Mit den Anträgen, die während des Kongresses diskutiert und verabschiedet werden, stellt das mächtigste ver.di-Gremium die Weichen für die Gewerkschaftspolitik der kommenden vier Jahre.
Die Arbeitswelt steht vor enormen Herausforderungen und Veränderungen, die ver.di im Interesse ihrer Mitglieder zukunftsorientiert und sozial gestalten will, vom Homeoffice über Arbeitskräftemangel und digitalen Veränderungen bis hin zum sozial-ökologischen Umbau, um nur einige zu nennen. In großen Leitanträgen werden verschiedene Themen zusammengefasst. Nachfolgend stellen wir Dir die Leitanträge für diesen ver.di-Bundeskongress vor.
ver.di vereint das Wissen und die Erfahrungen ihrer rund 1,9 Millionen Mitglieder. Dieses geballte Expertenwissen findet Eingang im Leitantrag Gute Arbeit. Mit einem Fokus auf Tarifbindung, Arbeitszeitpolitik, Mitbestimmung und Gesundheitsschutz buchstabiert dieser Antrag die ver.di-Vorstellungen einer modernen und sozialen Arbeitswelt.
Es gibt ein Recht auf Gute Arbeit, auch in Zeiten von Umbrüchen. Es ist notwendig, prekäre Beschäftigung einzudämmen und den gesetzlichen Mindestlohn auf existenzsicherndem Niveau weiterzuentwickeln, schon ab 2024 soll er auf mindestens 14 Euro steigen. Dazu sollen Ausnahmen von der Mindestlohnpflicht ausgeschlossen und die Kontrolle verbessert werden. Zudem will die Gewerkschaft gegen prekäre Arbeitsformen vorgehen wie beispielsweise Minijobs und Kettenbefristungen.
Tarifbindung und tarifliche Gestaltung der Arbeitswelt stärken
Tarifverträge sind der Schlüssel für gerechte Arbeitsbedingungen. ver.di fordert deshalb eine Stärkung der Tarifbindung, da derzeit nur 54% der Beschäftigten in Westdeutschland und 45% in Ostdeutschland in tarifgebundenen Unternehmen arbeiten. ver.di setzt sich außerdem für Maßnahmen wie ein Vergabegesetz als einen wesentlichen Hebel zur Bekämpfung von Lohndumping ein.
Auch die betriebliche Mitbestimmung soll gestärkt werden, um die demokratische Teilhabe der Beschäftigten zu gewährleisten. Der Leitantrag zur Guten Arbeit fordert eine umfassende Modernisierung des Betriebsverfassungsgesetzes, das seit 1972 kaum überarbeitet wurde, er setzt sich für eine beteiligungsorientierte Ausgestaltung der betrieblichen Mitbestimmung und eine bessere Position von Personalvertretungen ein. Beispielsweise durch ein „Digitales Zugangsrecht“ der Gewerkschaften: Angesichts der zunehmenden Digitalisierung in der Arbeitswelt setzt sich ver.di dafür ein, dass Gewerkschaften ein gesetzlich verbrieftes Recht erhalten, alle Beschäftigten per E-Mail zu kontaktieren. Dies soll dazu dienen, Informationen über gewerkschaftliche Aktivitäten und Gründe für einen Beitritt zu kommunizieren. Die Arbeitgeber sollen auf Verlangen die E-Mail-Adressen der Beschäftigten zur Verfügung stellen. Die Initiative zielt darauf ab, die Kommunikation und Interaktion zwischen Gewerkschaften, Betriebs- oder Personalräten und den Beschäftigten an die Anforderungen der modernen digitalen Arbeitswelt anzupassen.
Arbeits- und Gesundheitsschutz stärken
Die Corona-Pandemie hat die Bedeutung von Arbeits- und Gesundheitsschutz deutlich gemacht. ver.di fordert eine Erweiterung des Arbeitsschutzgesetzes, um den veränderten Anforderungen der Arbeitswelt gerecht zu werden. Es sollen Maßnahmen ergriffen werden, um psychische Belastungen am Arbeitsplatz zu reduzieren und psychische Erkrankungen als Berufskrankheit anzuerkennen. Zudem setzt sich der Antrag für verstärkte Arbeitsschutzkontrollen ein.
ver.di setzt sich für eine Verkürzung der Arbeitszeit bei Lohn- und Personalausgleich ein. Die Gewerkschaft lehnt zudem eine Verschlechterung des Arbeitszeitgesetzes ab und fordert, den Schutz von Arbeitszeit und Gesundheit zu stärken. Sie betont die Bedeutung des Sonntagsschutzes und setzt sich für die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben ein.
