Alle sechs Jahre werden die Versichertenparlamente bei den Sozialversicherungsträgern gewählt, bei den sogenannten Sozialwahlen. Für ver.di und ihre Mitglieder ist es wichtig, über die Versichertenvertreter*innen Einfluss zu nehmen
Die Vertreter*innen, die die Wahlberechtigen bei den Sozialwahlen in die Versichertenparlamente wählen, kontrollieren nicht nur die Arbeit der Verwaltung. Diese so genannten Selbstverwalter*innen treffen auch wichtige Entscheidungen, etwa welche Leistungen die Krankenkassen neben ihren gesetzlichen Pflichtaufgaben zusätzlich erbringen. Außerdem wählen die Mitglieder der Versichertenparlamente die Vorstände der Kassen. Die Selbstverwalter*innen arbeiten ehrenamtlich. Egal ob bei gesetzlichen Kranken-, Renten- oder Unfallversicherungsträgern, die Versicherten bestimmen mit. ver.di stellt eigene Listen mit ihren Kandidat*innen auf. So kann ver.di bis zu nächsten Wahl im Frühjahr 2029 Einfluss nehmen auf deren Entscheidungen, im Sinne der Versicherten, im Sinne ihrer Mitglieder, im Sinne einer fairen Sozialpolitik.
Wer gewählt worden ist, steht hier
Die Versichertenparlamente bestimmen nicht nur über die Verwendung der Beiträge, sondern auch über deren Höhe. Außerdem legen sie fest, welche Leistungen etwa eine Krankenkasse außerhalb ihres gesetzlichen Auftrags erbringt.
Kommt es bei der Bewilligung von Leistungen zu Unklarheiten, können Versicherte Widerspruch einlegen. Die Widerspruchsausschüsse sind jeweils zur Hälfte mit Vertreter*innen von Arbeitgebern und Versicherten besetzt.
Bei der Deutschen Rentenversicherung geht es auch um konkrete Beratung. Die ehrenamtlichen Versichertenberater*innen, die allen Mitgliedern kostenlos mit Rat und Tat bei allen Fragen rund um die gesetzliche Rente zur Verfügung stehen, werden im Nachgang der Sozialwahlen von der Vertreterversammlung gewählt. Mit dabei sind auch zahlreiche ver.di-Kolleg*innen. Hier sind sie zu finden. In der ver.di publik erklärt Benno Rehfeuter, Versichertenberater für die Deutsche Rentenversicherung Bund in Dortmund und im Münsterland, was seine Aufgaben sind
Das sind nur wenige Beispiele, die zeigen, dass es einem nicht egal sein sollte, wer in den Versichertenparlamenten mitbestimmt.
„Selbstverwaltung bedeutet für mich, die Interessen unserer Versicherten und Mitglieder kraftvoll zu vertreten und die Entscheidungen in der DAK-Gesundheit in ihrem Sinne mitzugestalten. Als Gewerkschafter*innen wollen wir, dass es gerecht in unserer Gesellschaft zugeht. Das leitet uns nicht nur in allen tariflichen und betrieblichen Auseinandersetzungen, sondern auch in der Selbstverwaltung. ver.di steht für Gerechtigkeit und Solidarität.“
Alles sechs Jahre findet die Sozialwahl statt, zuletzt 2023. Es gibt einen festen Wahltag, aber niemand muss an diesem Tag ein Wahllokal aufsuchen. Die Sozialwahl findet als Briefwahl statt. 2023 war es in einem Modellprojekt erstmals möglich, dass sich die Mitglieder von Ersatzkassen entscheiden, ob sie per Brief oder online wählen wollen. Dazu hatten die Techniker Krankenkasse (TK), die Barmer, die DAK-Gesundheit, die KKH Kaufmännische Krankenkasse, die hkk-Handelskrankenkasse und die HEK-Hanseatische Krankenkasse bereits im Vorfeld der Sozialwahl ihre Satzung geändert.
Dabei ist durchaus möglich, dass man bei mehreren Gremien wählen kann, wenn man etwa Mitglied einer gesetzlichen Krankenkasse und/oder der gesetzlichen Rentenversicherung ist und dort Wahlhandlungen stattfinden.
Die Sozialversicherung in Deutschland ist ein gesetzliches Versicherungssystem. Es ist ein Teil der sozialen Sicherungen. Die Sozialversicherungen verwalten sich selbst, sind organisatorisch und finanziell unabhängig vom Staat. Ihre Einnahmen sind die Mitgliedsbeiträge. Daher ist die Selbstverwaltung von jeher tragendes Prinzip der Sozialversicherungen – und damit auch die Mitwirkung und Beteiligung der Versicherten. Sie entscheiden über die von ihnen gewählten Vertreter*innen mit, was mit ihren Beiträgen geschieht.
Entscheidungen im Sinne der Versicherten – was bedeutet das eigentlich? Und was haben die Sozialwahlen damit zu tun? Für die ver.di publik haben wir mit drei Versichertenvertreter*innen gesprochen, die jeweils in der Selbstverwaltung einer Ersatzkasse, einer Berufsgenossenschaft und bei der Deutschen Rentenversicherung Bund aktiv sind. Gewählt wurden sie von den Versicherten bei den Sozialwahlen 2017.
