Wie wollen wir in unseren Städten leben und arbeiten?

01.07.2022

Berlin, 01.07.2022 – Wir kennen sie alle, die Bilder von Innenstädten, in denen der Leerstand in den Ladenzeilen fortschreitet. Zum Schoppen oder Schaufensterbummel in die City fahren, ins Museum, Kino oder Theater gehen, sich dort zum Essen in einem Restaurant verabreden, dass scheinen in immer mehr Städten immer weniger Menschen zu tun. Andererseits: Immer mehr Menschen wünschen sich Innenstädte, in denen sie gerne verweilen. Lebenswerte Innenstädte für Menschen aller Generationen, für Menschen mit und ohne Einwanderungsgeschichte, aller Einkommensgruppen und für Menschen mit und ohne Einschränkungen. Lebenswerte Innenstädte sind abwechslungsreich und unverwechselbar.

 
Zum Leben in der Innenstadt gehört auch der kreative Protest – hier einer der ver.di Jugend auf dem Berliner Alexanderplatz für eine bessere Zukunft


Damit das so bleibt, wollen sich der Deutsche Städtetag, der Handelsverband Deutschland, ver.di, das Deutsche Institut für Urbanistik und der Deutsche Kulturrat gemeinsam für solche lebenswerte Innenstädte der Zukunft stark machen. Mit einem Appell hat sich das Bündnis an Bund, Länder und alle Akteure in der Stadt jetzt gewendet.

Dass sich Innenstädte und Zentren wandeln, ist normal. Um die Innenstädte vor ihrer Verödung zu retten, stellt das Bündnis die Fragen: Wie wollen wir in unseren Städten leben und arbeiten? Wie können wir in unseren Städten leben? Digitalisierung, der Klimawandel und die Erfahrungen der Corona-Pandemie haben und werden Gesellschaft, Wirtschaft und die Arbeitswelt stetig verändern und in den Städten den Alltag, das Verhalten und die Bedürfnisse der Menschen prägen. Dies ist Chance und Herausforderung zugleich, sagt das Bündnis. Es ist eine Chance für neue kluge Verkehrskonzepte, mit einer perspektivisch emissionsfreien urbanen Mobilität und mehr Stadtgrün. Eine neue Chance für ein Erleben der Stadt, für den Stadtbummel, für Handel und Gastronomie, für Kultur oder Spiel- und Sportplätze.

Handel

Das veränderte Einkaufsverhaltens, der rasant gewachsene Online-Handel hat bereits zu enormen Strukturverschiebungen zulasten des stationären Handels geführt. Vor allem der stark mittelständisch geprägte Innenstadthandel braucht deshalb auch in Folge der Pandemie noch mehr Unterstützung, um dem enormen Anpassungsdruck standhalten zu können und notwendige Zukunftsinvestitionen aus eigener Kraft zu stemmen. Das Bündnis fordert diesbezüglich, das Gewerbemietrecht dort zu überprüfen und anzupassen, wo es die Vielfalt des städtischen Einzelhandels nicht ausreichend schützt. Der Handel in den Innenstädten ist und bleibt trotz wachsenden Online-Handels Anziehungspunkt und Teil der gewachsenen Wirtschaftsstrukturen in den Städten. Und er bleibt wichtiger Arbeitgeber. In der Gestaltung der neuen Innenstädte müssen deshalb auch Perspektiven für die Beschäftigten entwickelt werden.

Wohnen und Arbeiten

Wohnen, Arbeiten, Wirtschaften, Leben und Erleben – das ist die Vision, die das Bündnis von der Innenstadt der Zukunft hat. Im täglichen Zusammenleben werden die Anforderungen für eine gerechte Verteilung, eine flexible Nutzung und gute Gestaltung öffentlicher Räume notwendigerweise steigen. Die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum dürfe dabei nicht allein dem Markt überlassen werden. Die soziale Wohnraumförderung bleibt in den kommenden Jahren elementar. Chancen für bezahlbaren Wohnraum in ehemaligen Bürogebäuden und Möglichkeiten für kulturelle Einrichtungen müsse genutzt werden. Die Lebensqualität der Menschen hänge, so das Bündnis, entscheidend von guten Arbeitsbedingungen ab. Und das sei auch eine Frage von fairen Einkommen und guter Arbeit für die Beschäftigten in der Kurier- und Paketdienstbranche, in der Kultur- und Kreativwirtschaft, in der Gastronomie und Hotellerie, im Einzelhandel und in der Reisebranche.

