Insgesamt 193 Anträge standen im Sachgebiet B auf der Tagesordnung, alle unter der Überschrift Sozial-, Arbeitsmarkt- und Gesundheitspolitik. Unter anderem wurde unter anderem lange darüber diskutiert, ob man die Forderung nach Anhebung des Rentenniveaus in der gesetzlichen Rentenversicherung mit einer konkreten Zahl versehen soll. Die Mehrheit der Delegierten stimmte dem in der Abstimmung über den Ä01 zu B004 zu, 53 Prozent werden jetzt gefordert.
Hintergrund für diese Diskussion ist, dass viele ver.di-Mitglieder in prekären Arbeitsverhältnissen arbeiten oder im Niedriglohnbereich. Sie brauchen Mindestsicherungselemente, damit sie im Alter nach einem langen Erwerbsleben auch in Würde leben können. Von einer Anhebung des Rentenniveaus profitieren eher diejenigen mit guten Renten. Daher macht sich ver.di zugleich auch für „Mindestsicherungselemente ohne Bedürftigkeitsprüfung im gesetzlichen Rentensystem, die steuerfinanziert sein müssen“ stark (B004). Ein solches Element könnte die von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil, SPD, Anfang des Jahres vorgeschlagene Grundrente sein.
Außerdem fordert ver.di die Rückkehr zu einer abschlagsfreien Rente mit 63 Jahren. Eine Anhebung des Renteneintrittsalters wird abgelehnt, das schon heute viele Menschen Probleme haben, bis zum Renteneintrittsalter zu arbeiten. Jede Anhebung würde bedeuten, dass immer mehr Menschen mit Abschlägen in Rente gehen müssen – es handele sich also de facto um eine Rentenkürzung.
In dem Antrag B004 ist auch eine Wiedereinführung der rentenrechtlichen Absicherung von Zeiten des Arbeitslosengeld-II-Bezugs enthalten, ebenso wie für Arbeitslose ohne Leistungsbezug. Die Mütterrente müsse aus Steuermitteln finanziert werden. Auch Pflegezeiten müssten rentenrechtlich berücksichtig werden.
Grundsätzlich hat sich der Bundeskongress für ein Zwei-Säulen-System der Alterssicherung ausgesprochen, in dem die gesetzliche durch eine betriebliche Rente ergänzt wird. Im Niedriglohnbereich sollte der Zugang zu Betriebsrenten durch eine stärkere finanzielle Beteiligung der Arbeitsgeber erleichtert werden. Die Aufklärungs- und Mobilisierungsaktivitäten, mit denen ver.di, der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften Druck auf die Politik ausüben konnten, sollen fortgeführt werden.
Um Doppelabgaben an Sozialversicherungsbeiträgen zu vermeiden, macht sich ver.di dafür stark, dass Betriebsrenten zukünftig wieder mit dem für die gesetzlichen Renten geltenden Prozentsätzen der Kranken- und Pflegeversicherung belastet werden (B070). Damit würde der Zustand vor 2004 wiederhergestellt.
Die Gesundheitsversorgung wollen die Delegierten nicht dem Markt überlassen (B165). Sie sei zentrale Aufgabe des Sozialstaats. Dazu tragen auch gesetzliche Vorgaben zur Personalbemessung, eine geänderte Finanzierung sowie die Vernetzung von ambulanter und stationärer Pflege bei. Die Ausgliederung von Beschäftigten in Töchter von Krankenhausbetreibenden müsse enden.
Die Absicherung bei Arbeitslosigkeit soll neu ausgerichtet werden und vor allem einen Schutz vor dem Wechsel in die Grundsicherung bieten (B090). Die Arbeitslosenversicherung soll die Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt aktiv fördern, je nach Beschäftigungszeit soll sich der Anspruch auf Leistungsbezug entsprechend verlängern. Aufstocker*innen sollen aus der Grundsicherung geholt werden, Regelsätze existenzsichernd und transparent sein. Kürzungen und Sanktionen verbieten sich nach Meinung der Delegierten bei ihrer derzeitigen Höhe.
Bereits in seinem Grundsatzreferat hatte sich der ver.di-Vorsitzende Frank Werneke dafür ausgesprochen, Hartz IV zu überwinden. „Herumreparieren reicht nicht“, sagte er. Er forderte ebenfalls eine Verlängerung der Bezugsdauer von Arbeitslosengeld, die Erhöhung der Regelsätze, die Abschaffung von Sanktionen gegen Empfänger*innen von Hart IV sowie die Abschaffung von geltenden Zumutbarkeitsregelungen. Sie würden letztlich Qualifikationen entwerten. „Wir brauchen einen öffentlichen Beschäftigungssektor, in dem ausschließlich nach Tarif bezahlt wird“, so Werneke.
Die Selbstverwaltungsgremien der Sozialversicherung sollen gestärkt werden (B086). Zudem soll für sie eine gesetzliche Geschlechterquote eingeführt werden, da der Frauenanteil in allen Gremien der Selbstverwaltung noch sehr niedrig ist (B087).
Alle Lern-, Arbeits- und Lebensbedingungen sollen weiter barrierefrei gestaltet werden (B082). Inklusion von Anfang an soll selbstverständlich sein. Die Pflichtquote von sechs Prozent für die Beschäftigung Schwerbehinderter soll wieder eingeführt werden, die Ausgleichsabgabe bei Nichteinhaltung deutlich erhöht werden. Schutzrechte für Menschen mit Behinderungen, aber auch für Schwerbehindertenvertretungen wollen die Delegierten stärken.
Der Kampf gegen Altersarmut soll bereits auf dem Arbeitsmarkt beginnen: Mit der Durchsetzung von Flächentarifverträgen, dem Verbot von Tarifflucht, der Abschaffung prekärer Arbeitsverhältnisse und der Anhebung des Mindestlohns (B114).