Die Bundesregierung hat in den vergangenen Monaten verschiedene Maßnahmen auf den Weg gebracht, um die Menschen von steigenden Preisen bei der Energie und in den Supermärkten zu entlasten. Aber wie wirken sich die verschiedenen Entlastungspakete auf die Haushalte, auf die Einkommen der Beschäftigten aus? Und reicht das eigentlich alles? Für ver.di steht fest: Dauerhaft steigende Preise müssen entsprechend steigende Löhne nach sich ziehen. Und: Be- und Entlastungen in der Krise müssen ausgewogen verteilt werden
Die Energiepreisbremse kommt, das hat der Bundestag am 15. Dezember 2022 entschieden. Nachdem die Mehrheit der Haushalte in Deutschland im September zunächst eine Energiepreis-Pauschale in Höhe von 300 Euro erhalten hat und im Dezember für 24 Millionen Haushalte die Abschlagzahlung fürs Gas übernommen worden ist, soll die Energiepreisbremse Haushalte und Unternehmen in Deutschland bis zum April 2024 durch die Energiekrise und anhaltend hohe Inflation bringen. Für 80 Prozent des Vorjahresverbrauchs soll die Haushalte das Gas 12 Cent pro Kilowattstunde kosten. Bei der Wärme 9,5 Cent pro Kilowattstunde. Für die restlichen 20 Prozent des Verbrauchs soll der normale Vertragspreis gelten – als Anreiz zum Sparen. Die Strompreisbremse funktioniert ähnlich. Sie sieht vor, dass Haushalte und kleinere Unternehmen 80 Prozent ihres bisherigen Verbrauchs zu einem garantierten Bruttopreis von 40 Cent pro Kilowattstunde erhalten. Doch reicht das alles? Für viele Kolleginnen und Kollegen – vor allem für diejenigen mit niedrigen und mittleren Einkommen – fühlt sich die persönliche Situation so an, als sei sie kaum zu stemmen. Auch wenn die Bundesregierung mit ihren ersten Hilfspaketen bereits rund 200 Milliarden Euro bereitgestellt hat, um die Bürgerinnen und Bürger zu entlasten. Aus ver.di-Sicht reicht das aber noch nicht. „Die soziale Balance der Maßnahmen stimmt nicht“, sagt der ver.di-Vorsitzende Frank Werneke. So hätten „beispielsweise Mieterinnen und Mieter einer schlecht isolierten Zweizimmerwohnung haben kaum eine Chance, 20 Prozent einzusparen.“ Für diese Menschen bedeute das aber eine Verdoppelung der Preise im Verhältnis zu 2021. Und damit seien unverändert viele Menschen überfordert.
Für Frank Werneke reichen die Vorschläge deshalb nicht aus. Und sie sind auch nicht sozial ausbalanciert. „Unterm Strich bedeutet das für die Mieter mit niedrigem oder mittlerem Einkommen aufs Jahr gerechnet eine Unterstützung von einigen 100 Euro. Besitzer eines großen Hauses mit höheren Verbräuchen werden gegebenenfalls mit mehreren Tausend Euro unterstützt.“ ver.di hatte bereits im Vorfeld gefordert: „Um Haushalte mit geringen bis durchschnittlichen Einkommen finanziell nicht zu überfordern, müsste ein Mengen-Grundkontingent pro Haushalt (Vorschlag: 4.000 kWh) zu einem Preis aus der Zeit vor der Krise eingezogen werden. Dieses ist auch notwendig, um die Haushalte zu berücksichtigen, die bereits in der Vergangenheit in erheblichem Umfang aus finanziellen Gründen den Gasverbrauch einschränken mussten. Darüber hinaus müsste für Privathaushalte eine Obergrenze (Vorschlag: 25.000 KWh) definiert werden, damit diejenigen mit hohem Einkommen und Verbrauch nicht über Bedarf gefördert werden.“ Weil es so gut wie keine soziale Haltelinien gibt, fordert der ver.di-Vorsitzende: „Es ist dringend erforderlich, 2023 Haushalte mit geringem bis mittleren Einkommen direkt zu unterstützen“ – mit Energiegeld.
