Die zurückliegenden und aktuellen Krisen zeigen es: Der Staat muss wieder stärker werden. Die Erfahrungen der letzten Jahre belegen, dass durch die Privatisierung öffentlicher Aufgaben kaum etwas billiger wird – oft genug ist das Gegenteil der Fall. Häufig leidet auch die Qualität. Das hat ver.di zwar stets prognostiziert und sich dafür eingesetzt, dass öffentliche Dienstleistungen in öffentlicher Hand bleiben und ausreichend finanziert werden. Doch Anfang des Jahrtausends galt diese Position als gnadenlos unmodern: Privatisierungen sollten die leeren Kassen der Kommunen füllen und angeblich einen besseren Service für die Bürger bringen.
Inzwischen sind viele Kämmerer zu der Einsicht gekommen, dass beide Hoffnungen fehlgeschlagen sind. In Gerlingen etwa wurde die Stadtreinigung wieder unters kommunale Dach gestellt, weil es häufig Beschwerden gab und die Kontrolle des kommerziellen Dienstleisters aufwändig und teuer war. Aus dem gleichen Grund pflegen in Nürnberg inzwischen wieder städtische Gärtner die Parks. Auch Schwerin betreibt sein Schwimmbad lieber selbst, und Hannovers Prüfstatik kehrte ebenfalls zur öffentlichen Hand zurück.
Stadtwerke erleben gegenwärtig geradezu einen Boom. Nachdem sich viele Bürger/innen beschwerten, weil bei den kommerziellen Betreibern die Preise stiegen, haben Dutzende von Gemeinden ihre Gas-, Wasser- und Stromversorgung wieder selbst übernommen. Schließlich haben Stadtwerke wie in München oder Bochum bewiesen, dass 100-prozentige Staatsbetriebe sehr effektiv arbeiten können. Ihre Millionengewinne fließen ins Stadtsäckel und kommen damit der Allgemeinheit zugute. Dagegen haben die Privatisierungen der letzten Jahre in vielen Fällen nur die Reichen noch reicher gemacht – und Menschen mit wenig Geld noch ärmer.
Auch „Public-Private-Partnership“-Projekte, bei denen kommerzielle Firmen öffentliche Infrastruktur bauen und betreiben, sind fast immer nur für die Privatinvestoren günstig. In Geheimverträgen, die oft selbst die Abgeordneten nicht einsehen dürfen, haben sie ihre Gewinne langfristig abgesichert. Die Risiken wurden dagegen auf den Staat abgewälzt. Die krassesten Beispiele dafür sind sogenannte Cross-Border-Leasing-Verträge, denen Dutzende von Kommunen Kanalnetze und Kläranlagen, Straßenbahnen und Messehallen an US-amerikanische Investoren übertragen haben, um Haushaltslöcher zu stopfen. Schadenersatzansprüche und andere Folgekosten summieren sich inzwischen auf viele Milliarden Euro, die die öffentlichen Haushalte auf Jahrzehnte belasten werden.
Öffentliche Betriebe und Verwaltungen sind gemeinwohlorientiert – das ist ihr Zweck. Um zu beurteilen, ob sie diese Aufgabe erfüllen, kann man nicht allein ihren Gewinn zum Maßstab nehmen. So wurden bei der Rekommunalisierung von Dienstleistungen in vielen Fällen sozialversicherungspflichtige und existenzsichernde Arbeitsplätze geschaffen. Auch schwerbehinderte Menschen haben hier aufgrund der Fürsorgepflicht der öffentlichen Arbeitgeber bessere Chancen. Aufs Ganze betrachtet ist das nicht nur ein gesellschaftlicher, sondern auch ein ökonomischer Gewinn für alle: Wer selbst genug verdient, bedarf keiner öffentlichen Unterstützung.
ver.di hat die öffentlichen Dienstleistungen und den aktiven Sozialstaat zu einem Arbeitsschwerpunkt der kommenden Jahre erklärt. Schließlich liegt darin ein zentraler Hebel für eine gerechtere gesellschaftliche Entwicklung. Die Interessen der Bürgerinnen und Bürger und der arbeitenden Menschen müssen wieder stärker in den Mittelpunkt rücken. ver.di fordert eine ausreichende Personalausstattung des öffentlichen Dienstes und transparente und demokratische Strukturen in den kommunalen Betrieben – im Interesse des Gemeinwohls.
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