Weltfrauentag: Das war der 8. März 2023

    Seit weit mehr als 100 Jahren gehen Frauen weltweit am Internationalen Frauentag für mehr Frauenrechte und Gleichstellung auf die Straße
    © Foto: R. Gnanasasthaa/PTI/dpa-Bildfunk
    Am Internationalen Frauentag gehen auch in Indien Millionen Frauen für ihr Recht auf Gleichberechtigung und gegen Gewalt auf die Straße
    07.03.2023

    Frauenrechte und Gleichstellung, dazu zählt für ver.di auch das Thema gleiche Bezahlung. Und diese muss zum Leben reichen, denn immer noch zeigt sich, dass Frauen durchschnittlich weniger verdienen als Männer. Das schlägt sich dann auch bei den Renten nieder. Altersarmut ist hierzulande immer noch überwiegend weblich. 

    Was war los am 8. März 2023?

    Für den 8. März 2023 hatte ver.di bundesweit Beschäftigte aus dem Sozial- und Erziehungsdienst zu einem Aktionstag aufgerufen. „Wir kämpfen seit vielen Jahren für die Aufwertung der Sozialen Arbeit. Die Arbeit der Erzieherinnen und Erzieher, der Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter muss die Anerkennung bekommen, die sie verdient“, sagte die stellvertretende ver.di-Vorsitzende Christine Behle. Damit wolle ver.di zeigen, wie wichtig die Arbeit dieser Beschäftigten für die Gesellschaft sei. Behle bedauerte, dass es nach wie vor nur wenig Bereitschaft gebe, die Arbeitsfelder der Sozialen Arbeit besser zu finanzieren. 70.000 Kolleg*innen waren dem Aufruf gefolgt.

    Zudem hat ver.di am Internationalen Frauentag zu bundesweiten Warnstreiks in Kindertagesstätten und sozialen Einrichtungen aufgerufen. Damit reagieren die Beschäftigten auf das völlig unzureichende Angebot der Arbeitgeber aus der zweiten Verhandlungsrunde für die Beschäftigten im öffentlichen Dienst. Vom Streik werden viele soziale Einrichtungen und Kindertagesstätten betroffen sein, so dass es zu Einschränkungen des Betriebes bis hin auch zu Schließungen kommen kann. Mehr Infos zur Tarifrunde

    In Berlin ist der Internationale Frauentag ein Feiertrag. An diesem Tag trafen sich Frauen um 13 Uhr am Invalidenpark zum Internationalen Frauen*kampftag. Von dort zog der Demonstrationszug mit tausenden Teilnehmenden unter dem Motto „Feministisch – Solidarisch – Gewerkschaftlich" zum August-Bebel-Platz, wo die Abschlusskundgebung stattfand.

     


    In zahlreichen anderen Städten werden im gesamten Frauenmonat März Aktionen von ver.di stattfinden. Mehr Infos dazu finden sich hier, die Sammlung wird nach und nach ergänzt.

    In Berlin ist der 8. März übrigens seit 2019 ein gesetzlicher Feiertag, in Mecklenburg-Vorpommern seit diesem Jahr – und vielleicht auch bald in Sachsen. Dort sammelt ver.di noch bis zum 31. August 2023 Unterschriften für den Volksantrag „8. März als Feiertag!". Mehr Infos hier

    18 Prozent Lohnlücke

    Der Equal Pay Day fällt 2023 fast auf den Internationalen Frauentag, der traditionell am 8. März begangen wird, Der Equal Pay Day markiert den Tag im Jahr, bis zu dem Frauen arbeiten müssten, um auf das Gehalt zu kommen, das die Männer bereits am 31. Dezember des Vorjahres hatten. Er symbolisiert damit die Lohnlücke zwischen Männern und Frauen, die laut Statistischem Bundesamt 18 Prozent ausmacht (Stand Januar 2023). In diesem Jahr es ist der 7. März. Nach wie vor verdienen Frauen im Durchschnitt 18 Prozent weniger als Männer – wenn das kein Grund ist, auf die Barrikaden zu gehen!

    Kulturbranche im Fokus

    In einigen Branchen ist die Lohnlücke deutlich größer. Deswegen nimmt ver.di in diesem Jahr zum Equal Pay Day besonders die Kulturbranche in den Fokus. Nach einer Auswertung von Zahlen der Künstlersozialkasse durch das Büro für Kulturwirtschaftsforschung, die ver.di in Auftrag gegeben hat, liegt der Verdienst selbstständiger Künstlerinnen im Durchschnitt 24 Prozent unter dem ihrer männlichen Pendants. „Wir müssen daher die Arbeitskultur in der Kultur dringend verändern“, so Christoph Schmitz, für Kultur zuständiges Mitglied im ver.di Bundesvorstand.