Das Geld dafür wäre da. Deutschland ist nach wie vor ein reiches und wirtschaftsstarkes Land. Notwendig ist es, nicht nur nicht die Reichen auch noch mit zu entlasten, sondern die Extragewinne jener Unternehmen abzuschöpfen, die von der Krise in besonderer Weise profitieren. „Es ist endlich an der Zeit, dass die starken Schultern einen angemessenen Beitrag leisten, um die Krise zu überwinden. Mehr Steuergerechtigkeit gegenüber Wohlhabenden und eine Vermögensabgabe sind überfällig“, sagt der ver.di Vorsitzende. Jetzt müssen sich diejenigen an den Kosten beteiligen, die nicht entlastet werden müssen. Dazu zählen Unternehmen, die mit hohen Gewinnen an der Krise verdienen. Und auch die Vermögenden, die nach wie vor ihre millionenschweren Vermögen nicht versteuern müssen.
Unsere Einschätzungen zur aktuellen Situation, zu Energiepreisen, Entlastungspaketen und Entgeltrunden haben wir in den folgenden FAQs zusammengefasst.
Damit die Haushalte in Deutschland die steigenden Kosten nicht allein tragen müssen, hat die Ampelkoalition bisher drei Entlastungspakete auf den Weg gebracht.
Entlastungspaket 1
Im Februar 2022 hat die Ampel-Koalition erste Entlastungen für Haushalte in Höhe von 13 Milliarden Euro auf den Weg gebracht:
Entlastungspaket 2
Im Mai 2022 stimmten Bundestag und Bundesrat dem zweiten Maßnahmenpaket des Bundeskabinetts zu: Jede*r einkommensteuerpflichtige Erwerbstätige in den Steuerklassen 1-5 bekommt im September 2022 eine Energiepreispauschale von einmalig 300 Euro brutto. Die Pauschale unterliegt der Einkommensteuer. Wer einen hohen Steuersatz hat, bekommt am Ende also entsprechend weniger raus, wer unter dem Grundfreibetrag bleibt, profitiert von der vollen Summe.
Für die Sommermonate Juni, Juli, August wurde bundesweit ein Ticket für 9 Euro pro Monat im Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) angeboten. Die Kosten für die Entlastungpakete 1 und 2 werden von der Regierung zusammen mit rund 30 Milliarden Euro beziffert.
Entlastungspaket 3
Der Koalitionsausschuss der Bundesregierung hat am 4. September 2022 weitere Maßnahmen zur Entlastung von Bürger*innen beschlossen. Sie werden von der Bundesregierung mit einem Gesamtvolumen von 65 Milliarden Euro beziffert:
Der 200-Milliarden-Abwehrschirm
Auch ein Gaspreisdeckel soll für weitere Entlastungen vor allem in den privaten Haushalten sorgen. Um private Gaskunden und kleine Firmen schnell zu entlasten, sollen sie im Dezember eine Einmalzahlung erhalten in Form der Übernahme ihrer Abschlagzahlung. Von Januar an soll es eine Preisbremse für Industrieunternehmen geben, möglichst ab März, sonst ab April für private Haushalte und kleine Unternehmen. So hat es die von der Bundesregierung eingesetzte Expert*innenkommission in einem ersten Bericht vorgeschlagen. Eine Kilowattstunde Gas kostet laut diesem Bericht im Durchschnitt derzeit 28,3 Cent für Neukunden – vor einem Jahr waren es noch 6,8 Cent. „Der Preisanstieg besitzt erhebliche soziale Sprengkraft“, heißt es im Bericht der Kommission. Deswegen solle es nun staatliche Zuschüsse für private Haushalte und kleine Firmen geben – die kompletten Preissteigerungen sollten aber nicht abgefedert werden. Ziel soll es sein, den Haushalten ein Grundkontingent von 12 Cent pro Kilowattstunde zur Verfügung zu stellen für 80 Prozent ihres Verbrauchs. Wer darüber hinaus mehr verbraucht, für den solle dann der vertraglich vereinbarte Arbeitspreis gelten. Das könnte je nach Vertrag sehr teuer werden, was aber auch einen Anreiz zum Energiesparen setzt. Für Fernwärmekunden soll es einen fixen Preis von 9,5 Cent pro Kilowattstunde für ein Grundkontingent von 80 Prozent geben. Insgesamt hat die Bundesregierung hierfür sowie für weitere Maßnahmen für große Unternehmen einen Sonderfonds in Höhe von 200 Milliarden Euro angekündigt.
