Hubertus Heil, Bundesarbeitsminister, SPD, erinnerte in seiner Rede auf dem Kongress an seinen Besuch beim ver.di-Bundeskongress 2019: Genau 1.456 Tage sei der her, aber seither habe sich so viel verändert, dass es ihm fast vorkomme, als lebten wir in einer ganz anderen Welt. „Was ist los im Land, in der Gesellschaft, in der Demokratie“, fragte er die Delegierten. Diese Fragen müsse man immer aus der Perspektive der Arbeit betrachten, denn Arbeit sei mehr als Broterwerb, sie halte auch das Land zusammen.
In seiner Rede setzte er drei Schwerpunktthemen. Als erstes sprach er über den Wert der Arbeit. Es könne nicht sein, dass Menschen mit der Aussage „Arbeit muss sich lohnen“ gegeneinander ausgespielt werden. Mit Blick auf die Bürgergelderhöhung, die von Seiten der Union und der Wirtschaft viel Kritik erhalten hat, sagte der Minister, man könne nicht das Existenzminimum runterrechnen, um einen Lohnabstand beizubehalten. Stattdessen müsse man untere Einkommen entlasten und erhöhen. Dazu brauche man mehr Tarifbindung.
Nach Heils Angaben, unterliegen nur noch knapp die Hälfte der Beschäftigten einem Tarifvertrag. Er kündigte an, er werde in den nächsten Tagen gemeinsam mit Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck, Bündnis 90/Die Grünen, den Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Tarifbindung vorstellen. Auch versprach er, für ein digitales Zugangsrecht für Gewerkschaften in Betrieben und Dienststellen zu sorgen und die Nachwirkung von Tarifverträgen gesetzlich zu stärken. „Ich achte die Tarifautonomie, aber ich kann nur sagen: Wenn wir das weiter auseinanderrasseln lassen, dann geht auch gesellschaftlich was auseinander“, so Heil.
Sein zweites Schwerpunktthema war die Würde der Arbeit. Den Kolleg*innen in der Paketzustellung kündigte er an, dass sie besser vor Schmutzkonkurrenz geschützt werden sollen. Sein Vorschlag: Die Bundesnetzagentur soll auch für die Paketdienste Lizenzen ausgeben. Im Arbeitsschutz soll die Gewichtsgrenze für Pakete bei 20 Kilo liegen.
„Wir werden in diesem Land mehr tun müssen, gegen das, was neudeutsch Union Busting genannt wird“, versprach Heil. Das stehe auch im Koalitionsvertrag. Die Behinderung von Betriebsratsarbeit und -wahlen müsse Offizialdelikt werden, um das sich Schwerpunktstaatsanwaltschaften kümmern. Solidarisch erklärte sich Heil auch mit den streikenden LKW-Fahrern in Gräfenhausen. (Bericht zur Soliaktion des ver.di-Bundeskongresses)
Bei seinem dritten Schwerpunkt, dem Wandel der Arbeit, ging es um die Folgen von Demografie, Dekarbonisierung und Digitalisierung. „Arbeit wird uns nicht ausgehen, wird sich aber verdammt verändern – und das tut sie jetzt schon“, sagte er. Bis zum Jahr 2035 müssten geschätzt 7 Millionen Arbeitskräfte ersetzt werden. Da könne es nicht angehen, dass derzeit 1,7 Millionen junge Menschen im Alter von 20 bis 29 Jahren ohne Ausbildung seien. Deswegen müsse die Berufsorientierung an allen Schulen gestärkt werden.
Einen Ausweg lehnte der Minister jedoch kategorisch ab: Die Erhöhung des gesetzlichen Rentenalters. Sie bedeute für die meisten nur eine Rentenkürzung. Stattdessen müssten die flexiblen Übergänge in die Rente gestärkt werden.
Zum Abschluss wies Hubertus Heil darauf hin, dass man in der Gesellschaft nicht bei den unterschiedlichen Themen verschiedene Gruppen gegeneinander aufhetzen könne. Man müsse nach gemeinsamen Lösungen suchen, auch wenn das vielfach der schwierigere Weg sei. Auch die Bundesregierung dürfe sich nicht dauernd auf öffentlicher Bühne streiten, das verunsichere die Leute auch. „Man darf in einer Demokratie niemals Kompromiss für ein Schimpfwort halten“, gab er den Delegierten für die weiteren Beratungen mit auf den Weg.