Mit einem überdimensionalen schwarzen Posthorn aus Pappe empfingen junge Beschäftigte der Deutschen Post Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck beim ver.di-Bundeskongress. Es war – ebenso wie zahlreiche Plakate – Ausdruck ihrer Sorgen vor der anstehenden Novellierung des Postgesetzes. Sie fürchten um ihre Arbeitsplätze und die Verschlechterung der Arbeitsbedingungen. Habeck versprach, darauf zu achten, dass dabei auch die Beschäftigungsbedingungen fair bleiben.
Habeck ist der erste Wirtschaftsminister, der bei einem ver.di-Bundeskongress spricht. „Ich bin aber auch der erste Wirtschaftsminister, der für Mindestlöhne ist“, sagte er. Auch sei er der Meinung, dass in Zeiten einer Inflation auch die Löhne entsprechend steigen müssen, um Kaufkraftverluste zu vermeiden.
Der Vizekanzler sprach über die politisch aufwühlenden Zeiten. In der Organisationsform der Gewerkschaften sieht er eine Antwort auf Vereinzelung, Rückzug und Populismus – und das sei wichtig in Zeiten, in denen allüberall Wandel und Veränderungen spürbar seien. „Die Gewerkschaften helfen mit, den Wandel zu organisieren“, sagte Habeck. Sie bieten Möglichkeiten der Beteiligung, des Mitmachens, seien starke Stimmen.
Der Politiker sprach von einer Zeitenwende, aber nicht nur wegen des Krieges in Europa, in der Ukraine. Überall sei ein Aufschwung der Populisten zu erleben, in vielen Ländern, egal wo, egal mit welcher Regierungsform, egal mit welchen Parteien an der Regierung. Da sei es wichtig, dass sozialer Zusammenhalt, soziale Gerechtigkeit und soziale Teilhabe gestärkt werden, ebenso wie Wert und Würde von Arbeit.
In Zeiten, in denen Lebensmittel und Energie teurer werden, werde die abstrakte Debatte zur Entwertung der Arbeit konkret. Darin sieht der Vizekanzler einen Teil der Erklärung dafür, warum wir derzeit so viel Enttäuschung und Zorn erleben. Daraus leitete er den politischen Auftrag ab, dass Arbeit attraktiv bleiben müsse. Er sprach sich für gute Arbeit und gute Absicherung im Alter aus, aber könne sich auch eine stärkere Belastung von Erbschaften vorstellen.
Vor dem Kongress erläuterte der Wirtschaftsminister auch seine Pläne zum niedrigeren Industriestrompreis, mit dem die Belastungen für energieintensive Produktionen gemildert werden sollen. Die teure Energie sei eine Konsequenz aus dem Einmarsch Russlands in die Ukraine. Deutschland sei eine Exportnation, mit viel energieintensiver Industrie. Doch sichere Arbeitsplätze dort sichere auch Arbeitsplätze in Dienstleistungsberufen, sagte Habeck.
„Wir brauchen Wertschöpfung, um den Wohlstand in Deutschland stabil zu halten und zu erneuern“, so der Politiker. Es sei auch eine staatliche Aufgabe, die Wirtschaft mit Investitionen zu stimulieren. Das müsse aber einhergehen mit Auflage guter und gut bezahlter Arbeit. „Wir müssen tarifliche Bindung immer mitdenken, wenn wir Steuergelder ausgeben“, mahnte er.
Wertschöpfung und Wertschätzung sollten wieder das Gleiche sein, seien heutzutage häufig Gegensätze im politischen Diskurs. Dass die Welt sich auf Gegensätzen aufbaue, sieht er als Arbeitsauftrag, das müsse überwunden werden. Der Wohlstand in Deutschland könne nur erneuert werden, wenn es faire Einkommensverhältnisse und Steuergerechtigkeit gebe und sich gute Arbeit lohne.
Mit Blick auf die Gesprächs- und Debattenkultur erinnerte Habeck an Regionen, in denen Krieg herrsche. Man müsse darüber nachdenken, wie wir über unsere Probleme reden. „Es gibt Regionen, die ganz anderes auszuhalten haben“, so der Politiker.