Der vierte Gesprächspartner kümmert sich als ehrenamtlicher Versichertenberater bei der Deutschen Rentenversicherung Bund um die Belange von Ratsuchenden und ihre Fragen rund um die eigene Rente. Wie auch das mit den Sozialwahlen zusammenhängt lest ihr in dem Artikel aus der ver.di publik 03/2023
Der ver.di-Vorsitzende Frank Werneke über die Selbstverwalter*innen, ihre Aufgaben, ihr Wirken und warum sie einfach nicht wegzudenken sind.
ver.di gestaltet die Sozialversicherungen mit. Die Kandidierenden der ver.di-Listen zeichnen sich durch Kompetenz, Verhandlungsgeschick und Engagement aus. Sie stehen mitten im Leben und wissen, wo die Menschen der Schuh drückt. Daher können sie sich für deren Belange stark machen.
Wichtig bei der Auswahl der Kandidierenden ist für ver.di etwa eine starke betriebliche Verankerung bzw. zu den Belangen von Beschäftigten. Sie müssen zudem bereit sein, sich auf Schulungen, Tagungen etc. weiterzubilden und kontinuierlich die aktuellen sozialpolitischen Diskussionen und Entwicklungen zu verfolgen. Denn mit ihrer Kompetenz und der Unterstützung durch ver.di können sie sich für die wirklichen Interessen der Versicherten einsetzen. Das tun sie übrigens ehrenamtlich.
Die Kandidat*innen der ver.di-Listen für die Sozialwahl kommen aus den verschiedensten Alters- und Berufsgruppen, folgen aber alle einer klaren sozialen Linie: Gesundheit darf kein Luxus sein und die Rente muss für ein würdiges Leben reichen – Schluss mit der Sparpolitik auf dem Rücken der Versicherten!
Bei den Sozialwahlen 2023 gilt erstmals eine gesetzliche Frauenquote von 40 Prozent bei den Listenplätzen – aber leider ist das nur für die gesetzlichen Krankenkassen bindend. ver.di setzt sich für einen höheren Anteil an Selbstverwalterinnen ein. Denn die Interessenvertretung der Versicherten muss die Bedürfnisse aller Beitragszahlenden abbilden.
Daher wird eine Frauenquote auf den ver.di-Listen bei allen Sozialversicherungsträgern berücksichtigt. Warum das wichtig ist, erklären Lisette Hörig, Mitglied des Verwaltungsrats der AOK Rheinland-Pfalz, und Ulrike Hauffe, stellvertretende Vorsitzende des Verwaltungsrats der Barmer, in einem Interview.
Sie setzen sich jeweils zur Hälfte aus Vertreter*innen der Arbeitgeber und der Versicherten zusammen. Gewählt werden bei den Sozialwahlen
„Selbstverwaltung bedeutet für mich, mitzuentscheiden um mitzugestalten. Als Gewerkschafterin habe ich dabei sowohl die Versicherten als auch die Beschäftigten im Blick. Dienstleistungen für die Versicherten sollen zeitnah, zuverlässig und bestmöglich erbracht werden – z. B. bei notwendigen Rehabilitationsmaßnahmen. Deshalb wollen wir auch Reha-Kliniken der Deutschen Rentenversicherung zukunftsfähig aufstellen und damit dauerhaft sichern. Das nutzt allen!“
Die Aufgaben sind vielfältig. Hier sind einige Beispiele
Gesetzliche Rentenversicherung
Gesetzliche Unfallversicherung
Gesetzliche Krankenversicherung
„Seit meiner Ausbildung (ab 1996) bin ich in der BARMER versichert, seit über 10 Jahren im gewerkschaftlichen Kontext in der BARMER unterwegs. Ich möchte meinen Beitrag leisten – für eine starke Selbstverwaltung in der BARMER und eine starke Vertretung für die Interessen der Versicherten. Nichts ist wichtiger als die Gesundheit. Und die Selbstverwaltung steht für versichertennahe, praxisbezogene und basisorientierte Lösungen im Interesse der Versicherten.“
Die Selbstverwaltung der Arbeitslosenversicherung stellt eine Besonderheit dar, da die Bundesagentur für Arbeit ein staatsnaher Versicherungsträger ist. Neben den Vertreter*innen der Versicherten und Arbeitgeber verfügt deren Selbstverwaltung daher über eine sogenannte „dritte Bank". Dabei handelt es sich um Vertreter*innen des Staates. Alle Mitglieder der Selbstverwaltung bei der Arbeitslosenversicherung werden ernannt. Eine Wahl findet daher nicht statt.
„Seit 2017 bin ich im Verwaltungsrat der Kaufmännischen Krankenkasse (KKH). Vergleichbar mit einem Aufsichtsrat werden Vorstand und Verwaltung kontrolliert und wesentliche Entscheidungen des Sozialversicherungsträgers für dessen zukünftige Ausrichtung getroffen. Für die Ziele, für die ver.di steht, setze ich mich aktiv ein. Ich wünsche mir, dass bei den Sozialwahlen 2023 alle Versicherten ihr Wahlrecht wahrnehmen und eine starke ver.di-Vertretung in den Selbstverwaltungsorganen unterstützen.“
Bei einigen Sozialversicherungsträgern finden so genannte Friedenswahlen statt. Das sind in erster Linie die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung, also Berufsgenossenschaften und Unfallkassen. Friedenswahlen sind Wahlen ohne Wahlhandlung.
Gibt es etwa genauso viele Kandidat*innen wie zu vergebende Mandate oder wird nur eine Liste eingereicht, dann fällt die Wahlhandlung aus. Stattdessen müssen sich die vorschlagsberechtigten Organisationen verständigen, wie die Mandate unter ihnen verteilt werden.
Wann Friedenswahlen sinnvoll sind, erklärt Silvia Thimm, Mitglied des Vorstands der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW), in der ver.di publik
Weitere Antworten von ver.di auf drängende Fragen und zu den Hintergründen der Sozialwahlen
Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales zu den Sozialwahlen 2023