Entlastungspaket 4: Auf welche weiteren Entlastungsmaßnahmen wurde sich verständigt?
Beim dritten Treffen der Konzertierten Aktion ging es vor allem um die geplante Gas- und Strompreisbremse. Die Expert*innen-Kommission hat ihren Abschlussbericht mit konkreten Vorschlägen für die geplanten Gas- und Strompreisbremsen sowie für weitere Maßnahmen zur Förderung des Energiesparens überreicht. Nun haben Bund und Länder verschiedene Entlastungspläne beschlossen. Um Menschen und Unternehmen finanziell zu entlasten, wurde ein 200-Milliarden-Euro-Abwehrschirm durch die Bundesregierung angekündigt. Finanziert werden soll damit unter anderem die auch von ver.di geforderte Gaspreisbremse sowie eine Strompreisbremse. Auch ein Nachfolger für das 9-Euro-Ticket, das monatlich kündbare 49-Euro-Ticket, soll kommen.
Der ver.di-Bundesvorsitzende Frank Werneke zeigt sich grundsätzlich zufrieden: „Wir haben unter hohem Zeitdruck in der Expert*innenkommission Gas und Wärme intensiv um einen Kompromiss gerungen: Es ging darum, mit verschiedensten gesellschaftlichen Akteur*innen wie der Caritas und der Wohnungswirtschaft, aber auch eher auf Sparanreize pochende Vorstellungen unter einen Hut zu bringen.”
Die Gaspreisbremse tritt wie geplant im März 2023 in Kraft. Für 80 Prozent des Vorjahresverbrauchs soll das Gas 12 Cent pro Kilowattstunde kosten. Bei der Wärme 9,5 Cent pro Kilowattstunde. Für die restlichen 20 Prozent des Verbrauchs soll der normale Vertragspreis gelten – als Anreiz zum Sparen. Die Strompreisbremse funktioniert ähnlich. Sie sieht vor, dass Haushalte und kleinere Unternehmen 80 Prozent ihres bisherigen Verbrauchs zu einem garantierten Bruttopreis von 40 Cent pro Kilowattstunde erhalten.
„Ich befürchte, der auf 12 Cent gedeckelte Gaspreis wird für viele Menschen mit niedrigen Einkommen immer noch zu hoch sein, während gut Verdienende überfordert werden. Dem Gaspreis-Kompromiss fehlt die soziale Balance”, so Werneke. Er setzt auf die einzurichtenden Härtefallfonds, mit denen Menschen und Unternehmen entlastet werden sollen, die die Gaspreise auch zu den neuen Bedingungen nicht stemmen können. Für große Unternehmen der Industrie wird der Preis pro Kilowattstunde auf 7 Cent gedeckelt, bei Wärme liegt er bei 7,5 Cent. In der Industrie gelten allerdings die gedeckelten Preise lediglich für 70 Prozent des Jahresverbrauchs im Jahr 2021. Beim Strom liegt die Grenze bei 13 Cent für 70 Prozent des bisherigen Verbrauchs.
Auch wer mit Heizöl, Pellets, Flüssiggas oder Kaminöfen heizt, wird entlastet werden. Eine Verdopplung ihrer Heizkosten gegenüber dem Vorjahr (2022) müssen diese Verbraucher*innen noch allein tragen. Bei allen zusätzlichen Kosten will der Bund 80 Prozent übernehmen, mindestens 100 Euro, höchstens aber 2.000 Euro pro Haushalt.