Neue Arbeitsformen attraktiv und gesundheitsfördernd gestalten
Angesichts der Bedeutung einer gesundheitsgerechten Gestaltung von neuen Arbeitsformen wie Homeoffice und mobiler Arbeit fordert ver.di klare Regelungen, die die Interessen der Beschäftigten wahren und einen fairen Ausgleich zwischen Arbeit und Privatleben ermöglichen. Es muss möglich sein, zwischen Homeoffice und Präsenzarbeit individuell wählen zu können.
Der Leitantrag zielt darauf ab, Arbeitnehmerrechte, Tarifverträge, Mitbestimmung und gute Arbeitsbedingungen zu sichern und weiterzuentwickeln, um den aktuellen Herausforderungen in der Arbeitswelt gerecht zu werden.
Hier zum Leitantrag
Antrag A 001 Beschlussfassung.pdf (PDF 119 kB)
Herausforderungen wie die Corona-Pandemie, Inflation, die demografische Entwicklung bringen soziale Missstände in unserer Gesellschaft in den Fokus. Soziale Gerechtigkeit und soziale Sicherheit müssen eine zentrale Rolle in der Politik spielen. . Dies spiegelt sich in den Kernpunkten des zweiten Leitantrags wider, der eine nachhaltige, generationengerechte und solidarische Lösung für die sozialen Sicherungssysteme fordert.
Es bedarf einer nachhaltigen sozialen Sicherheit in allen Lebensphasen sowie einer grundsätzlichen und nachhaltigen Stärkung des Sozialstaats, um den Herausforderungen gerecht zu werden, die sich zum Beispiel aus der Klimakrise und der demografischen Entwicklung ergeben.
Generationengerechte Lösungen im Wandel
Der demografische Wandel und der bevorstehende Renteneintritt der Babyboomer-Generation werden tiefgreifende Veränderungen am Arbeitsmarkt und in der Rentenpolitik mit sich bringen. Der Antrag unterstreicht die Notwendigkeit einer generationengerechten und solidarischen Lösung für die Zukunft. Dabei werden Lücken und unzureichende Regelungen benannt, die es zu schließen gilt.
Ein zentraler Schwerpunkt des Leitantrags liegt auf der Forderung nach einer wirksamen Kindergrundsicherung, um der steigenden Kinderarmut in Deutschland entgegenzuwirken. Diese soll unterschiedliche Leistungen für Kinder bündeln, leicht zugänglich sein und soziale Teilhabe ermöglichen. Die Kindergrundsicherung soll die tatsächlichen Kosten für ein Kind abdecken und einkommensabhängig gestaltet sein. Dabei sollen vor allem die am stärksten von Armut betroffenen Familien gezielt unterstützt werden.
Starke Alterssicherung und Rentenverbesserungen
In Bezug auf die Alterssicherung betont der Antrag die Notwendigkeit eines starken und verlässlichen Rahmens für die gesetzliche Rentenversicherung. ver.di setzt sich für eine abschlagsfreie Altersrente ab dem 63. Lebensjahr ein und fordert eine Anhebung des Rentenniveaus auf mindestens 53 Prozent. Höhere Beitragssätze und Steuerzuschüsse sind notwendig, um diese Verbesserungen zu finanzieren. Auch die paritätische Beitragsfinanzierung wird betont, um eine gerechte Verteilung der Verantwortung sicherzustellen.
Die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) und die soziale Pflegeversicherung (SPV) sind Schlüsselbereiche für die soziale Sicherheit in Deutschland. Der Antrag weist auf die aktuellen Herausforderungen hin, die durch Gesetze der letzten Regierungskoalition entstanden sind und die Leistungsausgaben der GKV und SPV gesteigert haben. Dabei werden Lösungsansätze zur Stabilisierung dieser Systeme präsentiert, um eine hochwertige Versorgung innerhalb der gesamten Solidargemeinschaft sicherzustellen.
In einem Bürgerversicherungssystem strebt ver.di an, ein ausgewogenes Nebeneinander von gesetzlicher und privater Kranken- und Pflegeversicherung zu schaffen, wobei beide auf denselben gesetzlichen Vorschriften und Versicherungsbedingungen basieren. Dabei liegt der Fokus auf den Bedürfnissen der Versicherten und Patient*innen. Die Verwaltung der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) sollte der dafür vorgesehenen sozialen Selbstverwaltung übertragen werden, die die Beitragsmittel der Versicherten verwaltet und die Leistungsfähigkeit sicherstellt.