    Besonders krass ist der Einkommensunterschied in den Bereichen Mode-Design (46 Prozent), Theater/Film (34) und Malerei (29). „Fehlende Transparenz bei Honorarzahlungen, Männerbünde und implizite Vorurteile – all das trägt zu Einkommensunterschieden zwischen Männern und Frauen in der Kultur bei", kritisiert Schmitz. Er wies darauf hin, dass sich Kreative auch als Selbstständige in der Gewerkschaft solidarisch zusammenschließen und für kollektive Verhandlungsmöglichkeiten eintreten können. „Mit Tarifverträgen können Selbstständige angemessene Honorare etablieren und auch Regelungen zur Arbeitszeit und Altersvorsorge treffen“, so Schmitz.

    Mehr Infos zu der Auswertung

    Bezahlung, die zum Leben reicht

    Sowohl am Equal Pay Day als auch zum Frauentag werden ver.di-Gewerkschafter*innen bundesweit gegen Diskriminierung und für die ihnen im Grundgesetz zugesicherten gleichen Rechte mobilisieren. Im Mittelpunkt der ver.di-Aktivitäten am Frauentag steht in diesem Jahr die Forderung nach Bezahlung, die zum Leben reicht. Dazu fordern die ver.di-Frauen unter anderem

    • angemessene tabellenwirksame Entgelterhöhungen in den laufenden Tarifverhandlungen
    • die Unterstützung der unteren und mittleren Einkommen bei zukünftigen Entlastungspaketen
    • die Stärkung von Tarifbindung und Mitbestimmung
    • die Umwandlung von Minijobs in sozialversicherungspflichtige Beschäftigung
    • die Aufwertung und bessere Bezahlung frauenspezifischer Arbeit, z. B. im Erziehungs- und Pflegebereich

    Aber auch Arbeitszeiten, die zum Leben passen, gehören dazu. Der komplette Aufruf kann hier nachgelesen werden.  

     

     

    Erster Aufruf in Deutschland 1911

    „Unser Märzentag". So ist der Aufruf überschrieben, der schon 1911 an die Frauen appellierte, sich aktiv am ersten Frauentag zu beteiligen. Der Aufruf ging von der SPD und den freien Gewerkschaften aus: "Die sozialistischen Frauen aller Länder fühlen sich mit euch solidarisch. Der 19. März muß euer Ehrentag sein." Dieses Datum wurde gewählt, um an Ereignisse während der Revolution von 1848 in Berlin zu erinnern. Später sollte es der 8. März werden.

     
    Plakatmotiv Frauentag 1914
    © Foto: ÖTV-Magazin 1986, Nachdruck
    Plakat zum Frauentag 1914

    Die Anregungen für den Frauentag gehen auf Frauendemonstrationen in den USA seit 1858 zurück. Die Amerikanerinnen begingen bereits am 20. Februar 1909 einen nationalen Frauentag. Initiiert durch die deutsche Sozialistin Clara Zetkin, fand der erste Internationale Frauentag am 19. März 1911 in Deutschland, Dänemark, Österreich, der Schweiz und den USA statt. Millionen von Frauen beteiligten sich. Zentrale Forderungen waren zum Beispiel das Wahl- und Stimmrecht, die Einführung des Acht-Stunden-Arbeitstages, ausreichender Mutter- und Kinderschutz, die Festsetzung von Mindestlöhnen und gleicher Lohn bei gleicher Arbeitsleistung. 1912 schließen sich die Frauen in Frankreich, den Niederlanden und Schweden an, 1913 auch die russischen Frauen.

    Aktive Frauen erstritten 1918 das Frauenwahlrecht in Deutschland

    Das Frauenwahlrecht steht bis 1918 im Mittelpunkt und kann im November von aktiven Frauen in Deutschland erstritten werden. Erst im Jahr 1921 wurde bei einer großen sozialistischen Frauenkonferenz als festes Datum der 8. März festgelegt. Damit sollte an den Textilarbeiterinnen-Streik in Petersburg erinnert werden, der auf andere Sektoren übergriff und eine große Demonstration auslöste. Die Kämpfe fanden am 8. März 1917 – nach altem russischen Kalender am 23. Februar - statt und waren der Beginn der "Februarrevolution" in Russland.

