ver.di ruft zusammen mit ihren Schwestergewerkschaften des DGB und weiteren Bündnispartnern wie Fridays for Future und dem Netzwerk „Hand in Hand“ kontinuierlich zu Demonstrationen gegen die AfD und rechte Extremisten auf. Vor allem auch mit Blick auf die Ergebnisse der Landtagswahlen in Brandenburg, Thüringen und Sachsen, die ver.di Vorsitzdener Frank Werneke als „alarmierend“ einstuft
Bei den zurückliegenden Landtagswahlen im September in Brandenburg, Thüringen und Sachsen haben jeweils rund ein Drittel der Wähler*innen für die AfD gestimmt. In Sachsen ist die AfD nur knapp an einer Sperrminorität gescheitert. Mit einem Drittel der Sitze im Parlament wäre es möglich, wichtige Entscheidungen wie die Besetzung von Stellen für Verfassungsrichter oder die der Spitzen des Landesrechnungshof zu blockieren. Diese müssen mit Zwei-Drittel-Mehrheit des Parlaments gefasst werden. Das gilt auch für die Selbstauflösung des Landtags. In Thüringen hat die AfD die Sperrminorität erreicht. Die Regierungsbildung ist in beiden Bundesländern schwierig. In Sachsen ist sie vorerst gescheitert. Das BSW hat die Koaltionsverhandlungen am 6. November für gescheitert erklärt. Dem ver.di-Vorsitzenden Frank Werneke fehlt jedes Verständnis für das Verhalten des BSW:
Werneke hatte nach den Wahlen zur Zusammenarbeit ausnahmslos aller demokratischen Parteien jenseits der AfD aufgerufen. Die Wahlergebnisse nannte er „alarmierend“. Alle beteiligten Akteure müssten Kompromisse eingehen und aufeinander zugehen. „In beiden Bundesländern ist eine Politik notwendig, die die Interessen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in den Mittelpunkt rückt, zu mehr Tarifbindung führt und umfassend in die öffentliche Daseinsvorsorge investiert.“ Es müsse jetzt darum gehen, die Wählerinnen und Wähler der AfD für die demokratischen Parteien zurückzugewinnen, so Werneke.
ver.di wolle ein Signal aus der Mitte der Gesellschaft senden: „Mit der Radikalisierung und der Diffamierung von Menschen mit Migrationsgeschichte finden wir uns nicht ab, sondern treten öffentlich dagegen auf, auch nach dem vermutlich islamistischen Attentat auf dem Solinger Stadtfest am 23. August 2024“, so Werneke. „Das Attentat in Solingen erschüttert uns alle tief, unsere Gedanken sind bei den Opfern und ihren Angehörigen. Jetzt muss alles darangesetzt werden, die Tat aufzuklären und den oder die Täter zu bestrafen. Gleichzeitig werben wir als ver.di dafür, wirklich angemessene politische Schlussfolgerungen zu ziehen. Das Attentat beweist erneut, wir brauchen in Deutschland schärfere Waffengesetze und die Polizei muss auch personell dazu in die Lage versetzt werden, dieses durchzusetzen. Eine pauschale Verdächtigung aller Asylsuchenden auf Grund der Taten Einzelner, darf nicht stattfinden“, so der ver.di-Vorsitzende weiter.
„Ob Lohnsteigerungen, Tarifbindung, bezahlbarer Wohnraum, armutsfeste Renten, soziale Sicherheit, gute Bildung oder Arbeitnehmer*innenrechte – die AfD bietet keine Lösungen an. Im Gegenteil, sie vertritt in arbeitsmarkt- und sozialpolitischen Belangen eine neoliberale Politik sowie ein reaktionäres Frauen- und Familienbild. Beschäftigte, Azubis, Studierende, Erwerblose, Frauen oder Rentner*innen können von der AfD keine Verbesserungen erwarten“, so heißt es in einer Resolution gegen den Rechtsruck in Deutschland, die der ver.di-Gewerkschaftsrat bereits am 27. Juni 2024 anlässlich des AfD-Parteitages vom 28. bis 30. Juni in Essen verabschiedet hat. Die komplette Resolution kann unten auf dieser Seite heruntergeladen werden. Mit Blick auf die Landtagswahlen in Ostdeutschland sagt der ver.di-Vorsitzende: „Wir stehen politisch mitten in einem Sturm. Es geht um viel. Rechtsextremistische Tendenzen dürfen in Sachsen und Thüringen nicht mehrheitsfähig werden. Denn sie sind Gift für die Gesellschaft.“
Der ver.di-Gewerkschaftsrat, das höchste Gremium der Gewerkschaft, stellt zudem klar, dass es einen unauflösbaren Widerspruch gibt zwischen gelebter gewerkschaftlicher Solidarität sowie dem entschlossenen Kampf für gute Arbeit und dem rechtspopulistischem und rechtsextremistischem Weltbild, wie es insbesondere von der AFD verkörpert wird. In der Resolution heißt es weiter:
Resolution des ver.di-Gewerkschaftsrats Gegen Rechts.pdf (PDF 66 kB)
Wo Demonstrationen und Kundgebungen in den kommenden Wochen stattfinden, wird hier fortlaufend aktualisiert und ergänzt.