Sämtliche Entlastungen sind bis April 2024 befristet, greifen sollen sie ab März 2023. Bürger*innen und Unternehmen sollen rückwirkend auch für Januar und Februar entlastet werden. Dafür werden im März die Vergünstigungen für die beiden vorherigen Monate mit angerechnet.
Die steigenden Energiepreise werden sich durch steigende Abschläge und auch mögliche hohe Nachzahlungen voraussichtlich erst ab dem kommenden Frühjahr in vollem Umfang bemerkbar machen. Die Puffer aus den Entlastungspaketen 1 und 2 werden dann wegen der steigenden Lebenshaltungskosten bereits aufgebraucht sein. Daher sind weitere Entlastungen dringend notwendig.
ver.di hatte für das Entlastungspaket 3 einen Energiepreis-Deckel für Strom und Gas gefordert, der die Grundversorgung zu einem fairen Preis sicherstellt sowie eine weitere steuerfreie Energiepauschale in Höhe von 500 Euro, die auch Rentner*innen, Studierenden und Transferempfänger*innen zugute kommt. Die Forderung von ver.di nach einer Strompreisbremse für den Grundverbrauch von Haushalten findet sich im Paket wieder. Offen ist, bis zu welcher Höhe und zu welchem Preis diese umgesetzt werden soll.
Auch weitere ver.di-Forderungen hat die Bundesregierung aufgegriffen. Die Energiepreis-Pauschale für Rentner*innen und Studierende war überfällig. Ein höherer Wohngeldzuschuss ist richtig. Es ist aber keine angemessene Lösung, Beschäftigte mit eher geringen Einkommen zu Wohngeldempfängern zu machen. Außerdem ist es fraglich, wie die Wohngeldreform umgesetzt werden soll, wenn wie schon jetzt Personal in den Verwaltungen fehlt. Dieselbe Frage stellt sich auch für die Einführung des Bürgergelds. Es kann Monate dauern, bis die geplanten Entlastungen tragen. So bleibt die Ampelkoalition auf den akuten Bedarf eine Antwort schuldig.
Im Maßnahmenpaket fehlen zudem weitere direkte Zahlungen für Menschen mit eher niedrigen und mittleren Einkommen. Hochverdiener werden durch die Steuerpläne stattdessen mit bis zu 1.000 Euro entlastet. Bemerkenswert ist, dass der Bundesfinanzminister, der auch für die Steuerpläne verantwortlich ist, plötzlich neue Spielräume in Milliardenhöhe im Bundeshaushalt entdeckt hat. Aus ideologischen Gründen allerdings an der Schuldenbremse festzuhalten, ist völlig unverständlich. Keinesfalls darf daraus eine Belastung für die Sozialversicherungen entstehen.
Die geplante Anhebung der Sozialversicherungspflicht für Midi-Jobs führt zu geringeren Sozialabgaben, ca. 1,3 Milliarden Euro – diese müssen aus dem Bundeshaushalt ausgeglichen werden. Sonst werden insbesondere die Krankenkassen weiter ins Defizit getrieben und die Beiträge steigen noch stärker als ohnehin vorgesehen. Auch die geplante Kindergelderhöhung von 18 Euro für die ersten drei Kinder wird den Belastungen kinderreicher Familien nicht gerecht.
Wenn Arbeitgeber auf Grundlage der jetzt vorgesehenen steuer- und abgabenfreien Energiekosten-Zuschüsse bis zu 3.000 Euro zahlen, dann ist das angesichts der akuten Kostenbelastungen angemessen. Das ändert allerdings nichts daran, dass in den stattfindenden und bevorstehenden Tarifrunden mit tabellenwirksamen Tariflohnsteigerungen auf die hohe Inflation geantwortet werden muss. Wir haben es absehbar mit dauerhaft steigenden Preisen zu tun, diese erfordern nachhaltig wirkende Entgelterhöhungen.
