Digitalisierung darf niemanden auf der Strecke lassen

Nach einem langen Tag der Debatten ist die Antragsabstimmung zum Sachgebiet D spät nachts zu Ende gegangen
© Kay Herschelmann
Delegierte heben Stimmkarte zur Abstimmung.
22.09.2023

Als Erstes verabschiedeten die Delegierten mit dem Leitantrag D001 grundlegende Richtlinien zum Thema Digitalisierung unter der Überschrift „Digitalisierung gestalten für Gemeinwohl und mitbestimmte Gute Arbeit“. Seit Jahren ist die Digitalisierung ein zentrales Anliegen von ver.di, das nicht zuletzt durch die Corona-Pandemie weiter an Bedeutung gewonnen hat. Die bisherigen Beschlüsse aus den vergangenen Kongressen zum Thema behalten ihre Relevanz, während neue Herausforderungen der Arbeitswelt durch die fortschreitende Digitalisierung adressiert werden. Der Leitantrag setzt daher den Fokus auf die Gestaltung der Digitalisierung im Sinne des Gemeinwohls und der Förderung von guter Arbeit. ver.di betont darin die Notwendigkeit, die Arbeitsbedingungen im Zeitalter der Digitalisierung zu gestalten. Hierbei spielt „Gute Arbeit by design“ eine entscheidende Rolle, indem Technologieentwicklung und -einführung inklusive frühzeitiger Beteiligungs- und Mitbestimmungsrechte gefördert werden.

Mit Annahme des Antrags fodern die Delegierten die Schaffung von Rahmenbedingungen für qualifizierte, zukunftsfähige Berufsausbildungen und die Möglichkeit zur berufsbegleitenden Weiterqualifikation. ver.di betont darüber hinaus die Notwendigkeit, die Digitalisierung nachhaltig, sicher und transparent zu gestalten. Dabei sollen digitale Gemeingüter für Bildung, Kultur, Gesundheit und demokratische Teilhabe geschaffen werden. (Zur Zusammenfassung der jeweiligen Leitanträge geht es hier). 

Als Arbeitsmaterial zum Leitantrag wurde ein Antrag zur Unterstützung der Gig-Worker beschlossen (D002). Er zielt darauf ab, bessere Voraussetzungen und Unterstützung in dem stark wachsenden Arbeitsmarkt der Gig-Economy zu schaffen, da die Arbeiter*innen dort überproportional von Scheinselbstständigkeit betroffen sind. Mit Gig-Economy wird ein Teil des informellen Arbeitsmarktes bezeichnet, bei dem zeitlich befristete Aufträge flexibel und kurzfristig an Arbeitssuchende, Freelancer oder geringfügig Beschäftigte vergeben werden. Gerade für die vielen Migrant*innen in diesem Bereich müssen die Zugänge zur Gewerkschaft erleichtert werden. 

Frauen fördern und Senior*innen nicht vergessen

Als Arbeitsmaterial an den Bundesvorstand geht der Antrag D 005 „Digitalisierung – geschlechtergerecht “, der darauf abzielt, den digitalen Wandel so zu gestalten, dass Frauen nicht ins Hintertreffen geraten. In der Begründung des Antrags heißt es, dass Frauen mehr und bessere Weiterbildungsangebote benötigen, die auch zeitlich den Erfordernissen von Teilzeitbeschäftigten entgegenkommen. Arbeitgeber und politisch Verantwortliche seien gefragt, dafür spezifische Weiterbildungsprogramme gezielt für Frauen aufzulegen und zu fördern. 

Mit der Annahme des Antrags 007 wurde beschlossen, dass ver.di sich ganz bewusst dafür einsetzt, im Bereich der öffentlichen und privaten Dienstleistungen „Ein Recht auf Analog" zu etablieren. Es gilt sicherzustellen, heißt es darin, dass auch älteren Menschen, Personen mit Einschränkungen oder ohne Zugang zum Internet ein uneingeschränkter Zugang zu diesen Dienstleistungen auch in der Zukunft möglich ist. Als ergänzendes Arbeitsmaterial wurde Antrag D 008 angenommen, der sich dafür einsetzt, dass analoge Zugänge für Rentner*innen in öffentlichen Verwaltungen, Banken und Sparkassen und sozialen Einrichtungen erhalten bleiben.

Auch an den Bundesvorstand verwiesen wurde der Antrag D 009 „Einrichtung einer ver.di-Fachstelle 'Software'”, mit dem der Aufbau einer übergreifenden bzw. bundesweiten ver.di-Fachstelle "Software" gefordert wird. Diese sollte als Anlaufstelle Fachwissen über die Prüfung bei Einführung neuer Software sammeln und als Ansprechpartnerin für die Betriebs- und Personalräte vor Ort dienen.

In weiteren Anträgen, die von der ver.di-Jugend eingebracht und mit einer Mehrheit angenommen wurden, ging es um die die Nutzung und Förderung von Open-Source-Software durch den deutschen Staat (Antrag D 006) sowie um „Chatkontrolle” und den Einsatz für allgemeine überwachungsfreie, verschlüsselte digitale Kommunikation ohne Ausnahmen und Einschränkungen (D 010). Unsere politische und gewerkschaftliche Arbeit bedarf notwendigerweise sicherer Kommunikation ohne staatliche Kontrolle oder Hintertüren, heißt es darin.