Es wird angestrebt, eine größere Anzahl von Besserverdienenden in die GKV zu integrieren und das Prinzip der Beitragszahlung entsprechend ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und Einkommen zu stärken. Zudem sollen Arznei-, Heil- und Hilfsmittel als essentielle Bedarfsartikel betrachtet werden und daher dem reduzierten Mehrwertsteuersatz unterliegen. Die eingeschränkten Kontroll- und Regulierungsbefugnisse der GKV sollen reduziert und die Autonomie der Selbstverwaltung ausgebaut werden.
Dieser ver.di-Leitantrag setzt klare Akzente für eine nachhaltige, generationengerechte und solidarische soziale Sicherheit. Er adressiert die drängendsten Herausforderungen in den Bereichen Kinderarmut, Alterssicherung und Gesundheitsversorgung und ruft zur gemeinsamen Verantwortung von Staat, Arbeitgebern und Arbeitnehmern auf. Für die Mitglieder von ver.di ist dieser Antrag eine Möglichkeit, aktiv an der Gestaltung der sozialen Sicherungssysteme mitzuwirken und eine gerechte und nachhaltige Zukunft zu fördern.
Antrag B 001 Beschlussfassung.pdf (PDF 105 kB)
Mit diesem Leitantrag legt ver.di klare Forderungen zur aktiven Arbeitsmarktpolitik in einer sich wandelnden Gesellschaft vor. Er behandelt verschiedene Aspekte im Zusammenhang mit Fachkräftemangel, Selbstständigkeit, Arbeitslosenversicherung und Arbeitsmarktpolitik.
Die demographische Entwicklung, insbesondere der bevorstehende Ruhestand der sogenannten Babyboomer-Generation, wird laut Statistischem Bundesamt bis 2036 12,9 Millionen Erwerbspersonen betreffen. Dies könnte zu einem Fachkräftemangel führen, der bereits jetzt schon teilweise spürbar ist. Gleichzeitig beeinflusst der technologische Wandel den Arbeitsmarkt und verändert Arbeitsplätze. Experten des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) sehen einen deutlichen Wandel in der Arbeitswelt, der eine sozialverträgliche Begleitung erfordert.
Arbeitsmarktpolitik im Kontext klimaneutraler Wirtschaft
Auch die Umstellung auf eine klimaneutrale Wirtschaft wird den Arbeitsmarkt beeinflussen, wenngleich Ausmaß und Art dieser Veränderungen noch unklar sind. ver.di betont die Notwendigkeit einer verlässlichen Arbeitsmarktpolitik, die den Beschäftigten in diesen unsicheren Zeiten Sicherheit bietet und den Strukturwandel begleitet. Dazu gehören Maßnahmen zur Vermeidung von Erwerbslosigkeit, zur Verkürzung der Erwerbslosigkeitsdauer und zur Unterstützung des Gleichgewichts von Angebot und Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt. ver.di fordert über alle Bundes- und Landesministerien hinweg übergreifende Maßnahmen mit dem Ziel, die Erwerbsbeteiligung von Frauen nachhaltig zu erhöhen. Neben der Überwindung Anlage des Ehegattensplittings entsprechend den Vorschlägen des DGB-Steuerkonzepts und der Abschaffung der Minijobs, muss insbesondere die Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie/Pflege und Beruf mit gebündelter Kraft angegangen werden.
Der Antrag fordert außerdem eine stärkere Ausrichtung auf Ausbildung und eine höhere Beteiligung der Arbeitgeber an der Bereitstellung von Ausbildungsplätzen. ver.di plädiert für eine umlagefinanzierte Ausbildungsgarantie und die Stärkung der sogenannten Verbundausbildung. Der Übergang von Schule zu Beruf soll durch bessere Berufsorientierung und -beratung erleichtert werden. Auch Geschlechterklischees sollen durch geschlechtersensible Beratung durch Einrichtungen der Frühen Bildung über Schulen, Universitäten und Berufsberatungen bis hin zu den Arbeitgeber*innen überwunden werden.
Faire Einwanderung und gerechte Arbeitsbedingungen
ver.di betont die Bedeutung der Integration von Menschen mit Migrationshintergrund und Fluchtgeschichte in den Arbeitsmarkt und fordert gezielte Maßnahmen zur Förderung ihrer Beschäftigung.