Insgesamt waren die Entlastungen bisher nur ein halber Schritt. Dass nach der Preisbremse für Strom nun eine solche Preisbremse auch für Gas kommt, macht den Schritt größer. Dennoch: Viele der Maßnahmen im dritten Entlastungspaket sind mit Zugangshürden versehen, etwa der Heizkostenzuschuss im Rahmen des Wohngeldes. Auch Maßnahmen wie Preisdeckel brauchen ihre Zeit für die Umsetzung. Daher fordern wir angesichts der akuten Sorgen vieler Bürger*innen – als wirksame Sofortmaßnahme – die Zahlung einer weiteren Pauschale von 500 Euro für alle Menschen mit niedrigen und mittleren Einkommen, inklusive Rentner*innen und den weiteren betroffenen Gruppen in der Bevölkerung.
Die Einführung eines 49-Euro-Nahverkehrstickets als Nachfolgemodell des 9-Euro-Tickets kann nur dann erfolgreich gelingen, wenn gleichzeitig massive Investitionen in den Ausbau des ÖPNV stattfinden. Dazu gehört vor allem mehr und besser bezahltes Personal.
Der ÖPNV wird täglich von 24 Millionen Menschen genutzt und ist ein wichtiger Teil der Daseinsvorsorge. Busse und Bahnen bieten die Chance, die seit 1990 nicht gesunkenen CO2-Emissionen im Verkehr deutlich zu verringern und damit das Erreichen der Klimaziele im Verkehr zu unterstützen. Um die Zahl der Nutzer*innen des ÖPNV bis 2030 zu verdoppeln, muss auch das Angebot verdoppelt – nämlich ausgeweitet und modifiziert – werden. Dabei muss der Schwerpunkt auf kurzen Wartezeiten, zeitnahen und verlässlichen Anschlüssen sowie der Abstimmung des regionalen und kommunalen ÖPNVs auf den Zugfernverkehr liegen.
Für den Ausbau des ÖPNV-Angebots und das entsprechende Personal braucht es bis 2030 etwa 10-12 Milliarden Euro an Investitionen pro Jahr. Gelingen kann dies nur mit einer Investitionsoffensive, an der sich Bund, Länder und Kommunen gemeinsam beteiligen. Insofern ist die im Entlastungspaket 3 genannte Summe von 1,5 Milliarden Euro, die der Bund bereit ist zu geben, wenn sich auch die Länder mit einer entsprechenden Summe beteiligen, durchaus ein politisches Signal für die Weiterentwicklung eines bundesweiten Nahverkehrsangebotes und kann auch in der aktuellen Situation preisdämpfend wirken.
ver.di hat zum Auslaufen des 9-Euro-Tickets am 1. September 2022 mit Bündnispartnern Vorschläge veröffentlicht, wie die Mobilitätswende gelingen kann. Dazu finden sich hier weitere Informationen: ÖPNV: Wie die Mobilitätswende gelingt – ver.di (verdi.de)
Für das Jahr 2022 ist mit einer Inflationsrate von mindestens acht Prozent zu rechnen. Das beste gewerkschaftliche Mittel dagegen sind entsprechende, nachhaltige Einkommenssteigerungen. In diesem und im kommenden Jahr verhandeln die Gewerkschaften Tarifverträge für knapp zehn Millionen Beschäftigte. 2022 stehen große Tarifrunden bei der IG Metall und bei der IG BCE an und bei ver.di ab Januar im öffentlichen Dienst von Bund und Kommunen und bei der Deutschen Post AG. Später folgt die große Tarifbewegung für unsere Mitglieder im Handel.
