Frauen auch am Arbeitsplatz schützen

25.11.2019

Berlin, 25.11.2021 – Als die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) im Juni 2019 ihr Übereinkommen 190 gegen Gewalt und Belästigungen in der Arbeitswelt verabschiedete, erklärte Bundesarbeitsminister Hubertus Heil, SPD, umgehend: „Mit der Verabschiedung dieses wichtigen Übereinkommens zeigt die ILO zu ihrem hundertjährigen Bestehen, dass sie handlungsfähig ist und schnell und effektiv auf wichtige globale Herausforderungen reagiert. Vor dem Hintergrund der weltweiten #MeToo-Debatte hat die ILO jetzt auf UN-Ebene ein wirkungsvolles Instrument geschaffen. Gewalt und Belästigung in der Arbeitswelt gehören geächtet und bekämpft. Deutschland bekennt sich dazu und wird eine schnelle Ratifizierung des Übereinkommens in Angriff nehmen.“ Doch bis heute - zwei Jahre später - ist Letzteres nicht passiert. Am heutigen Internationalen Tag zur Bekämpfung der Gewalt gegen Frauen und Mädchen fordert ver.di deshalb die schnelle Ratifizierung der ILO-Konvention.

 
Allein in Deutschland erlebt jede vierte Frau Gewalt in der eigenen Familie. Aber Gewalt geschieht nicht nur im Privaten, sondern auch im Betrieb


Gewalt gegen Frauen geschieht überall und auf unterschiedliche Weise. Frauen werden belästigt, geschlagen, missbraucht, vergewaltigt, zur Prostitution gezwungen oder ermordet. Allein in Deutschland erlebt jede vierte Frau Gewalt in der eigenen Familie. Aber Gewalt geschieht nicht nur im Privaten, sondern auch im Betrieb. Mit der Konvention 190 existiert ein internationales Instrument, das verbindliche Mindeststandards regelt und Grenzen setzt, um Beschäftigte vor Gewalt und sexueller Belästigung am Arbeitsplatz zu schützen.

Gewalt und Belästigung im Sinne des ILO-Übereinkommens 190 wird definiert „als eine Bandbreite von inakzeptablen Verhaltensweisen und Praktiken oder deren Androhung (…), die darauf abzielen, zur Folge haben oder wahrscheinlich zur Folge haben, physischen, psychischen, sexuellen oder wirtschaftlichen Schaden zur verursachen und umfasst auch geschlechtsspezifische Gewalt und Belästigung“. Der Text weist die ILO-Mitgliedsstaaten darauf hin, dass sie „eine große Verantwortung dafür haben, ein allgemeines Umfeld von Nulltoleranz gegenüber Gewalt und Belästigung zu fördern“.

Das Recht auf eine Arbeitswelt frei von Gewalt

Das Übereinkommen schützt Arbeitnehmer und andere Personen in der Arbeitswelt, darunter „abhängig Beschäftigte im Sinne der innerstaatlichen Gesetzgebung und Praxis, sowie erwerbstätige Personen ungeachtet ihres Vertragsstatus, in Ausbildung befindliche Personen, einschließlich Praktikanten, Arbeitskräfte, deren Arbeitsverhältnis beendet wurde, Freiwillige, Arbeitssuchende und Stellenbewerber sowie Personen, die die Befugnisse, Pflichten und Verantwortlichkeiten eines Arbeitgebers ausüben“. Und es gilt für „Arbeitsstätten, einschließlich öffentlicher und privater Räume, bei denen es sich um einen Arbeitsplatz handelt, an Orten wo der Arbeitnehmer bezahlt wird, eine Ruhepause einlegt oder eine Mahlzeit einnimmt oder sanitäre Einrichtungen, Waschgelegenheiten und Umkleideeinrichtungen, während arbeitsbezogener Fahrten, Reisen, Ausbildungen, Veranstaltungen oder gesellschaftlicher Aktivitäten (einschließlich derjenigen, die durch Informations- und Kommunikationstechnologien ermöglicht werden, in vom Arbeitgeber bereitgestellten Unterkünften und auf dem Weg zur und von der Arbeit“.

ILO-Generaldirektor Guy Ryder begrüßte im Juni 2019 die Verabschiedung der Konvention mit den Worten. „Der neue Standard erkennt das Recht aller auf eine Arbeitswelt frei von Gewalt und Belästigung an. Der nächste Schritt ist die Umsetzung dieses Schutzes in die Praxis, so dass eine bessere, sicherere menschenwürdige Arbeitsumwelt für Frauen und Männer entsteht.“

 

Viele Frauen sind bei der Arbeit teilweise regelmäßig mit Gewalt konfrontiert. Sie erfahren sexuelle Belästigung durch Arbeitskollegen oder Vorgesetzte. Arbeiten Frauen in Geschäften oder bei anderen, öffentlich zugänglichen Einrichtungen, kommt oft auch Gewalt durch Kunden oder Bürger hinzu. Das reicht von Beschimpfungen, Bedrohungen, gezielten sexuellen Anzüglichkeiten und Abwertungen bis hin zu körperlichen Angriffen oder Raubüberfällen. Die neue ILO-Konvention gibt da wichtige Orientierungen für den Abschluss von betrieblichen Regelungen oder Tarifverträgen, um diesen Formen von Gewalt gegen Frauen etwas entgegenzusetzen.

Aber darüber hinaus bedarf es weiterer Anstrengungen, um Gewalt gegen Frauen und Mädchen zu verhindern. Jeden zweiten bis dritten Tag tötet in Deutschland ein Mann seine Frau oder Ex-Partnerin. Die Zahl der Mordversuche ist dreifach so hoch. Frauenmord ist die extreme Form des Frauenhasses, der sich in vielen Abstufungen Bahn bricht: 40 Prozent aller Frauen und Mädchen über 16 Jahren erfahren körperliche und/oder sexualisierte Gewalt im Lauf ihres Lebens, 42 Prozent erleben psychische Gewalt. Die geschlechtsspezifische Gewalt im digitalen Bereich ist sprunghaft angestiegen und steigt weiter, so laut dem Deutschen Frauenrat (DF).

Staat ist in der Pflicht

Der Frauenrat weist deshalb immer wieder auf den wachsenden Frauenhass in der realen und virtuellen Welt hin. Frauenhass sei kein ‚Kollateralschaden‘ einer noch nicht ganz umgesetzten Gleichstellung und schon gar kein ‚privates‘ Problem. Er sei das patriarchale Fundament unserer Gesellschaft, der Nährboden für die autoritäre, antidemokratische Selbstermächtigung von Männern. Der Staat stehe in der Pflicht, Frauen vor dieser Gefahr zu schützen.

 

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