In den vergangenen Jahrzehnten hat in Deutschland eine bis dahin unvorstellbare Umverteilung des Reichtums von unten nach oben stattgefunden. Etwa die Hälfte der Bevölkerung hat so gut wie nichts auf der hohen Kante – dagegen besitzen die reichsten zehn Prozent rund 60 Prozent des Vermögens, die unteren 20 Prozent besitzen nichts, 9 Prozent aller Haushalte sind verschuldet (Stand November 2022). Der Anteil am Volksvermögen, der erarbeitet wird, ist drastisch gesunken.
Von der Finanz- und Wirtschaftskrise wurden die Reichen nur kurzfristig tangiert, obwohl sie wesentlich dazu beigetragen haben. Inzwischen geht es für sie wieder steil nach oben und das auch trotz Corona-Pandemie, Energiekrise und dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine: 1,63 Millionen Dollar-Millionäre leben heute in Deutschland, 2019 – also vor den aktuellen Krisen – waren es 1,47 Millionen Millionäre, 2013 erst 860.000. Die Zahl der Millionäre hat sich damit innerhalb von 10 Jahren trotz aller Krisen nahezu verdoppelt. Derweil müssen sich immer mehr Menschen mit Niedriglöhnen über Wasser halten, immer mehr Menschen – vor allem Frauen – droht Altersarmut.
Nicht nur die Unternehmen drücken auf die Kosten – der Staat ebenso. Gekürzt wurde in den vergangenen Jahren vor allem bei den Beschäftigten im öffentlichen Dienst. Aber auch öffentliche Einrichtungen und Infrastruktur gelten vielerorts als nicht mehr bezahlbar, immer wieder müssen Gemeinden drastische Einschränkungen ihrer Leistungen vornehmen, um sich nicht weiter zu verschulden.
Tatsächlich hat der Staat immer weniger Geld für notwendige öffentliche Aufgaben. Bibliotheken, Schwimmbäder und Beratungsangebote werden abgebaut oder die Zutrittspreise dafür erhöht: Wer nicht genug Geld hat, kann sie nicht nutzen. Das ist nicht nur äußerst ungerecht, sondern auch fatal für ein demokratisches Gemeinwesen.
ver.di fordert deshalb grundlegende Steuerreformen: Die Reichen müssen endlich angemessen zur Finanzierung öffentlicher Aufgaben beitragen. Die Gewerkschaft hat ein einnahmeneutrales Konzept für eine gerechtere Lohn- und Einkommenssteuer vorgelegt. Das Motto: Unten entlasten – oben belasten. Zum einen verlangt ver.di, dass der Eingangssteuersatz nicht länger viel steiler ansteigt als bei höheren Einkommen.
Ein besonderer Skandal ist, dass seit 1997 in Deutschland keine Vermögenssteuer mehr erhoben wird. Sie muss schnellstens wieder eingeführt werden. Auch die Erbschaftssteuer trägt bisher so gut wie nichts zur Finanzierung der Staatsaufgaben bei. Bis zum Jahr 2027 werden jährlich in Deutschland inklusive Schenkungen bis zu 400 Milliarden Euro vererbt werden – Geld, dem nicht die geringste eigene Leistung der Begünstigten gegenübersteht. Doch nur sehr wenige Milliarden Euro davon landen bei den Länderfinanzministern. Der durchschnittliche Steuersatz auf Erbschaften liegt bei mickrigen 2 Prozent.
Zusammengefasst: Seit Jahren magert der Staat zugunsten weniger Bürger*innen und Unternehmen immer weiter ab. Zugleich geht die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auf. Die Finanz- und Wirtschaftskrisen verschärfen die Lage weiter. Nicht zuletzt im Interesse von Gerechtigkeit und Gemeinwohl fordert ver.di eine grundlegende Wende in der Steuer- und Finanzpolitik.
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