Unter dem Hashtag #Tarifwende ist ver.di zusammen mit ihren Schwestergewerkschaften des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) in das Jahr 2024 gestartet, um mit Nachdruck die Umsetzung eines der aus gewerkschaftlicher Sicht wichtigsten Projekte der Ampelregierung einzufordern: die nunmehr schnelle Einführung eines Tariftreuegesetzes. Dahinter steckt: Egal, ob das Bundeskanzleramt um einen weiteren Bau erweitert wird, eine Schule einen neuen Caterer braucht, eine staatliche Kita saniert, eine Brücke oder Straße erneuert oder der Wäschereidienst einer öffentlichen Klinik neu vergeben werden muss – immer dann, wenn die öffentliche Hand Aufträge an externe Dienstleister zu vergeben hat, soll sie die zukünftig nur noch an Unternehmen vergeben, die tarifgebunden sind. Und Tariftreue bedeutet dabei nicht nur den gültigen Tariflohn zu zahlen, sondern auch bezahlten Mindestjahresurlaub, Ruhezeiten und Pausenzeiten zu gewähren und Höchstarbeitszeiten einzuhalten. Auch für Beschäftigte in der Weiterbildung, etwa Lehrkräfte, die im öffentlichen Auftrag über ihre Weiterbildungsträger Integrationskurse geben, würden ungemein von einer Tarifbindung profitieren.
Doch kaum hat der Entwurf von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD), der den Titel „Gesetz zur Stärkung der Tarifautonomie durch die Sicherung von Tariftreue bei der Vergabe öffentlicher Aufträge des Bundes und weitere Maßnahmen“ trägt, das Licht der Öffentlichkeit erblickt, hat ihn ein Licht der Ampel, die FDP, auch schon wieder in Frage gestellt gehabt.
Der ver.di-Vorsitzende Frank Werneke fand für die wiederholte Blockade durch die FDP, von eigentlich geeinten Projekten der inzwischen nicht mehr bestehenden Bunderegierung, klare Worte:
Die Verhinderung von Lohndumping durch eine nachhaltige Verbesserung der Tarifbindung, wie sie der Gesetzesentwurf aus dem Bundesarbeitsministerium vorsieht, sei das zentrale politische Projekt der Ampelkoalition zugunsten von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern gewesen.
Es braucht das Tariftreuegesetz aus gutem Grund. Seit Jahren sinkt in Deutschland die sogenannte Tarifbindung. Immer mehr Unternehmen scheren aus, senken die Arbeitskonditionen und Preise und stechen so immer häufiger tarifgebundene Unternehmen im Wettbewerb um Aufträge aus. Wer anständige, tarifliche Löhne und Gehälter zahlt und auch ansonsten faire Arbeitsbedingungen bietet, wird ausgebotet.
Um diesen Unterbietungswettbewerb zu stoppen und stattdessen die Tarifbindung wieder zu stärken, hatte der Bundesarbeitsminister am 9. September seinen Referentenentwurf zum lange geplanten und im Koalitionsvertrag angekündigten Tariftreuegesetz vorgelegt, zunächst nur den Ressorts der Ministerien, er fand aber schnell auch seinen Weg in die Medien. Darüber hinaus will Heil mit dem Gesetz den Gewerkschaften ein digitales Zugangsrecht zu Betrieben gewähren und die Möglichkeiten zur Tarifflucht einschränken, beides wichtige Forderungen, die auch ver.di und der DGB mit ihrer Kampagne #Tarifwende fordern.
Das geplante Bundestariftreuegesetz soll nicht mehr und nicht weniger als die Nachteile tarifgebundener Unternehmen im Wettbewerb um öffentliche Aufträge und Konzessionen des Bundes beseitigen. „Der Verdrängungswettbewerb über die Lohn- und Personalkosten wird eingeschränkt“, heißt es im Entwurf. Und unter dem Stichpunkt „Problem und Ziel“: „Eine funktionierende Tarifautonomie und ein starkes Tarifvertragssystem sind das Fundament angemessener Arbeitsbedingungen für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.“
Vor diesem Hintergrund seien insbesondere auch „die Kontaktmöglichkeiten der Gewerkschaften in die Betriebe essenziell, um einerseits neue Mitglieder zu werben und über ihre Arbeit zu informieren und andererseits ihre betriebsverfassungsrechtlichen Aufgaben und Befugnisse wahrnehmen zu können.“ Die Digitalisierung hat längst die gesamte Arbeitswelt erreicht, da ist das alleinige analoge, ohnehin teils beschränkte Zugangsrecht von Gewerkschaften zu Betrieben aus der Zeit gefallen. „Die gesetzliche Regelung eines Zugangsrechts zur Mitgliederwerbung und Information einschließlich eines digitalen Zugangs soll die Möglichkeiten für Gewerkschaften verbessern, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in der sich wandelnden Arbeitswelt zu erreichen“, heißt es zur Begründung im Gesetzesentwurf.
Auf die Vorteile von Tarifverträgen hat der DGB am 18. September unter #Tarifwende bundesweit mit hunderten Aktionen vor Werkstoren, auf Bahnhöfen und zentralen Plätzen aufmerksam gemacht. Auch in Berlin und Brandenburg waren viele Gewerkschafter*innen unterwegs. Beide Bundesländer gehören bundesweit bei der Zahl tarifgebundener Unternehmen zu den Schlusslichtern. „Wer mit dem Schutz eines Tarifvertrages arbeitet, hat einfach mehr in der Tasche. Nicht nur ein höheres Gehalt kommt dabei heraus. Auch kürzere Arbeitszeiten und mehr Urlaub gehören dazu“, so Katja Karger, Vorsitzende des DGB Berlin-Brandenburg.
Hier geht's zur DGB-Kampagne #Tarifwende
Die Beschäftigten in der öffentlich finanzierten beruflichen Weiterbildung arbeiten tagtäglich für die soziale Integration von Menschen und erfüllen damit einen wichtigen gesellschaftlichen Auftrag, ermöglichen soziale und berufliche Teilhabe. Doch ihre Arbeitsbedingungen und Bezahlung stehen in einem krassen Missverhältnis zur Notwendigkeit, Bedeutung und Relevanz ihrer Arbeit. Ein zentraler Grund für die Missstände in der Branche sind die wettbewerbsbasierten Vergabeverfahren von Maßnahmen. Dadurch lassen sich die Weiterbildungsträger in einen Wettbewerb treiben, der auf dem Rücken der Beschäftigten ausgetragen wird. Die Tarifbewegung „Nur mit Tarif geht Bildung weiter“ fordert:
Hier geht's zur Tarifbewegung für einen Branchentarifvertrag
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