauptvorstand plädiert mit Entschließung 'Für eine starke ÖTV im vereinten Deutschland'
22. September 1990
Der Gewerkschaftsrat der Deutschen Angestellten Gewerkschaft (DAG) diskutiert und entwickelt ein Angebot für die DAG-Gliederungen in der DDR, um die Voraussetzungen zur Bildung einer gesamtdeutschen DAG zu schaffen. In seinem Grundsatzbeschluss legt der Gewerkschaftsrat fest, dass sich der Organisationsbereich der DAG auf das Gebiet der DDR erweitert. Den Mitgliedern der DAG-Schwestergliederungen auf dem Gebiet der DDR wird angeboten, sich der DAG anzuschließen. Weitere Regelungen stellen sicher, dass die rund 50 000 neuen Mitglieder sehr schnell zu einer gemeinsamen Arbeit mit den bisherigen 500 000 DAG-Mitgliedern finden können.
22. September bis 2. Oktober 1990
Die sechs Gewerkschaften der DDR, die am 30. Mai mit der ÖTV die Vereinbarung "Auf dem Weg zur geeinten ÖTV" abgeschlossen hatten, beschließen in zentralen Delegiertenkonferenzen, sich bis zum 2. Oktober 1990 aufzulösen - die Gewerkschaft Wissenschaft bis zum 31. Oktober 1990. Ihren Mitgliedern empfehlen sie den Einzelbeitritt in die Gewerkschaft ÖTV - die Gewerkschaft Wissenschaft in die Gewerkschaft ÖTV und die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW).
29. September 1990
Die Delegiertenkonferenz der DAG-Gliederungen in der DDR in Halle beschließt einstimmig, das Vereinigungsangebot der Deutschen Angestellten-Gewerkschaft (DAG) vom 22. September anzunehmen. Damit hat die DAG ihr Organisationsgebiet auf das Gebiet der DDR ausgeweitet. Es gibt nur noch eine DAG.
Bis Ende des Jahres hat die DAG 25 Geschäftsstellen und über 50 000 Mitglieder in den neuen Bundesländern.
30. September 1990
Gemäß dem Beschluss der Vorsitzenden der zwanzig Einzelgewerkschaften der DDR vom 9. Mai 1990 wird aus dem Gewerkschaftlichen Dachverband FDGB der Gewerkschaftliche Dachverband i.L. (in Liquidation). Endgültig aufgelöst wird er erst 1999.
PDF | 369 kB