"Gott grüß die Kunst!" Dieser Gruß nach alter Buchdruckertradition erwartete die sieben Kolleginnen und 143 Kollegen, die sich am 28. November 1948 in München zusammenfanden. Sie waren die ordentlichen Delegierten des 1. Trizonalen Verbandstages der Gewerkschaften des graphischen Gewerbes und der Papierverarbeitung, gewählt in den bereits arbeitenden Landesverbänden der amerikanischen, britischen und französischen Zone.
Ob dieser Trizonale Verbandstag zur Gründung der Industriegewerkschaft Druck und Papier als zentrale Organisation führen würde oder ob nur eine ehrenamtlich wirkende Verbandsleitung zur Koordinierung gemeinsamer Interessen gewählt werden würde, war zu Tagungsbeginn nicht abzusehen.
Helga Zoller, lange Jahre Archivarin der IG Druck und Papier und der IG Medien, begann so ihren Bericht über den Verbandstag im Buch "Aus Gestern und Heute wird Morgen", das die IG Medien 1992 aus Anlass ihres 125jährigen Bestehens herausgab.
Die Delegierten beschlossen in geheimer Abstimmmung mit 82 zu 52 Stimmen den sofortigen Zusammenschluss zu einer einheitlichen Westgewerkschaft aller Beschäftigten in den papiererzeugenden, papierverarbeitenden und graphischen Betrieben. Sie berieten über die Politik der neuen Organisation, beschlossen die Satzung und wählten die Mitglieder des Zentralvorstandes. 1. Vorsitzender des Zentralvorstandes wurde - für viele überrraschend - Christian Fette.
"Der erste trizonale Verbandstag der graphischen Gewerkschaften der Westzonen nahm in eingehenden Beratungen zu allen organisatorischen, wirtschaftlichen, sozialen und tarifpolitischen Fragen Stellung. Er schuf gleichzeitig durch die Gründung der Industriegewerkschaft Druck und Papier für das gesamte Bundesgebiet die Grundlagen für den gemeinsamen Zusammenschluß aller Arbeitnehmer des graphischen Gewerbes, der Papierverarbeitung und der Papiererzeugung in den gemischten Betrieben. Mit diesem Verbandstag wurde ein neuer Abschnitt in die Geschichte unerer Gewerkschaftsarbeit eingeleitet. Die Aufsplitterung in verschiedene Organisationen wurde beendet. Der Verbandstag bekannt sich nach eingehender Erörterung aller Probleme mit großer Stimmenmehrheit zum Zusammenschluß auf trizonaler Grundlage." fasst der Geschäftsbericht des Zentralvorstandes von 1950 zusammen.
Der Vorstand nahm seine Arbeit am 15. Januar 1949 auf. Christian Fette eröffnete die Sitzung von Zentralvorstand und Gauvorstehern mit der Bekanntgabe, dass keine feste Tagesordnung vorliege, sondern dass "all die Aufgaben erledigt werden müssten, die uns als Auftrag vom Verbandstag übertragen wurden und die sich notwendig aus dem Aufbau unserer Organisation ergeben".
In seinem ausführlichen Leitartikel in der ersten Ausgabe des neuen Zentralorgans nannte Christian Fette diese Aufgaben und Herausforderungen der neuen Organisation: "Auf neuem Wege zum alten Ziel!"
Die erste Nummer des Zentralorgans "Druck und Papier" erschien am 4. Februar 1949 in einer Auflage von 50 000 Ausgaben. Nur jedes zweite Mitglied konnte ein Exemplar erhalten; der Vertrieb erfolgte über die Betriebe. Der Vorstand bat um Weitergabe der gelesenen Exemplare: "Wenn du diese Zeitschrift gelesen hast, gib sie bitte an Deinen Mitarbeiter weiter, denn auch er interessiert sich für den Inhalt."
116 482 Mitglieder waren am 1. Januar 1949 in der neuen Gewerkschaft organisiert. Für sie und mit ihnen musste der neue Zentralvorstand viele Regelungen treffen: Tarifverträge mit den Arbeitgebern, Abgrenzung mit der IG Chemie wegen der Beschäftigten in der papiererzeugenden Industrie, nicht zuletzt zentrale Beiträge (zwischen 1,7 und 2,9 Prozent des Bruttolohns), Beitragsmarken und Unterstützungsleistungen.
Sitz der Gewerkschaft war Stuttgart. Hier hatte die IG Druck und Papier Räume in der Rote Str. 2 a, wie später auch die ÖTV und der DGB Württemberg-Baden.
Auf dem Gründungskongress der Internationalen Graphischen Föderation vom 11. bis 13. Mai 1949 in Stockholm war die IG Druck und Papier mit ihren Vorsitzenden Christian Fette und Heinrich Hansen sowie dem Gauleiter von Württemberg-Baden, Paul Döbbeling, vertreten. Das Zentralorgan schreibt dazu: "Die Willenskundgebung des trizonalen Verbandstages, wieder in einer einheitlichen Internationale vereint zu sein, hat erfreulicherweise Widerhall gefunden. So werden unsere Kollegen Fette, Hansen und Döbbeling zu Brückenbauern für eine ehrliche Verständigung und zu Sendboten unseres guten Willens, mit unseren besten Kräften mitzuwirken an der 'Errichtung eines einzigen internationalen Hauses, unter dessen Dach die große Familie der graphischen Arbeiter der ganzen Welt eine verheißungsvolle Zukunft für ihre Kinder vorbereitet'."
Bei der Gründung 1948 gehörten acht Gaue zur IG Druck und Papier: Bayern, Hessen, Niedersachsen, Nordmark, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Südbaden und Württemberg-Baden.
Auch Delegierte aus Westberlin waren zum Verbandstag geschickt worden, aber Westberlin war kein Teil Westdeutschlands und gehörte damit gemäß der Satzung nicht zum Organisationsbereich. Erst zum 1. Oktober 1950 konnten die im Graphischen Industrieverband Berlin (Unabhängige Gewerkschaftsopposition - UGO) organisierten Beschäftigten des graphischen Gewerbes Westberlins formal in die IG Druck und Papier eingegliedert werden. (Die Gewerkschaften in Westberlin hatten sich am 23. Mai 1948 vom Groß-Berliner FDGB abgespalten und die UGO gebildet. 1950 wurde aus der UGO der Landesbezirk Berlin des DGB.)
Noch elf Jahre länger dauerte es, bis die Industriegewerkschaft Druck und Papier Saar mit der IG Druck und Papier, Sitz Stuttgart, zusammengeführt werden konnte; sie wurde zum 1. Juli 1961 Bezirk Saar im Gau Rheinland-Pfalz.