    In den „Zwischenkriegsjahren“ waren die zentralen Themen am 8. März zum einen der legale Schwangerschaftsabbruch sowie der Schwangeren- und Mutterschutz. Es entstand eine Massenbewegung, denn die europaweite Wirtschaftskrise zwang jährlich über eine Million Frauen, abzutreiben; rund 44 000 Frauen starben in Deutschland 1931 an den Folgen der illegalen Abtreibungen. Andere wichtige Frauenthemen dieser Zeit hingen mit der Existenzsicherung zusammen: Gleicher Lohn für gleiche Arbeit, Arbeitszeitverkürzung ohne Lohnkürzung, Senkung der Lebensmittelpreise und Schulspeisung. Forderungen, die auch heute noch aktuell sind.

     
    Plakatmotiv SPD-Frauenkampagne
    © Foto: FES, Archiv
    Frauenkampagne der SPD 1930

    Während der faschistischen Diktatur der Nationalsozialisten unter Adolf Hitler wurden bereits im Frühjahr 1933 alle Frauenorganisationen und ihre Presseorgane verboten oder gleichgeschaltet. Als der Reichstag am 27. Februar in Flammen steht, nehmen die Nazis die ungeklärte Brandstiftung als Vorwand, um einen Terrorzug gegen alle antifaschistischen Gruppierungen zu beginnen – so auch gegen Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter.

    Muttertag wird Feiertag

    Der Frauentag kann nicht mehr durchgeführt werden und der Muttertag wird zum offiziellen Feiertag - die Frau wird auf ihre Gebärfunktion, ihre Rolle als Ehefrau und Mutter reduziert. In der Illegalität begehen viele Frauen trotzdem den 8. März, oft getarnt als Familienfeier. Der Internationale Frauentag wird für die Antifaschistische Bewegung zum Kampftag gegen die Nazidiktatur und für den Frieden. In den meisten Arbeiterfamilien konnte sich der Muttertag auch nach 1933 nicht durchzusetzen, erst recht nicht der ihn durchdringende faschistische Geist.

     
    Frauentag 1991
    © ver.di-Archiv
    Frauentag 1991

    Illegale Flugblätter verteilt

    Die Idee des 8. März hingegen bliebt hingegen lebendig, auch wenn der Frauentag nur illegal im vertrauten Kreis gepflegt werden konnte und es nicht mehr möglich war, dafür auf offener Straße zu demonstrieren oder Frauentagsveranstaltungen durchzuführen. Immer wieder mussten die faschistischen Behörden feststellen, dass illegale Flugblätter verteilt oder - wie zum Beispiel 1936 und 1937 auf Berliner S-Bahn-Stationen - Flugzettel an Mauern geklebt wurden, die an den Internationalen Frauentag erinnerten und zum Kampf gegen die Nazis aufforderten." (Siegfried Scholze: Der Internationale Frauentag einst und heute, trafo Verlag, 2001)

    Nach dem zweiten Weltkrieg fand bereits 1946 in der sowjetischen Besatzungszone der Frauentag wieder statt. Offiziell gefeiert wurde die gesellschaftliche Befreiung der Frau. In Westdeutschland wurde der Frauentag erst in den späten 60er Jahren von der neuen autonomen Frauenbewegung wiederbelebt.

     

    Streiks im Sozial- und Erziehungsdienst 2022

    2022 reihten sich die Kolleg*innen in den Sozial- und Erziehungsberufen ein in eine lange Tradition kämpferischer Frauen, die sich am 8. März für ihre Rechte stark machen. Im Mittelpunkt der ver.di-Aktivitäten am Frauentag stand der bundesweite Streik für bessere Bedingungen im Bereich der Sozial- und Erziehungsarbeit: Ob in der Behindertenhilfe, in der sozialen Arbeit oder in den Kitas bzw. in der Ganztagsbetreuung – diese Arbeit wird überwiegend von Frauen bewältigt. Dabei wäre unsere Gesellschaft nicht mehr handlungsfähig ohne den Einsatz der rund 1,5 Millionen Kolleg*innen, die sich tagtäglich um den Nachwuchs kümmern, Familien durch Krisen begleiten und Obdachlose und Menschen mit Behinderungen kompetent unterstützen, um nur einige Beispiele zu nennen.

     
    Mehr braucht mehr - Kampagen für S+E 2022
    © ver.di
    Mehr braucht mehr