Kaum wurde die Mehrheit auf der Anzeigetafel angezeigt, wehte im Saal ein Meer an Regenbogenfahnen. Delegierte lagen sich mit Tränen in den Augen in den Armen. In den zurückliegenden Bundeskongressen waren sie immer gescheitert mit ihrem Ansinnen, dass sie diesmal Erfolg haben könnten, deutete sich dann an, als die Antragskommission ihre Empfehlung für den Antrag S025 von Ablehnung auf Zustimmung änderte.
Überzeugt hatte den Bundeskongress die vielen Wortbeiträge in der Debatte, in denen Delegierte eindringlich geschildert hatten, warum diese Personengruppe für sie und ihre Anliegen so wichtig ist.
Einen ganzen Tag lang haben die Delegierten das Sachgebiet S diskutiert, das sich ausschließlich mit Satzungsanträgen beschäftigt und dessen Anträge vom Kongress beschieden werden müssen. Angenommen wurde der Antrag zur Anpassung der Satzung an die veränderten Fachbereichsstrukturen (S001). Zudem soll die Satzung an die aktuell in ver.di geltende Genderform angepasst werden, sprich mit der Verwendung des Gendersternchens (S024).
Zudem wird der Paragraf 5 der ver.di-Satzung in folgende Fassung geändert: „Vertretung von Menschen mit Behinderung und von Behinderung bedrohter Menschen zur Durchsetzung des Rechts der gleichberechtigten Teilhabe am Leben in der Gesellschaft, insbesondere am Arbeitsleben.“
Diskutiert wurde zudem, auch für Schwerbehinderte Strukturen einer Personengruppe zu schaffen. Dazu lag allerdings kein entsprechender Antrag vor. Auch die Migrant*innen, die bereits Personengruppe sind, wollten eine verbesserte Beteiligung in verschiedenen Gremien sicherstellen. Nur gibt es für alle drei Gruppen die Schwierigkeit, das jeweilige zugehörige Merkmal mit den Mitgliederdaten zu erfassen. Das könne allenfalls auf freiwilliger Basis geschehen.
Beim nächsten ver.di-Bundeskongress bleibt jedoch vieles beim Bewährten: Er wird wieder in vier Jahren stattfinden, und auch die Delegiertenzahl wird nicht verringert. Darüber hatte es, wie auch bei vorhergehenden Kongressen, eine breite Diskussion gegeben. So hatten insbesondere Vertreter*innen der ver.di Jugend argumentiert, dass es für sie bei einer Verlängerung der Zeit zwischen den Kongressen auf fünf Jahre schwierig sei, Jugendliche für die Mitarbeit zu gewinnen. Denn insbesondere das Leben junger Menschen sei vom Wandel und Umbrüchen geprägt.
Aber auch zahlreiche andere Delegierte sprachen sich gegen diese Vorschläge aus. Eins der Argumente war, dass auch bei diesem Kongress längst nicht alle Anträge im Plenum beraten und verabschiedet werden konnten. Bei fünf Jahren würden sich noch mehr Themen ansammeln, zu denen der Kongress eine Entscheidung treffen müsse. Gegen die Koppelung der Delegiertenmandate an die Mitgliederentwicklung und einer damit zunächst verbundenen deutlichen Verkleinerung des Kongresses sprach vor allem die Befürchtung vieler Delegierter, die Vielfalt der ver.di-Mitgliedschaft würde sich dann nicht mehr wirklich abbilden lassen.
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