Wichtig sei eine faire Arbeits- und Fachkräfteeinwanderung, die die Bedarfe der Einwandernden berücksichtigt. Gleichbehandlung und gerechte Arbeitsbedingungen stehen hierbei im Fokus. ver.di fordert eine klare Zuständigkeit und Koordinierung auf Bundesebene sowie eine finanzielle Unterstützung durch den Staat. Die anfallenden Kosten für erforderliche und auch für einschlägige Integrations- und Sprachkurse dürfen nicht zur unüberwindbaren Hürde bzw. zu einer langfristigen Belastung für die dringend benötigten Arbeits- und Fachkräfte werden. Vielmehr sind hier die aufnehmenden Arbeitgeber*innen in die Pflicht zu nehmen, sofern nicht staatliche Finanzierungsquellen zur Verfügung stehen. Für eine erfolgreiche Erwerbsmigration und die Entwicklung entsprechender zukunftsfähiger Konzepte fordert ver.di eine zentrale Zuständigkeit und Koordinierung auf Bundesebene.
In Bezug auf das Bürgergeld kritisiert ver.di, dass es nicht ausreichend armutsfeste Regelsätze bietet. Sie fordert eine realitätsnahe Ausgestaltung der Regelsätze und Schutzmaßnahmen in der Karenzzeit, um sozialen Abstieg zu verhindern. Bei der Arbeitsvermittlung betont die Gewerkschaft die Bedeutung individueller Beratung und Chancen auf Aus- und Weiterbildung. Beim Bürgergeld fordert ver.di nicht nur eine deutliche Erhöhung und stärkere Flexibilität, um unvorhergesehene Kostensteigerungen zeitnah auffangen zu können, sondern auch ein geändertes Berechnungsmodell. Insbesondere erwartet ver.di, dass dessen realitätsnahe Ausgestaltung, die Bedarfe nicht kleinrechnet der ganz wegfallen lässt. Hierfür sollte eine Sachverständigenkommission eingesetzt werden, die auch Betroffene einbezieht. Richtig und wichtig ist in der Karenzzeit der Schutz von Wohnraum und Vermögen, hier ist eine zeitliche Ausweitung notwendig, um der Angst vor sozialem Abstieg bei Arbeitslosigkeit zu begegnen. Grundsätzlich sind bei den Wohnkosten (inkl. Heizung) dauerhaft die schwierigen Bedingungen auf dem Wohnungsmarkt angemessen einzubeziehen.
Antrag B 083 Beschlussfassung.pdf (PDF 112 kB)
Im Zeichen sich häufender Krisen richtet ver.di den Blick auf die sozialen und ökologischen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts. Der Bundeskongress soll den Kurs für den Umbau von Wirtschaft und Gesellschaft bestimmen. Dabei liegt der Fokus auf sozialem Zusammenhalt, Klimaschutz und gerechter Arbeitsweltgestaltung.
Ein zukunftsweisender sozial-ökologischer Umbau erfordert umfangreiche Investitionen in die physische und soziale Infrastruktur, Bildung, Gesundheitswesen, Altenpflege, soziale Sicherung und bezahlbaren Wohnraum. Hierfür die Abschaffung, mindestens aber eine Reform der Schuldenbremse und EU-Verschuldungsbeschränkungen gefordert. Vermögenssteuern, Einkommenssteuern und CO2-Bepreisung sind der Schlüssel zur finanziellen Unterstützung des sozial-ökologischen Wandels.
Finanzierung unseres Gemeinwesens
In der Steuerpolitik müssen große Vermögen wieder einen substanziellen Beitrag zur Finanzierung unseres Gemeinwesens leisten. Vermögen oberhalb eines Freibetrags von einer 270 Million Euro je Person müssen wieder mit einer Vermögensteuer belegt werden. Darüber hinaus ist eine einmalige Vermögensabgabe der Reichen eine Möglichkeit, um einen außergewöhnlichen Finanzbedarf des Staates zu decken. Bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer müssen die bisherigen Begünstigungen abgeschafft werden, die die Erben großer Unternehmensvermögen und Aktienpakete weitgehend steuerfrei stellen. In der Einkommensteuer müssen Beschäftigte und Familien mit kleinen und mittleren Einkommen durch einen deutlich erhöhten Grundfreibetrag entlastet werden. Im Gegenzug ist der Spitzensteuersatz für besonders hohe Einkommen auf über 50 Prozent anzuheben. Bei den Unternehmen muss die Steuervermeidung durch Gewinnverschiebung internationaler Konzerne stärker bekämpft werden. Ein wichtiger Baustein in der Klimapolitik der EU und der Bundesregierung ist die Bepreisung des CO2-Ausstoßes. Nach Energieerzeugung und Industrie sind seit 2021 auch Verkehr und Gebäude/Heizungen betroffen. Der CO2-Preis soll von 2024 bis 2026 schrittweise steigen und dann durch eine Auktion von Verschmutzungsrechten ermittelt werden. ver.di setzt sich dafür ein, dass der CO2-Preis langsam und kontinuierlich steigt: Das würde Unternehmen und Verbrauchern Planungssicherheit geben.
