Gute Rente geht anders

26.11.2018

Die Große Koalition aus CDU und SPD hat das erste rentenpolitische Vorhaben auf den Weg gebracht. Am 8. November 2018 hat der Deutsche Bundestag den sogenannten Rentenpakt I beschlossen, der Verbesserungen bei der gesetzlichen Rentenversicherung sowie bei der Erwerbsminderungsrente und der Mütterrente vorsieht. Im Rentensprech verbirgt sich dahinter das RV-Leistungsverbesserungs- und –Stabilisierungsgesetz (LVStabG). Dessen Neuregelungen treten zum 1. Januar 2019 in Kraft.

Folgende Maßnahmen worden beschlossen:

  • Ein Rentenniveau von mindestens 48 Prozent wird bis 2025 garantiert, die Beiträge zur Rentenversicherung sollen ebenfalls bis 2025 auf höchstens 20 Prozent steigen.
  • Bei Erwerbsminderung sind verbesserte Leistungen vorgesehen, die Zurechnungszeit für Rentenneuzugänge ab 2019 wird erhöht.
  • Kindererziehungszeiten für vor 1992 geborene Kinder erfahren durch einen halben Entgeltpunkt mehr Anerkennung.
  • Beschäftigte mit geringem Verdienst werden minimal entlastet.

Ist nun alles gut? Ja und nein. Positiv sind die Leistungsverbesserungen zu bewerten. Sie kommen aber nicht allen zugute.

 
Mei­ne Ren­te, dei­ne Ren­te, die Ren­te muss für al­le rei­chen

Kritisch ist dabei die erneute Fehlfinanzierung der „Mütterrente II“ aus Rentenversicherungsbeiträgen statt aus Steuern zu sehen. Den Beitragszahler*innen werden dadurch jährlich 3,8 Milliarden Euro entzogen. Auch wenn der Topf der Rentenversicherung, die Nachhaltigkeitsrücklage, die Schwankungen ausgleichen soll und mit rund 38 Milliarden Euro zum Jahresende 2018 gut gefüllt ist, ist die Ebbe in der Kasse absehbar. Bis 2025 sinkt die Nachhaltigkeitsrücklage nach der letzten Schätzung von Rentenversicherung und dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales vom Oktober 2018 auf etwa 5,8 Milliarden Euro ab und erreicht damit die gesetzlich vorgeschriebene Mindestreserve von 0,2 Monatsausgaben. Zu diesem Zeitpunkt werden die Babyboomer*innen in die Rente drängen, was ungleich mehr Rentenzahlungen mit sich bringen wird.  

Die Leistungsverbesserungen bei Erwerbsminderung kommen nur künftigen Erwerbsminderungs-Rentner*innen zugute. Die rund 1,8 Millionen Versicherten, die heute eine Erwerbsminderungs-Rente beziehen, gehen hingegen leer aus. Mit 100 Millionen Euro in 2019 und dann anwachsend um je 100 Millionen Euro jährlich bis 2025 auf dann 1 Milliarde Euro sind die Kosten dafür übersichtlich. Die Zahl der Erwerbsminderungs-Rentenbeziehenden, die neben der Rente Grundsicherung in Anspruch nehmen müssen, steigt dafür unaufhaltsam. 

Auch ein Rentenniveau von 48 Prozent verhindert Altersarmut nicht

Die Haltelinie beim Rentenniveau von 48 Prozent ist positiv. Jedoch ist zu bedenken, dass auch ein Rentenniveau von 48 Prozent Altersarmut nicht verhindert. Die Hauptprobleme stellen sich aber erst nach 2025, so dass die Niveaustabilisierung nur ein erster Schritt sein kann. Die von den Arbeitgebern durchgesetzte Beitragssatzgarantie von 20 Prozent ist ein cleverer Schachzug. Damit haben sich die Arbeitgeber von ihrer anlässlich der Rentenreform 2001 zugesagten sozialen Mitverantwortung eines paritätischen Beitragssatzes von 22 Prozent bis 2030 verabschiedet. Auch wenn diese Garantie heute nur bis 2025 im Gesetz steht, ist doch fraglich, ob es dann gelingt, diese Haltelinie wieder zu streichen. Umso wichtiger ist es deshalb, die künftige Entwicklung der gesetzlichen Alterssicherung nicht aus den Augen zu verlieren.

Zum einen ist hier der für Frühjahr 2019 geplante Rentenpakt II zu nennen, der in erster Linie die im Koaltionsvertrag angekündigte Grundrente beinhaltet. Diese soll für Bezieher*innen von Grundsicherung gelten, die 35 Jahre an Beitragszeiten oder Zeiten der Kindererziehung oder Pflege aufweisen. Sie soll zehn Prozent über der Grundsicherung liegen. Knackpunkt ist die vorgesehene Bedürftigkeitsprüfung. Durch sie kommen nur wenige Rentner*innen in den Genuss der Grundrente. Wenn Betroffene, die ein Leben lang gearbeitet haben, erfahren müssen, dass sie keine Leistungen erhalten, weil beispielsweise Partnereinkommen angerechnet wird, werden sie sich von der Politik getäuscht fühlen. Eine Strategie der Großen Koalition, die im Hinblick auf die schwachen Wahlergebnisse der letzten Zeit und das verloren gegangene Vertrauen mehr als dumm ist. Aus Sicht von ver.di dürfen Mindestsicherungselemente nicht von einer Bedürftigkeitsprüfung abhängig gemacht werden.

Zum zweiten sind die Bestrebungen aus Teilen der Politik, die Finanzierungsfrage durch Anhebung des Renteneintrittsalters zu lösen, sehr kritisch zu sehen. Dazu äußerten sich in den letzten Wochen Wissenschaftler und Politiker der eingesetzten Rentenkommission „Verlässlicher Generationenvertrag“, die die Aufgabe hat, bis März 2020 Vorschläge zu erarbeiten. Unionsfraktionsvize Hermann Gröhe, der auch Mitglied der Rentenkommission der Bundesregierung ist, sagte anlässlich der Rentendebatte im Bundestag: „Es wird künftig einen Maßnahmen-Mix geben müssen, um die gesetzliche Rente dauerhaft über 2025 hinaus zu stabilisieren.“ Dabei dürfe es „kein Denkverbot geben, ob wir Anreize benötigen, auch länger als bis 67 Jahre zu arbeiten.“

ver.di wird nicht zulassen, dass sich Arbeitgeber weiter aus ihrer sozialen Verantwortung ziehen und die Politik die Zukunft der Rente auf dem Rücken der Erwerbstätigen austrägt. Grund genug, das Thema Alterssicherung als zentrales sozialpolitisches Thema auf Platz 1 der Agenda zu belassen. Denn wir alle wollen schließlich eine gute Rente.