Wir wollen für euch Musik machen

Der ver.di-Bundeskongress hat Ina Stock zur Beauftragten für Kunst und Kultur gewählt. Wir dokumentieren ihre Vorstellungsrede
19.09.2023
Ina Stock, ver.di-Beauftragte für Kunst und Kultur

„In einem Lexikon für Kinder steht: ,Kultur ist das Gegenteil von Natur. Was der Mensch macht, sich ausdenkt, sagt und erschafft, ist Kultur.' Also machen wir alle Kultur – jeder und jede von uns. Einen großen Anteil an der Kultur haben die Künste. Der Komiker Karl Valentin sagte: „Kunst kommt von können, nicht von wollen, sonst müsste es ja Wunst heißen.“

Wofür brauchen wir Kunst? Viele lesen Bücher und Zeitung, sehen Filme. Man geht ins Kino, ins Musical, ins Konzert, zum Kabarett. Mancher schaut sich gern Bilder an, andere bewundern Architektur. Alle hören Musik, oft ohne Absicht. Kunst kann den persönlichen Horizont erweitern.

Menschen zusammenbringen

Und Künstler tragen Verantwortung, schon allein weil sie viele Menschen erreichen und zusammenbringen können. Nicht umsonst wird von rechts außen immer wieder versucht die Kunstfreiheit einzuschränken, denn Kultur ist existenziell für die Demokratie. Ich bin Musikerin, seit 40 Jahren auf der Bühne. Ich arbeite, um Menschen Freude zu bringen, in ihnen Gefühle auszulösen, die der Alltag nicht bereit hält. Das ist mein Beruf und mein Talent und ich arbeite viel und hart dafür.

Sichtbar ist meine Arbeit natürlich nur abends und am Wochenende, aber bezahlt werde ich dafür, als wäre es ein Hobby. Meine Honorare entsprechen einer Aufwandsentschädigung. Auch um das zu ändern, bin ich 2020 ver.di-Mitglied geworden. So betrachtet bin ich ein Frischling.

Gelebte Solidarität

Ich habe eine große Gemeinschaft gesucht und gefunden, gelebte Solidarität mit Menschen aus vollkommen anderen Lebenswelten. Nach wenigen Wochen war ich schon in der Landeskommission der Selbstständigen in NRW. Mittlerweile bin ich im Vorstand der Landesfachgruppe Musik NRW und der entsprechenden Bundesfachgruppe. Solidarität habe ich hier gefunden.

Leider geht die unserer Gesellschaft langsam verloren. Gewerkschaft ist eine der letzten Säulen. Dabei ist so klar, dass wir gerade in diesen Zeiten  mit Krieg, mit Krisen aller Arten, mit Klimakatastrophen - ohne Solidarität nicht überleben können. Die Kulturschaffenden in ver.di sind ein kleiner, aber wichtiger Teil dieser großen Gemeinschaft.

Kaum Rücklagen

In der Pandemie wurde schlagartig klar, wie die wirtschaftliche Situation von Kulturschaffenden tatsächlich ist. Wegen der miesen Bezahlung hatte kaum jemand Rücklagen, um die Zeiten der Schließungen zu überbrücken. Eine Arbeitslosenversicherung gibt es nicht für Selbstständige, und für den Großteil der Künstler*innen gibt es gar keine Festanstellungen. Die Politik wurde zwar aufmerksam, aber wie so oft ist bisher nichts passiert. Im Gegenteil: Wie immer in finanziellen Engpässen wird in Ländern und Kommunen wieder einmal zuerst an der Kulturförderung gespart, aber Kunst kann nicht „frei sein“, wie es im Grundgesetz steht, wenn es nur um das Geldverdienen geht. Sie braucht Förderung. 

Ich schiebe hier einen kleinen Moment ein; denn ich möchte mich bei meiner Vorgängerin bedanken, die während dieser Corona-Zeit einen harten Stand hatte. Liebe Anja Bossen, vielen Dank für deine Arbeit! 

Noch bekannter werden

Ich will Kulturbeauftragte in ver.di werden, weil ich möchte, dass ver.di als Kulturgewerkschaft in der Öffentlichkeit noch bekannter wird, damit wir uns alle gemeinsam für die Kulturarbeiter*innen einsetzen können. Ich möchte, dass eine solidarische Vernetzung entsteht zwischen den Kunstfachgruppen und allen anderen Bereichen und Gruppen in ver.di – sei es bei Aktionen, Streiks oder zum Beispiel Betriebsgruppentreffen oder, wie wir heute Morgen gesehen haben: Buchhändler*innen, die auf Mindestlohnbasis bezahlt werden, könnten genauso wie freie Autor*innen, die beschissen bezahlt werden, einmal zusammen Aktionen machen.

Ich will kämpfen! Ich will kämpfen für die Sicherung von Arbeitsplätzen in den Kulturbereichen, die von künstlicher Intelligenz gerade massiv bedroht sind. Ich will kämpfen für höhere Honorare für Künstler*innen, damit diese von ihrem Beruf leben können, und ich will kämpfen für die soziale Absicherung von Selbstständigen - nicht nur im Kulturbereich.

Denn wir wollen für euch Musik machen, wir wollen für euch Bilder malen und Theater spielen, wir wollen für euch Bücher schreiben, und wir wollen euch und euren Kindern, das alles zeigen und beibringen, aber wir müssen davon leben können. Dazu brauchen wir eure Unterstützung und Solidarität, und ich eure Stimme.“

Ina Stock wurde nach dieser Vorstellungsrede einstimmig vom Kongress zur Beauftragten für Kunst und Kultur in ver.di gewählt.