Kunst und Kultur

Erst Kultur macht unsere Städte richtig lebenswert – und zwar in ihrer Vielfalt: Von der freien Szene, der Stadtbibliothek bis zum Opernhaus, von interkulturellen Angeboten bis zum Heimatmuseum, von der Skulptur bis zum Baudenkmal. Innenstädte sind Räume für Begegnung, für das Miteinander. Zur kulturellen Infrastruktur in der Innenstadt gehören auch die Buchhandlungen, Kunstgalerien und andere kulturwirtschaftliche Unternehmen. Kultur ist nicht nur Teil des Gemeinwohls, sondern auch Teil des Wirtschaftslebens. Und nicht zuletzt die Pandemie hat gezeigt: Kultur ist Grundbedürfnis der Menschen und gehört auch zur kommunalen Daseinsvorsorge. Sie müsse deshalb mit öffentlichen Mitteln gefördert werden. Kulturschaffende und Kultureinrichtungen benötigen gerade jetzt mehr Unterstützung.

Öffentlicher Personennahverkehr

Lebenswerte Innenstädte brauchen ganz entschieden einen leistungsfähigen und bezahlbaren öffentlichen Nahverkehr. Sie sind auf eine optimale Erreichbarkeit angewiesen. Wir müssen deshalb mehr Anreize für einen klimagerechten Mobilitätswandel setzen, sagt das Bündnis. Das geht nur mit einem gut ausgebauten Netz von Bussen und Bahnen mit emissionsfreien Antrieben, einer engeren Taktung, attraktiven Angeboten sowie guten Verbindungen ins Umland und einer besseren Verknüpfung des Individualverkehrs mit dem ÖPNV. Hier geht es auch um Innovation, zum Beispiel für einfachere Regelungen beim Betrieb von Elektroladesäulen.

Gestaltungsfreiheit

Nur die Städte können mit ihrer gestaltenden Politik Orte schaffen, an denen sich die Menschen wohl fühlen. Sie brauchen Gestaltungsfreiheit, um vor Ort angepasste Lösungen zu finden. Investitionen und Modernisierung müssen sich an Klimaschutz, Energieeffizienz und Nachhaltigkeit messen lassen, ohne Qualität und Ästhetik aus dem Blick zu verlieren. Das erfordert einen langen Atem und neue Formen des Zusammenwirkens von Bund, Ländern und Kommunen, von Zivilgesellschaft und Wirtschaft. Synergien, Kompetenzen und Wissenstransfer für eine nachhaltige Stadtentwicklung müssen gestärkt werden. Strukturen wie der Beirat Innenstadt oder das bereits bestehende Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum Handel müssen deshalb konsequent weiterentwickelt werden.

Geld

Für all das braucht es Geld. Die Städte müssen klug und kräftig investieren. Es braucht einen höheren kommunalen Anteil am Steueraufkommen und nachhaltige und verlässliche Förderprogramme. Das Bündnis schlägt dafür ein Sonderprogramm Innenstadtentwicklung vor, dass mit jährlich mindestens 500 Millionen Euro für eine Laufzeit von fünf Jahren ausgestattet werden sollte. Nur mit ausreichend finanziellen Mitteln können gemeinschaftliche innovative Konzepte in Kunst und Kultur gefördert werden, kann es Beschäftigungsperspektiven geben, städtebauliche Aufwertungen, kleinteilige Maßnahmen zur Attraktivitätssteigerung und Modernisierung bestehender und neuer Ladengeschäfte, Gastronomie-, Kultur-, Bildungs-, Freizeit und Sozialeinrichtungen.

 

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