Die Zivilisationskrise resultiert aus entfesseltem Kapitalismus und demokratiefeindlichem Machtstreben. Die Rolle des Sozialstaats, der Daseinsvorsorge und des Gesundheitswesens für den gesellschaftlichen Zusammenhalt hat sich – trotz aller Mängel und Defizite in den Krisen bewährt. ver.di strebt an, wirtschaftliche und gesellschaftliche Umbrüche mit Blick auf die Interessen der Beschäftigten und ihrer Familien zu gestalten. Gute Arbeit, Tarifverträge, Arbeitsschutz und Mitbestimmung sind dabei zentral, um sozialen Benachteiligungen entgegenzuwirken.
Entschiedene Tarifsteigerungen gegen Reallohneinbußen
Die aktuellen geopolitischen Entwicklungen, insbesondere der russische Einmarsch in die Ukraine, haben zu einer Energie- und Rohstoffkrise geführt. Preisanstiege und Reallohneinbußen sind die Folgen. ver.di fordert spürbare Lohnerhöhungen, um den Reallohnverlusten entgegenzuwirken. Die Energiewende und Wirtschaftsumgestaltung sind weiterhin im Fokus, erfordern jedoch massive Investitionen und strategische politische Maßnahmen.
ver.di setzt sich für eine aktive staatliche Rolle bei öffentlichen Investitionen, Dienstleistungs- und Industriepolitik sowie für eine Regulierung der Arbeitswelt ein. Tarifbindung und sozial-ökologische Standards sollen in Vergabe- und Tariftreuegesetzen verankert werden, um Lohndumping und Klimaverfehlungen zu unterbinden.
Maßnahmen zur Umsetzung der Klimaziele
Die zunehmende Erderwärmung und der Klimawandel erfordern umfassende Maßnahmen, denen die Ampelkoalition bisher nicht gerecht wird.
Der Antrag fordert einen raschen und massiven Ausbau erneuerbarer Energien, insbesondere Wind, Sonne, Biogas und Geothermie. Bis 2040 soll die Stromerzeugung praktisch vollständig auf diese Quellen umgestellt werden. Um die Versorgungssicherheit mit Strom, Gas und anderen Energieträgern zu gewährleisten, sollen die Übertragungs- und Verteilnetze aus- und umgebaut werden. Die Speicherkapazitäten müssen erweitert werden, was auch Forschungsförderung erfordert. Die Verzahnung der regenerativen Stromerzeugung mit Verkehr, Industrie und Wärmeerzeugung ist ein wichtiger Schritt. Dazu gehören auch Wasserstoffproduktion und staatlich kontrollierte Energiereserven. Der Energieverbrauch für Wärme soll auf erneuerbare Weise drastisch reduziert werden. Hierbei sind soziale Maßnahmen wie Wohngeld und sozialer Wohnungsbau notwendig, um die energetische Gebäudesanierung für Haushalte erschwinglich zu gestalten.
Die Wegwerfwirtschaft soll zugunsten geschlossener Stoffkreisläufe überwunden werden. Recycling von Grundstoffen und die Umstellung auf erneuerbare Stoffe sind wichtige Elemente. Der Verkehrssektor muss seine Klimaziele erreichen, wofür der Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs (ÖPNV) und die Förderung von umweltfreundlichen Verkehrsmitteln notwendig sind. Dies erfordert öffentliche Investitionen und Verbesserungen der Arbeitsbedingungen im ÖPNV.
Für die Finanzierung des Umbaus plädiert ver.di für eine Vermögensteuer, höhere Steuern auf hohe Einkommen und eine CO2-Bepreisung mit sozial gestaffelter Rückführung an Haushalte. Die Herausforderungen des Klimawandels verlangen nach internationaler Kooperation und Unterstützung, um sozial gerechte Übergänge auch in wirtschaftlich schwächeren Ländern zu ermöglichen Der Antrag nimmt in Beug auf Investitionen „einen aktiven Staat“ in die Pflicht, der die notwendigen öffentlichen Investitionen tätigt, Dienstleistungs- und Industriepolitik betreibt, struktur- und regionalpolitisch gestaltet und die öffentliche Beschaffung als Instrument für nachhaltiges Wirtschaften nutzt. In Reaktion auf die Pandemie und die Energiekrise hat der Staat seine großen Handlungsmöglichkeiten unter Beweis gestellt – von enormen Ausgabenprogrammen über öffentlich finanzierte Dienstleistungen, rechtliche Vorgaben bis hin zu Verstaatlichungen.