mehr Infos und weitere Aktionen: demokrateam.org/aktionen
Die correctiv.org-Enthüllungen zum konspirativen Treffen von Rechtsextremen und AfD-Politikern im zurückliegenden November in Potsdam erinnern an das dunkelste Kapitel der deutschen Geschichte. Denn ebenfalls in Potsdam, nicht weit entfernt von dieser Zusammenkunft, wurden am 20. Januar 1942 auf der sogenannten Wannseekonferenz von 15 hochrangigen Nationalsozialisten, die Deutschland seinerzeit regierten, die Deportation der jüdischen Bevölkerung ganz Europas in Konzentrationslager in den Osten und ihre Vernichtung beschlossen. Wer heute wieder politische und ethnische Säuberungen unseres Landes fordert, hat aus unserer Geschichte nichts gelernt und tritt unsere Verfassung, Freiheit und die Grundrechte mit Füßen.
Dieses braune Gedankengut reicht längst weit in die AfD hinein. Doch wir lassen uns unsere Demokratie nicht kaputtmachen! ver.di und ihre Schwestergewerkschaften im Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) sowie weitere Bündnisorganisationen wie Fridays for Future und das Netzwerk „Hand in Hand“ sind solidarisch mit allen Menschen in Deutschland – egal ob mit oder ohne Migrationsgeschichte, egal welcher Herkunft, Hautfarbe, Religion oder Weltanschauung. Wir gehören zusammen!
Und seit Monaten zeigt sich das landauf landab in den Großstädten wie Berlin, München und Hamburg, aber auch in vielen Kleinstädten vor allem in Ostdeutschland, wo die AfD aktuell den meisten Zulauf hat. Am Samstag, den 3. Februar 2024, zählte in Berlin das Veranstalter-Bündnis „Hand in Hand“, dem neben knapp 1.900 Organisationen auch ver.di angehört, rund 300.000 Teilnehmer*innen rund um den Bundestag, eine Menschenmasse, aus der sich immer mal wieder zusammengehaltene Hände gen Himmel streckten. Die riesige Demonstration, die sich bis weit in den Tiergarten und die anliegenden Straßen einschließlich dem Boulevard „Unter den Linden“ hinterm Brandenburger Tor erstreckte, stand unter dem Motto #WirSindDieBrandmauer. Und die war ebenso bunt wie die Schilder, die die Demonstrierenden dabeihatten.
Der Gewerkschaftsblock sammelte sich vor dem offiziellen Beginn der Demonstration vor dem Brandenburger Tor. Sylvia Bühler, Mitglied des ver.di-Bundesvorstands sagte: „Wir verteidigen die Demokratie. Wir stellen klar, die AfD ist nicht irgendeine Partei wie jede andere. Die AfD ist richtig, richtig gefährlich.“ Die Gewerkschafterin appellierte an alle Beschäftigten und Bürger*innen: „Wer Kritik hat an der aktuellen Politik, kann sie äußern, kann aktiv werden, aber bitte wählt nicht die Menschen, die gegen eure eigenen Interessen Politik machen.“
In Dresden wurde unter demselben Motto #WirSindDieBrandmauer demonstriert, nach Angaben des Demo-Bündnisses vor Ort kamen in der ostdeutschen Metropole rund 30.000 Demonstrierende zusammen. Aber ob 30.000 oder 300.000 oder auch nur 3.000 Menschen, wie etwa auf dem Marktplatz in Jena, der zweitgrößten Stadt Thüringens, überall gehen Menschen auf die Straße. In Jena ruft die Initiative „Weltoffenes Thüringen“, dem Verbände, Sportvereine und Parteien angehören, zu Demos gegen Rechts auf. In Thüringen kandidiert für die AfD Björn Höcke, der den ultrarechten Flügel der Partei anführt und immer wieder durch Reden auffällt, in denen er nationalsozialistische Propaganda kopiert. Dort, wo die AfD in der Wähler*innengunst teils bei weit über 30 Prozent liegt, erfordert es besonderen Mut, auf die Straße zu gehen, Gesicht zu zeigen und sich gegen die AfD zu positionieren.
Luisa Neubauer von Fridays for Future rief von der Bühne in Berlin den hunderttausenden Demonstrierenden dort zu: „Die AfD ist groß, aber muss es nicht bleiben!“ Die Klimaktivistin betonte: „Demokratie hat man nicht, Demokratie lebt man. Wir haben so viel zu tun, dafür braucht es eine Demokratie, die lebt.“ Es komme jetzt auf Millionen Menschen an, die die Demokratie verteidigen und mit Leben füllen. Vor allem, weil es nicht nur darum ginge, gegen die AfD zu demonstrieren, sondern gegen die Mehrheiten, die durch AfD-Stimmen zusammenkommen könnten.