Bei unseren Forderungen wird die Höhe der Inflation eine entscheidende Rolle spielen. Die Gewerkschaften orientieren sich tarifpolitisch an der Entwicklung der Verbraucherpreise – also der Inflation – und an der Produktivität. Unser Ziel ist die Sicherung der Kaufkraft und eine angemessene Teilhabe der Beschäftigten am Zuwachs der Wirtschaftsleistung. Das Sozialprodukt wird dieses Jahr voraussichtlich um ca. 1,5 Prozent wachsen. Die Prognosen für 2023 liegen höher, sind jedoch angesichts des Krieges gegen die Ukraine und weiterer Krisen mit Unsicherheiten verbunden. Die börsennotierten Unternehmen in Deutschland haben dieses Jahr rund 70 Milliarden Euro an ihre Aktionär*innen ausgeschüttet, das ist ein Plus von 50 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Zumindest bislang verdienen große Teile der Wirtschaft prächtig.
In den letzten Tarifrunden zum Beispiel bei den Bodenverkehrsdiensten an Flughäfen, bei der Lufthansa, in den Häfen, im Bewachungsgewerbe und im privaten Verkehrsgewerbe konnten die ver.di-Kolleg*innen sehr gute Lohnzuwächse durchsetzen und teilweise auch Klauseln, die im kommenden Jahr die Lohnentwicklung an die Preissteigerung koppeln. Denn diese lässt sich in diesen unsicheren Zeiten nicht sicher für die Laufzeit eines Tarifvertrags vorhersagen. In vielen Dienstleistungsbranchen herrscht ein akuter Arbeitskräftemangel, das verbessert unsere Verhandlungsposition in Tarifrunden und schlägt sich in einigen der guten Tarifabschlüsse der letzten Monate auch nieder.
Genau deswegen ist es so wichtig, gerade jetzt ver.di-Mitglied zu werden, zu sein und zu bleiben: Nur wenn wir gemeinsam stark sind, können wir, wie in den vergangenen Monaten, ein spürbares Lohnplus erkämpfen und ausreichend politischen Druck für weitere Entlastungsmaßnahmen durch die Bundesregierung schaffen.
Arbeitgeber und arbeitgebernahe Wirtschaftsinstitute schüren in dieser von Inflation geprägten Situation gern die Angst vor einer sogenannten Lohn-Preis-Spirale: Stiegen die Löhne der Inflation entsprechend, würde das die Preise angeblich weiter in die Höhe treiben. Das trifft nicht zu, sondern ist reine Panikmache und durch einen Blick auf die wirtschaftliche Entwicklung leicht als Märchen zu entlarven. Denn gerade ordentliche Lohnerhöhungen stabilisieren eine Volkswirtschaft in der Krise. Wer jetzt behauptet, steigende Löhne würden die Preise weiter in die Höhe treiben, verkennt, wie wichtig es für die Gesamtwirtschaft ist, die Kaufkraft zu erhalten. Das gilt auch für die von ver.di geforderte und jetzt zum 1. Oktober 2022 kommende Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns auf 12 Euro. Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, beschreibt die Erhöhung des Mindestlohns als „vielleicht das effektivste und sozialste Instrument, um in dieser Krise die Kaufkraft von Menschen mit geringen Einkommen zu stabilisieren. Und auch für alle anderen ist eine Orientierung der Lohnentwicklung an der Inflationsrate, zumindest für die kommenden zwei Jahre, durchaus gerechtfertigt. Gesamtwirtschaftlich dürfte eine ordentliche Lohnentwicklung stabilisierend wirken und kann helfen, vor allem die von der Corona-Pandemie schwer gebeutelten Dienstleistungssektoren zu stützen.“
Mehr Informationen zum Thema Inflation und Tarifentwicklung finden sich auch im ver.di-Podcast „Auf Arbeit“ im Gespräch mit dem ver.di-Vorsitzenden Frank Werneke und Marcel Fratzscher: Auf Arbeit. Der ver.di Podcast – ver.di (verdi.de)
Vom „Tisch der gesellschaftlichen Vernunft“ war die Rede, als 1967 der damalige Bundeswirtschaftsminister Karl Schiller (SPD) Vertreter von Gewerkschaften und Wirtschaftsverbänden zu einer „Konzertierten Aktion“ einlud. Zu einer solchen Aktion hat nun auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertretungen sowie den Präsidenten der Bundesbank und einen der Wirtschaftsweisen zusammengerufen. Mit am Tisch sitzen: Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP), Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD). Heute wie 1967 schwächelt die Wirtschaft und ruft nach Lohnzurückhaltung, viele Preise sind aber bereits so stark gestiegen, dass es für viele Menschen immer schwieriger wird, bis zum Ende des Monats noch mit ihren Einkommen durchzukommen. Nicht nur ver.di fordert deshalb Lohnerhöhungen, die den gestiegenen Preisen gerecht werden.