Antrag C 001 Beratungsvorschlag für GR.pdf (PDF 91 kB)
Bereits seit Jahren ist die Digitalisierung ein zentrales Anliegen von ver.di, das nicht zuletzt durch die Pandemie weiter an Bedeutung gewonnen hat. Die bisherigen Beschlüsse aus den vergangenen Kongressen zum Thema behalten ihre Relevanz, während neue Herausforderungen der Arbeitswelt durch die fortschreitende Digitalisierung adressiert werden. Dieser Leitantrag setzt daher den Fokus auf die Gestaltung der Digitalisierung im Sinne des Gemeinwohls und der Förderung von guter Arbeit.
Ambivalenz der Digitalisierung für Beschäftigte
Die Auswirkungen der Digitalisierung auf die Arbeitswelt sind vielschichtig. Während die Möglichkeit des Homeoffice und digitaler Zusammenarbeit Freiheiten bietet, steht die Entgrenzung von Arbeit und Freizeit im Kontrast dazu. Die verstärkte Nutzung von Technologien führt bei vielen Beschäftigten zu erhöhtem Stress. Abhängig Beschäftigte und Solo-Selbstständige erleben mit der Digitalisierung vielfach eine Zunahme von Arbeitsmenge und -belastungen, wachsende Kontrolle und Überwachung und drohende Arbeitsplatz- und Auftragsverluste. Diese Dynamik könnte durch die Einführung von Künstlicher Intelligenz noch weiter zunehmen. ver.di betont deshalb die Bedeutung ethischer Leitlinien für den Einsatz von Künstlicher Intelligenz. Diese sollen unter anderem Sinnstiftung, Barrierefreiheit, Diskriminierungsfreiheit und Nachhaltigkeit gewährleisten. Für Beschäftigte setzt sich ver.di für die Überprüfung von Entgeltstrukturen und Einstufungsverfahren ein, um die Auswirkungen auf Kompetenzveränderungen zu berücksichtigen.
ver.di betont zudem die Notwendigkeit, die Arbeitsbedingungen im Zeitalter der Digitalisierung zu gestalten. Hierbei spielt „Gute Arbeit by design“ eine entscheidende Rolle, indem Technologieentwicklung und -einführung inklusive frühzeitiger Beteiligungs- und Mitbestimmungsrechte gefördert werden. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) hat im Januar 2019 ein erstes Impulspapier „Künstliche Intelligenz und die Arbeit von morgen“ veröffentlicht, mit dem ein Modell zur betrieblichen Gestaltung von KIAnwendungen skizziert wird. Mit „Gute Arbeit by design“ wird ein vorausschauender Ansatz zur Arbeitsgestaltung im Kontext von autonomen Softwaresystemen vorgeschlagen: „Die Gestaltung muss bereits bei der Konzeptionierung und in der Entwicklungsphase von KI-Systemen beginnen. Voraussetzung für eine gute Gestaltung ist ein breiter Beteiligungsprozess, der bereits bei der Definition der Zielsetzung für die KI und deren Anwendung beginnt und eine Folgenabschätzung einschließt“.
Qualifizierung und Bildung in der digitalen Arbeitswelt
Die veränderten Arbeitsprozesse durch Digitalisierung erfordern angepasste Qualifikationen. Der Kongress fordert die Schaffung von Rahmenbedingungen für qualifizierte, zukunftsfähige Berufsausbildungen und die Möglichkeit zur berufsbegleitenden Weiterqualifikation. Betriebe sollen Beschäftigten die Möglichkeit zur Weiterentwicklung bieten, auch im Hinblick auf sich verändernde Arbeitsprozesse. Virtuelle Lernräume, selbstgesteuertes und selbstverantwortetes Lernen, sowie die Nutzung digitaler Komponenten in der Präsenzausbildung gewinnen an Bedeutung. Dafür braucht es gute Bedingungen, wie die Ausstattung mit Hard- und Software genauso wie die Schaffung von physischen Lernräumen, digitale Infrastruktur in den Bildungseinrichtungen sowie eine gute Finanzierung, damit die technische Infrastruktur entsprechend ausgebaut werden kann.
ver.di macht sich stark für die Gestaltung der sogenannten Plattformarbeit, die Form von Arbeit, bei der Aufträge und Aufgaben allein über eine Online-Plattform vergeben und gegen Bezahlung spezifische Probleme gelöst oder spezifische Dienstleistungen erbracht werden. Ziel ist es, die Rechte von Beschäftigten in dieser Plattformökonomie zu stärken und faire Arbeitsbedingungen zu gewährleisten. Die Gewerkschaft fordert Zugangsrechte und Transparenzpflichten für Gewerkschaften gegenüber Plattformbeschäftigten sowie gerechte Entgelte für selbstständige Plattformarbeit. Zudem soll gemeinwohlorientierte Plattformarbeit gefördert und monopolartige Entwicklungen verhindert werden.
