Insolvenzrecht: Sanierung mit zweierlei Maß
Berlin, 25. November 2020 – Bereits Ende September hatte Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) einen Entwurf für ein neues Sanierungsrecht vorgelegt. Das bestehende Insolvenzrecht soll reformiert werden, damit vor allem auch Firmen profitieren, die unter den wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie leiden, obwohl ihr Geschäftsmodell bis zum Beginn der Krise überzeugte. „Unternehmen, die ihren Gläubigerinnen und Gläubigern eine realistische Sanierungsperspektive aufzeigen können, sollen ihr Sanierungskonzept auch außerhalb eines Insolvenzverfahrens durchsetzen können“, hatte Lambrecht am 21. September angekündigt. Primäres Ziel der Reform ist es also, Insolvenzen abzuwenden.
Frank Werneke, ver.di-Vorsitzender„Die Beteiligungsrechte der Arbeitnehmer-Vertretungen – und mit Ihnen der Gewerkschaften – sind aber im vorliegenden Gesetzentwurf völlig unzureichend. Da muss dringend nachgebessert werden.“
ver.di hält den geplanten Gesetzentwurf zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts, kurz: SanInsFoG, allerdings für nicht ausreichend. Es sei zwar zu begrüßen, dass nunmehr der Sanierung beziehungsweise der Restrukturierung von Unternehmen Vorrang vor einer Insolvenz gegeben werden soll. „Die Beteiligungsrechte der Arbeitnehmer-Vertretungen – und mit ihnen der Gewerkschaften – sind aber im vorliegenden Gesetzentwurf völlig unzureichend. Da muss dringend nachgebessert werden“, so der ver.di-Vorsitzende Frank Werneke.
Am 14. Oktober hat die Bundesregierung den Gesetzesentwurf zur Sanierung des Insolvenzrechts quasi beschlossen, er geht jetzt noch den parlamentarischen Weg. Am heutigen 25. November findet im Rahmen des Gesetzgebungsverfahren die Sachverständigenanhörung im Deutschen Bundestag statt. Vorgesehen ist, dass sich bereits ab dem 1. Januar 2021 angeschlagene Unternehmen auch ohne ein Insolvenzverfahren sanieren können. Von der neuen Regelung sollen vor allem Firmen Gebrauch machen, die durch Corona in Schwierigkeiten geraten, aber nicht zahlungsunfähig sind. Zudem verschiebt die Regierung den Maßstab hinsichtlich dem Faktor Überschuldung: Eine solche liege demnach so lange nicht vor, solange ein Unternehmen nachweisen kann, dass es seine Schulden in den nächsten vier Monaten ordnungsgemäß bedienen kann. Darüber hinaus haben Unternehmen künftig sechs Wochen statt drei Wochen Zeit, eine Überschuldung noch wegzuverhandeln.
Rückschritt zum bisherigen Insolvenzrecht
Doch während Gewerkschaftsbeauftragte bei Insolvenzen Mitglied des Gläubigerausschusses sein können, ist die zwingend notwendige Mitwirkung von Arbeitnehmervertreter*innen, einschließlich der Gewerkschaften, in Gläubigerausschüssen oder Beiräten bei einer vorgeschalteten Restrukturierung bisher ebenso wenig vorgesehen wie bei der Auswahl des Restrukturierungsbeauftragten, weil es diese Ausschüsse oder Beiräte im Sanierungs- und Restrukturierungsverfahren nicht geben soll. „Das geht überhaupt nicht und stellt einen Rückschritt zum bisherigen Insolvenzrecht dar“, sagt Werneke.
Zudem fehle auch ein Antragsrecht für Arbeitnehmervertreter*innen zur Eröffnung eines Restrukturierungsverfahrens. Und nicht zuletzt sollten verfahrensspezifische Teilnahme-, Beratungs- und Stellungnahmerechte des Betriebsrats bei den außergerichtlichen und gerichtlichen Planabstimmungen vorgesehen werden, fordert ver.di.
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