Offener Brief: Wohnen muss bezahlbar bleiben

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Sozialer Wohnungsbau in Leipzig – wo Menschen bezahlbaren Wohnraum finden
07.06.2023

Vielerorts explodieren die Mieten seit Jahren. Ein Grund dafür: Es fehlt an den Wohnungsmärkten ein größerer, nicht-profitorientierter Bereich für Haushalte mit niedrigen bis mittleren Einkommen. Betriebsräte der Wohnungswirtschaft, die in ver.di und der IG BAU organisiert sind, fordern deshalb in einem Offenen Brief an Finanzminister Lindner und Bauministerin Geywitz: Wir brauchen endlich eine neue Wohngemeinnützigkeit!

In den 1980er Jahren galt die Wohnungsfrage in Deutschland als gelöst. Vier Jahrzehnte und zahlreiche Privatisierungen später wissen wir: Das bezahlbare Wohnen ist eine politische Daueraufgabe, die der Markt alleine nicht lösen wird. Seit den 1980er Jahren haben sich die Bedingungen an den Wohnungsmärkten allerdings drastisch verändert. Enorme Wohnungsbestände wurden privatisiert. Öffentliche und gemeinwohlorientierte Wohnungsunternehmen gerieten ins Hintertreffen. Die frühere Wohngemeinnützigkeit haben CDU/CSU und FDP 1990 gar abgeschafft. Anders übrigens als etwa in Österreich. Dort ist sie bis heute ein Erfolgsmodell.

 
Deutschland benötigt mehr Wohnraum zu bezahlbaren Preisen

Daran sollte auch Deutschland wieder anknüpfen. Schon lange fordern ver.di und andere deshalb die Wiedereinführung einer Wohngemeinnützigkeit. Und tatsächlich hat die Ampelregierung eine solche auf Betreiben von SPD und Grünen in ihrem Koalitionsvertrag versprochen. Mit der Umsetzung aber hakt es beträchtlich.

Was ist Wohngemeinnützigkeit?

 

Wohngemeinnützigkeit – das meint eine dauerhafte öffentliche Förderung, die die kontinuierliche Schaffung, Modernisierung und den Erhalt von bezahlbarem Wohnraum sicherstellt.

Gemeinnützige Wohnungsunternehmen können und sollen gleichermaßen Sozialwohnungen wie auch frei vermietbare Wohnungen zu günstigen Mieten bereitstellen. Die Ausschüttung von Gewinnen wird dabei begrenzt. Überschüsse werden überwiegend wieder in den Neubau, den Ankauf sowie die Modernisierung von Wohnraum investiert. Dabei unterliegen die Wohnungen einer dauerhaften Bindung. Denn anders als bei Sozialwohnungen gilt hier das Prinzip: Einmal gemeinnützig – immer gemeinnützig! Im Gegenzug erhalten gemeinnützige Unternehmen Steuererleichterungen oder Zuschüsse. Zudem bekommen sie Grundstücke von Bund, Ländern und Kommunen zum günstigen Festpreis vorrangig angeboten.

Eine vom Bundestag gesetzte Frist zur Vorlage erster Eckpunkte zur Wiedereinführung einer solchen Wohngemeinnützigkeit hat die Bundesregierung Ende März verstreichen lassen. Ob sie eine zweite Frist Mitte Juni halten wird, ist unklar. In jedem Fall besteht die Gefahr, dass das Vorhaben in der Schublade verschwindet oder bis zur Unkenntlichkeit verwässert wird. Zwei Gründe dafür: Die Widerstände seitens der Immobilienlobby sind groß – wie auch die Kosten einer ausreichend finanzierten neuen Wohngemeinnützigkeit.

Zahlreiche Betriebsräte und Betriebsratsmitglieder der Wohnungswirtschaft haben nun Finanzminister Lindner und Bauministerin Geywitz in einem Offenen Brief aufgefordert, endlich zu handeln. Unterzeichnet haben Gremien und Einzelpersonen aus kommunalen Wohnungsunternehmen (wie Gewobag Berlin, GEWOFAG München und ha.ge.we Hagen), Genossenschaften (wie dem Selbsthilfe-Bauverein eG Flensburg) und privaten Unternehmen (Vonovia Holding und LEG). Sie schreiben: „Durch eine neue Wohngemeinnützigkeit kann die Wohnungswirtschaft ein größeres, nicht-profitorientiertes Segment für Haushalte mit niedrigen bis mittleren Einkommen entwickeln. Angesichts der einbrechenden Neubauzahlen und zahlreicher Projektstornierungen gewinnt dieses Vorhaben aktuell eine besondere Bedeutung.“

Die Unterzeichnenden machen deutlich: Die Chance auf einen neuen, gemeinnützigen Sektor am Wohnungsmarkt darf nicht verstreichen.

 

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