Digitale Gemeingüter, Nachhaltigkeit und Transparenz
ver.di betont darüber hinaus die Notwendigkeit, die Digitalisierung nachhaltig, sicher und transparent zu gestalten. Dabei sollen digitale Gemeingüter für Bildung, Kultur, Gesundheit und demokratische Teilhabe geschaffen werden. Die Entwicklung digitaler Systeme muss ethische und offene Standards berücksichtigen. Gleichzeitig sollen Schutzmechanismen für Gesundheitsdaten und das informationelle Selbstbestimmungsrecht der Betroffenen gewährleistet sein.
Antrag D 001 Beschlussfassung.pdf (PDF 83 kB)
Die zurückliegenden Jahre, die von Pandemie, Klimakrise und globalen Konflikten geprägt waren, haben den gesellschaftlichen Zusammenhalt auf die Probe gestellt und Spaltungen vertieft. ver.di steht für Solidarität, Demokratie, Gleichberechtigung, Antirassismus und die Teilhabe aller in der Gesellschaft. Der ver.di-Bundeskongress verspricht eine energische Bündelung von Kräften zur Stärkung einer demokratischen, solidarischen und diskriminierungsfreien Gesellschaft.
Meinungs- und Pressefreiheit sind fundamentale Säulen der Demokratie. ver.di setzt sich deshalb entschieden gegen Angriffe auf Medienschaffende ein und fordert fairen Zugang zu Medien für alle Bürger*innen, ohne Einschränkungen der Berichterstattung und einer Verknappung der Medienvielfalt. Ebenso tritt ver.di gegen physische und psychische Gewalt gegen Beschäftigte ein und setzt sich für eine vielfältige, inklusive und diskriminierungsfreie Gesellschaft ein. ver.di kämpft für Gleichberechtigung, Inklusion und den Schutz vor Diskriminierung am Arbeitsplatz und in der Gesellschaft.
Kampf gegen Rechts
ver.di setzt klare Maßstäbe im Kampf gegen rechte Hetze und Diskriminierung und fordert wirkungsvolle Maßnahmen gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus. Die Gewerkschaften spielen eine wichtige Rolle in der Abwehr rechter Tendenzen. Durch beteiligungsorientierte Betriebs- und Tarifarbeit, Bildungsarbeit und politisches Engagement tritt ver.di rechten Strömungen entschieden entgegen.
Wir leben in einer Einwanderungsgesellschaft – ver.di fordert eine solidarische Willkommensgesellschaft. ver.di ist auch Migrationsgewerkschaft und fordert die Erleichterung der Einbürgerung, Ausweitung des Wahlrechts und sichere Aufenthalts- und Arbeitserlaubnisse. Der Antrag betont die Notwendigkeit humanitärer Behandlung von Geflüchteten und die Abschaffung diskriminierender Regelungen.
Antrag E 001 Beschlussfassung.pdf (PDF 75 kB)
Inmitten eines sich wandelnden Weltgeschehens mit anhaltendem Konflikt in der Ukraine und globalen Unsicherheiten formuliert ver.di klare Forderungen und Perspektiven für Frieden, Sicherheit und Abrüstung.
Der völkerrechtswidrige Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine steht im Zentrum , die Folgen sind weltweit spürbar. Die europäische Friedens- und Sicherheitsordnung, die seit dem Ende des Kalten Krieges Bestand hatte, wird durch diesen Krieg in Frage gestellt. In einem klaren Bekenntnis zur Solidarität mit den Menschen in der Ukraine und Russland, die unter diesem Krieg leiden, unterstreicht der Antrag seine Ablehnung von Kriegen als politischem Mittel und verurteilt den Angriff Russlands auf die Ukraine.
Stopp des Angriffskrieges
ver.di fordert den Stopp des Angriffskrieges, den Abzug der russischen Truppen aus der Ukraine und die Achtung der territorialen Integrität aller Länder. Die Notwendigkeit einer klaren Haltung und einer zielgerichteten, diplomatischen Strategie, um Frieden und Sicherheit zu gewährleisten, steht dabei im Fokus. Dabei betont ver.di die Bedeutung einer diplomatischen Konfliktlösung und den Verzicht auf militärische Eskalation.
Der Antrag betont die Rolle der Bundeswehr und die Bedeutung der Landes- und Bündnisverteidigung. ver.di spricht sich für eine Bundeswehr aus, die ihren grundgesetzlichen Auftrag zur Verteidigung erfüllt und gleichzeitig die Interessen der Beschäftigten wahrnimmt. Hierbei wird die Wichtigkeit einer transparenten und demokratischen Entscheidungsfindung über Rüstungsfragen betont, die sich an den tatsächlichen Bedürfnissen der Streitkräfte orientiert.
