Dass das größte Hotel Deutschlands sich derzeit in ver.dis Händen befindet, war am frühen Morgen des 18. Septembers am Ende der Neuköllner Sonnenallee nicht zu übersehen und auch nicht zu überhören. Vor dem Estrell-Hotel tanzten, sangen und liefen sich rund hundert Beschäftigte aus dem Handel warm, um wenig später im Plenum des ver.di-Bundeskongresses mit Hungerskelett, Fahnen und Transparenten einzuziehen. Der Applaus war ihnen nicht nur wegen ihrer Michael-Jackson-Performance sicher, sondern vor allem auch, weil sie seit Monaten landauf landab für Löhne streiken, von denen sie leben können – gegen alle Angriffe der Arbeitgeberseite auf das Streikrecht.
Das Skelett, dass die Beschäftigten wie eine Monstranz bei jedem Streik mit sich tragen, demonstriert, wie groß die Not vieler Frauen und Männer im Handel inzwischen ist. Monströs gestiegene Preise für Nahrungsmittel und alltägliche Güter – sie treffen vor allem auch die Beschäftigten im Handel, für die der Einkauf im eigenen Konzern die Lohntüte zum Ende des Monats immer häufiger sprengt.
„Ich will nicht reich werden, aber auch nicht arm“ war auf einem Transparent lesen, dass die Handelsbeschäftigten aus Berlin und Brandenburg mit sich trugen. Und sie zogen mit ihm und der geballten Solidarität des Kongresses wieder hinaus, um auf der Sonnenallee ihren Kampf für angemessene Bezahlung, die sie vor Armut – auch im Alter – schützt, lautstark fortzusetzen. Und wie schon auf der Kongressbühne auch mit Humor. Drinnen und draußen sangen sie: „Ohne uns kein Klopapier.“