Genau darum geht es.
Rechte Parolen machen auch vor Betrieben nicht halt. Das Erfolgsrezept gegen rechte Hetze lautet: Wer Solidarität und Selbstwirksamkeit erlebt, ist weniger anfällig für rechtsextremes Gedankengut
Als Reaktion auf die Correctiv-Enthüllungen über die Beteiligung von AfD-Mitgliedern auch aus der Bundestags-Fraktion an dem Treffen im Haus Adlon in Potsdam agitieren AfD-Politikerinnen und -Politiker öffentlich gegen Medienschaffende. ver.di verurteilt diese Angriffe auf die Pressefreiheit. „In Social-Media-Posts greifen die AfD und ihre Abgeordneten Medienschaffende pauschal und auch einzelne Personen gezielt an. Das zeigt eine Missachtung des Journalismus als konstitutiver Säule der Demokratie und offenbart eine Feindseligkeit gegenüber Journalist*innen, wenn diese unangenehme Wahrheiten ans Licht bringen. Es ist die Aufgabe von unabhängigem Journalismus, über solche Ereignisse und Gesprächsgegenstände zu berichten, vor allem wenn dabei offenkundig Grundrechte von Mitbürger*innen in Frage gestellt werden“, sagt Christoph Schmitz, für Medien zuständiges Mitglied im ver.di-Bundesvorstand. Dass die Correctiv-Recherche den Anlass für Großdemonstrationen über mehrere Tage in über hundert Städten und mit Hundertausenden Teilnehmer*innen gegeben habe, zeige auf welch massives öffentliches Interesse die Veröffentlichung stoße. „Jetzt fordert die AfD ihre Anhänger und ,Follower‘ ihrer Social-Media-Kanäle dazu auf, Medienvertreter*innen ‚in die Schranken zu weisen‘. Das ist als szenetypischer Aufruf zur Gewalt zu verstehen und verlässt jeden akzeptablen Weg des Umgangs einer politischen Partei mit für sie unliebsamer Medienberichterstattung“, so Schmitz.
Weiter zollt Schmitz seinen Respekt vor der Arbeit des Correctiv-Teams: „Im Stile großer Investigativ-Projekte haben hier eine Vielzahl von Kolleg*innen mit unterschiedlichen Expertisen zusammengewirkt, um eine nach journalistischen Grundsätzen veröffentlichungsfähige Reportage zu schreiben. Der Wert ihrer Arbeit lässt erkennbar werden, warum Pressefreiheit einen besonderen Schutz braucht und auch einzelne Medienschaffende im Falle von Nachstellungen und Angriffen von Auftraggebern und der Öffentlichkeit in Schutz genommen werden müssen.“
Mit der Reform des Staatsangehörigkeitsrechts, die am 19. Januar 2024 mit den Stimmen der Ampelkoalition im Bundestag beschlossen wurde, ist ein wichtiger Schritt für das Miteinander in Deutschland gemacht. „Wir freuen uns mit unseren Gewerkschaftsmitgliedern, dass jetzt endlich für alle Migrantinnen und Migranten, die Möglichkeit der Doppelstaatsangehörigkeit eröffnet wird und nicht nur für EU-Angehörige. Gerade die mit 2,8 Millionen Angehörigen größte Einwanderercommunity in Deutschland, die der Türkeistämmigen, sah sich nach der alten Regelung diskriminiert, da der Verzicht auf den Herkunftspass Voraussetzung für eine Einbürgerung war“, so Rebecca Liebig, für Migration zuständiges ver.di-Bundesvorstandsmitglied.
Der Doppelpass und ein Anspruch auf Einbürgerung nach bereits fünf Jahren werde auch alle anderen Eingewanderten aus sogenannten Drittstaaten mit Angehörigen der EU gleichstellen. Angehörige der Drittstaaten machten einen Großteil der Beschäftigten mit ausländischem Pass aus. „Deshalb rufen wir unsere Gewerkschaftsmitglieder mit Migrationsbiografie auf, den deutschen Pass jetzt zu beantragen“, so Liebig.
Zugleich kritisiert ver.di die Verschlechterung von Einbürgerungsbedingungen für Menschen, die unverschuldet nicht voll leistungsfähig sind, etwa Menschen mit Behinderungen oder deren pflegende Angehörige, die keinen rechtlichen Anspruch mehr haben und deshalb künftig abhängig vom Ermessen der örtlichen Behörden sind. Aus ver.di-Sicht ist das eine völlig unnötige Verschärfung, die die Ampel ins Gesetz geschrieben hat. Es kommt nun auf die Länder an, das Gesetz so umzusetzen, dass die Behörden ihr Ermessen konstruktiv nutzen und diesen Menschen, die unverschuldet aus Krankheitsgründen oder wegen einer Behinderung zeitweise oder dauerhaft nicht voll erwerbstätig sein können, großzügig Einbürgerungen erteilen.