Sicherheit, Umweltverträglichkeit und Geschlechtergerechtigkeit
Die Forderung nach einer Definition von Sicherheit, die nicht nur militärische Aspekte, sondern auch soziale Sicherheit, Umweltverträglichkeit und Geschlechtergerechtigkeit einschließt, unterstreicht die Komplexität der heutigen Herausforderungen. ver.di setzt sich für eine Weltordnung ein, in der Frieden und Sicherheit für alle Menschen gewährleistet sind und ruft zur verstärkten internationalen Kooperation auf, um eine nachhaltige Zukunft zu gestalten.
In einer Zeit des Umbruchs und der Unsicherheit hebt ver.di hervor, dass die Bewältigung der globalen Herausforderungen nur gemeinsam gelingen kann, durch konstruktive Zusammenarbeit, Respekt vor unterschiedlichen Meinungen und eine klare Vision für Frieden, Sicherheit und Gerechtigkeit.
Antrag E 084 Beschlussfassung.pdf (PDF 65 kB)
In Zeiten zunehmender Nationalismen und globaler Krisen setzt sich ver.di für eine solidarische europäische Integration und eine gerechte Globalisierung ein. Der ver.di-Bundeskongress befasst sich daher mit der Neuorientierung der europäischen Politik und der globalen Zusammenarbeit, um die Arbeits- und Lebensbedingungen der Beschäftigten nachhaltig zu verbessern.
ver.di stellt klar, dass Europa zwar gestärkt, jedoch anders gestaltet werden muss. In vielen Bereichen braucht es eine stärkere europäische Zusammenarbeit, gleichzeitig müssen soziale Errungenschaften in den Mitgliedstaaten geschützt werden – auch, um nationalistischen und rechtspopulistischen Strömungen den Wind aus den Segeln zu nehmen. Die Nationalstaaten müssen ihre Bürgerinnen und Bürger vor den negativen Auswirkungen der Globalisierung schützen und sozialen Fortschritt gewährleisten. Der Leitantrag skizziert drei zentrale Politikfelder:
Solidarische und nachhaltige europäische Wirtschaftspolitik
Die Gewerkschaft strebt eine verstärkte europäische Koordination in der Unternehmensbesteuerung an, um Steuervermeidung und -hinterziehung zu verhindern. Auch eine Mindestbesteuerung von Unternehmensgewinnen mit einem Mindeststeuersatz von 25 Prozent wird angestrebt. ver.di befürwortet zudem eine umfassende Finanztransaktionssteuer und setzt sich für ein EU-Zukunftsinvestitionsprogramm ein, das die sozial-ökologische Transformation vorantreibt. Ein europäisches Wirtschafts- und Sozialmodell soll die Grundlage für eine gerechte wirtschaftliche Entwicklung bilden.
Beschäftigtenfreundlicher europäischer Binnenmarkt
Der europäische Binnenmarkt soll neu ausgerichtet werden, um das Primat der Liberalisierung und Deregulierung zu beenden. ver.di fordert eine verstärkte Zusammenarbeit beim Ausbau europäischer Netze und unterstützt die „Fair Share“-Initiative der EU-Kommission zur Kostenbeteiligung von Unternehmen. Die Gewerkschaft setzt sich auch für eine angemessene Regulierung des Einsatzes von Künstlicher Intelligenz ein und betont die Bedeutung der Erhaltung öffentlicher Dienstleistungen.
Solidarische europäische Beschäftigungs- und Sozialpolitik
ver.di strebt zudem die Verbesserung der Arbeits- und Lebensverhältnisse in der EU an. Die Gewerkschaft fordert höhere Standards für Unterrichtung und Anhörung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern sowie eine Rahmenrichtlinie für Mindeststandards bei der Grundsicherung. Gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort soll für alle Branchen gelten, und auch die Umsetzung des Pariser Klimaabkommens soll eine zentrale Rolle in Handelsabkommen spielen.
Der Leitantrag betont insbesondere die Bedeutung einer verbindlichen unternehmerischen Sorgfaltspflicht entlang von Lieferketten weltweit. ver.di setzt sich sowohl auf nationaler als auch auf europäischer Ebene für Regelungen ein, die Unternehmen zur Verantwortung für gute Arbeitsbedingungen und faire Löhne in ihren Lieferketten ziehen.
Antrag G 001 Beschlussfassung.pdf (PDF 84 kB)