ver.di hat von Beginn an klargemacht, dass die im Jahr 2011 eingeführte Schuldenbremse ein großer Fehler ist: Es bedarf nachhaltiger Investitionen in staatliche Infrastrukturen, in den öffentlichen Personennahverkehr beispielsweise, aber auch in die zu meisternde Energiewende und in die Bildung, um nur drei Beispiele zu nennen. In einer tiefen Krise, in der wir uns durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine befinden, ist es erst recht falsch, am Dogma der schwarzen Null festzuhalten, anstatt in die systemrelevante Infrastruktur für die Bürger*innen zu investieren. Die Schuldenbremse gehört abgeschafft, besser heute als morgen.
Es müssen stattdessen diejenigen zur Kasse gebeten werden, die Mehrbelastungen tragen können, zum Beispiel Unternehmen, die von der Krise profitieren, und zwar mit einer sogenannten Übergewinnsteuer. Aber auch andere Steuern könnten helfen, uns durch die Krise zu bringen.
Digitalsteuer: Multinationale Großunternehmen verschieben jährlich über 280 Milliarden Euro an Gewinnen aus der EU in Steueroasen. Besonders amerikanische Digitalkonzerne verfolgen sehr aggressive Steuervermeidungsstrategien. So vergrößern Amazon, Apple & Co ihren Wettbewerbsvorteil. Die fehlenden Steuereinnahmen stehen für Investitionen in Klimaschutz, Gesundheit, Bildung und Wohnen nicht zur Verfügung.
Vermögensteuer: Auch eine Vermögensteuer muss eingeführt und die Erbschaftssteuer endlich reformiert werden. ver.di hat dazu Vorschläge gemacht, die den finanziellen Spielraum des Staates deutlich vergrößern und zugleich niemanden in den Ruin treiben.
Mit einer Vermögensteuer soll das Nettovermögen – Geld-, Betriebs- und Immobilienvermögen abzüglich Schulden – ab einer Million Euro mit 1 Prozent besteuert werden. Der Steuertarif steigt dann nach dem ver.di-Modell bis zu einem Nettogesamtvermögen von 20 Millionen Euro auf 1,5 Prozent. Vermögen von mehr als 100 Millionen Euro sollen mit einem Steuersatz von 1,75 Prozent und Vermögen von mehr als einer Milliarde Euro mit 2 Prozent besteuert werden.
Erbschaftsteuer: Durch Erbschaften und Schenkungen werden die Lebenschancen einer ganzen Generation neu verteilt. Jedes Jahr werden geschätzte 400 Milliarden Euro weitergegeben. Der große Vermögenstransfer verläuft nach dem Prinzip: Wer hat, dem wird gegeben. Acht Prozent der Bevölkerung bekommen zwei Fünftel des zu vererbenden Vermögens. Jeder Zweite geht hingegen leer aus.
Jetzt wäre der richtige Zeitpunkt, um starke Schultern stärker zu belasten. So werden die Lasten der Krise gerecht verteilt. Wir brauchen in der Krise einen handlungsfähigen Staat, der in eine zukunftsfähige Infrastruktur investiert und für soziale Sicherheit sorgt.
Weitere Details, auch zur Gasumlage finden sich in dem PDF, das hier heruntergeladen werden kann.