Damit Beschäftigte ihr Recht bekommen

© Foto: DPA Bildfunk
Rechtsschutz
17.01.2023

Sie hatte sich vermutlich im Traum nicht ausgemalt, welche Folgen ihre Entscheidung haben sollte, zusammen mit ver.di vor Gericht zu ziehen und gegen die Kündigung zu klagen.

Der Arbeitgeber hatte den Rausschmiss der Berliner Kassiererin Emmely mit den beiden Pfandbons begründet, die sie eingelöst hatte, die ihr aber nicht gehört haben sollen. Emmelys Kündigung und ihr Gang vor Gericht machten vor vielen Jahren Schlagzeilen – zumal sich mit ihrem Fall verschiedene Instanzen beschäftigten. War die Kündigung gerechtfertigt oder stand sie in keinem Verhältnis zum Wert der 1,30-Euro-Pfandbons?

Es gibt keine Bagatellgrenze

Das Bundesarbeitsgericht sah die Lage so wie ver.di: Das höchste deutsche Arbeitsgericht revidierte das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom Februar 2009. Die Entlassung sei nicht gerechtfertigt, weil nur eine „erhebliche Pflichtwidrigkeit“ vorliege, hieß es zur Begründung. Eine Abmahnung hätte in diesem Fall ausgereicht. Der Argumentation des Arbeitgebers, das Vertrauensverhältnis sei durch den Vorfall irreparabel zerstört, folgte das Gericht nicht. Der Fall Emmely sorgte auch dafür, dass andere Bagatellkündigungen aufmerksam verfolgt wurden: Der Müllwerker, der ein Kinderbett aus dem Abfall zog, die zwei Bäcker, die Brotaufstrich gekostet hatten, die Altenpflegerin, die übrig gebliebene Maultaschen mit nach Hause nahm. All solche Fälle sorgen für heftige Diskussionen. Soll es eine Bagatellgrenze geben? Muss eine Abmahnung der Kündigung vorausgehen? Im Fall Emmely drang ver.di auf eine Grundsatzentscheidung. Und das Gericht gab ver.di Recht: Generell gibt es keine Bagatellgrenze. Aber es muss der Einzelfall beurteilt werden.

Der Fall Emmely hat aber noch mehr gezeigt – nämlich dass nur wenige der Fälle, die die Fachleute für Arbeitsrecht bei den Gewerkschaften betreuen, tatsächlich bekannt werden. Meist ist es unspektakulär, oft hilft ver.di bei einem Kompromiss zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern. Ob es um willkürliche Abmahnungen geht oder um Mobbing, um rechtliche Grauzonen, die der Arbeitgeber nutzen will, um unbequeme Beschäftigte loszuwerden – für ver.di-Mitglieder ist die Gewerkschaft die erste Adresse. ver.di steht den Beschäftigen zur Seite und sorgt dafür, dass das Recht eingehalten wird.

Der Gang vor Gericht ist manchmal unvermeidbar

Arbeitsrecht ist vielfältig: Es geht darum, im Vorfeld zu informieren. Welche Rechte haben Beschäftigte? Was steht einer Mini-Jobberin zu? Welcher Tarifvertrag gilt für mich? Denn selten bekommt in der Arbeitswelt jemand alles freiwillig. Die Beschäftigten müssen um ihre Rechte kämpfen. Erst wenn sie ihr gutes Recht ernst nehmen, bekommen sie es auch. Mit Unterstützung von ver.di fällt dies leichter.

Das gilt auch für Arbeitnehmervertretungen. Denn leider sind der Betriebsrat, die Mitarbeitervertretung oder ein Personalrat nichts, was die Arbeitgeber gnädigerweise den Beschäftigten zugestehen. Immer häufiger gibt es Vorbehalte gegen Arbeitnehmervertretungen, obwohl sie durch geltendes Recht vorgesehen sind. Vor allem sie helfen dabei, dass die Rechte der Beschäftigten vor Ort Realität werden. Deshalb setzt ver.di sich dafür ein, dass Wahlen von Interessenvertretungen stattfinden. Manchmal geben die Arbeitgeber ihren Widerstand gegen Arbeitnehmervertretungen erst auf, wenn Gerichte sie dazu zwingen. Ein Gang vor Gericht – mit ver.di an der Seite – ist manchmal unvermeidbar, wenn Recht Wirklichkeit werden soll.