Nach einem langen Tag der Debatten ist die Abstimmung zum Antrag E 084 „Perspektiven für Frieden, Sicherheit und Abrüstung in einer Welt im Umbruch“ am späten Donnerstagabend zu Ende gegangen. Wie wichtig den Delegierten diese Debatte gewesen ist, war bereits im Vorfeld zu spüren. Es gab eine Mahnwache vor dem Kongresszentrum, drinnen wurden seit Sonntag bereits etliche Flyer zu „Frieden schaffen ohne Waffen“ verteilt. Viele Redebeiträge wurden erwartet, insgesamt standen 14 Änderungsanträge zum Antrag auf der Agenda.
Diskutiert wurde die Sinnhaftigkeit der Sanktionen gegenüber Russland als dem Aggressor gegen die Ukraine. Dabei hatten die Delegierten im Saal das Bedürfnis, Positionen für und wider den Krieg auszutauschen. So war die Tatsache, dass Putin sich schon Hilfe in Nordkorea hole, für einige ein Zeichen, dass die Sanktionen sehr wohl wirken, was von anderen angezweifelt wurde.
Die Delegierten waren sich zunächst einig darin, dass alle den Frieden wollen. Nur, wie der Weg dorthin führe, darüber gingen die Meinungen auseinander. Wirklicher Frieden müsse durch Verhandlungen entstehen. Bevorzugt werden solle der gewaltfreie Weg, um das Sterben zu reduzieren. Der ver.di-Vorsitzende Frank Werneke betonte das Recht von angegriffenen Völkern auf Selbstverteidigung. Frieden und Freiheit seien nicht zu trennen. Nach acht Stunden Debatte mit einer Pause wurde dem Antrag mit wenigen Änderungen mehrheitlich zugestimmt.
Vor der Debatte um den Antrag E084 verabschiedeten die Delegierten mit dem Leitantrag E001 grundlegende Richtlinien zum Thema unter der Überschrift „Mit vereinter Kraft für eine demokratische, solidarische und diskriminierungsfreie Gesellschaft“. Inmitten eines sich wandelnden Weltgeschehens mit anhaltendem Konflikt in der Ukraine und globalen Unsicherheiten formuliert ver.di klare Forderungen und Perspektiven für Frieden, Sicherheit und Abrüstung. (Zur Zusammenfassung des Leitantrags geht es hier).
Zu Beginn stand ein Initiativantrag „Keine Kürzungen bei zivilgesellschaftlichen Initiativen“ (E001 I001). Durch die geplante Streichung der Zuschüsse für die „Amadeu Antonio Stiftung“, das „Anne Frank Zentrum“ oder „HateAid“, sei die dringend notwendige Stärkung in der Beratungs-, Präventions- und Ausstiegsarbeit, sowie das Empowerment von Betroffenengruppen extrem in Gefahr. Dabei seien politische Bildung und Demokratieförderung in diesen Zeiten mehr gefordert denn je. Ebenso würde durch die Kürzung von Migrationsberatungsstellen die Orientierung für den Weg zu Bildung, Sprachkursen, Wohnung und Arbeit für viele Neuzugewanderte nicht mehr erfolgen und in Folge die Integration von Menschen extrem erschwert, faktisch verhindert. Mit wenigen Enthaltungen wurde dem Antrag zugestimmt und eine Resolution formuliert.
Wichtig war den Delegierten auch die Forderung nach unabhängigen Polizeibeschwerdestellen (E006/E009). Polizeigewalt greife immer mehr um sich, aber es käme kaum zu Disziplinarmaßnahmen gegen gewalttätige Polizisten. Deshalb brauche es so eine Stelle, die unabhängige Ermittlungen gewährleistet.
Diskutiert wurde auch im Untersachgebiet „Frauen und Gleichstellung“ vor allem über die Einführung von Gleichstellungsbeauftragten in der Privatwirtschaft (E046). Hingewiesen wurde von einer Delegierten darauf, dass es bereits vor 22 Jahren einen ersten Gesetzesentwurf dazu gegeben habe. Der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder, SPD, habe aber nicht das Gesetz durchgesetzt, sondern sich auf einen Deal mit der Wirtschaft eingelassen.
Die Diskussion setzte sich fort mit dem Antrag „Interessen von Frauen stärken“ (E048). Es wurde darauf hingewiesen, dass Frauen in der Privatwirtschaft nach wie vor überdurchschnittlich diskriminiert würden. Viele Tarifverträge würden immer noch nicht die besonderen Lagen von Frauen, etwa Alleinerziehenden, berücksichtigen. Auch der Rechtsruck in der Gesellschaft würde die Rechte von Frauen bedrohen. Der Antrag auf die Stärkung von Fraueninteressen müsse immer wieder und so lange gestellt werden, bis Gleichstellung wirklich erreicht ist. Der Kongress folgte somit nicht der Empfehlung der Antragskommission, die den Antrag durch die Praxis bereits erledigt sah. Die Empfehlung wurde geändert und der Antrag mit großer Mehrheit angenommen.
Klare Statements wurden gegen Antisemitismus und Rassismus (E058/E060) gesetzt, anschließend – wie schon auf dem letzten ver.di-Bundeskongress – wurde lange über Abgrenzung gegen rechts und AfD-Mitglieder debattiert. Mehrheitlich war man sich einig, dass man keine AfD-Mitglieder in der Gewerkschaft haben wolle, weil sie per se keine Gewerkschaften wollen und entsprechende Gegenorganisationen gründen. Ein Ausschluss von AfD-Mitgliedern oder Mitgliedern, die rechtes Gedankengut pflegen und verbreiten, sei aber nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich laut ver.dis Satzung. Die stellvertretende ver.di-Vorsitzende Andrea Kocsis verwies auf die im Grundgesetz verankerte Koalitionsfreiheit.
Einig waren sich die Delegierten auch in der Solidarität mit allen Geflüchteten (E076-E083), Applaus erhielt der Seenotretter Dariush, der Menschen im Mittelmeer rettet, die auf ihrer Flucht in Seenot geraten. Er wurde mit einem Video eingespielt und bat um Spenden, weil er und seine Mitstreiter*innen von Italien wegen Landfriedensbruch angeklagt sind. Aber vor allem bat er um Engagement für die Menschen, die flüchten müssen, sie bräuchten unsere Unterstützung.
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