Nach der Konferenz der Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten (MPK) am 12. Dezember 2024 zeichnet sich ein düsteres Bild für die öffentlich-rechtlichen Medien und deren Beschäftigten ab. Zwar hat die MPK eine Auftrags- und Strukturreform und einen ab 2027 geltenden neuen Mechanismus zur Festsetzung des Rundfunkbeitrags beschlossen. Nicht verabschiedet wurde jedoch der fällige Rundfunkbeitragsstaatsvertrag, mit dem die nötige Erhöhung des Rundfunkbeitrags um monatlich 58 Cent ab 2025 auf den Weg gebracht werden sollte. Begründet wurde dies mit den existierenden Rücklagen der Anstalten – die von der zuständigen Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten bei ihrer Beitragsempfehlung jedoch bereits berücksichtigt wurde.
ARD und ZDF hatten am 19. November 2024 Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht in Sachen Rundfunkfinanzierung eingelegt. Der Hintergrund: Die zuständige Kommission KEF hatte bereits im Februar empfohlen, den monatlichen Rundfunkbeitrag um 58 Cent anzuheben. Zuvor hatte die KEF bei dem von den Anstalten beantragten Finanzbedarf starke Kürzungen vorgenommen. Allerdings hatte die Ministerpräsidentenkonferenz am 25. Oktober diesen Vorschlag nicht beschlossen und so das Verfahren zur Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks unterbrochen. Eine fristgerechte Beitragsanpassung bis Januar 2025 galt als nicht mehr möglich.
Christoph Schmitz-Dethlefsen, für Medien zuständiges Mitglied im Bundesvorstand der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di), begrüßte seinerzeit das Vorgehen von ARD und ZDF. „Für die Finanzierung der Öffentlich-Rechtlichen gibt es klare Vorschriften – und die werden von den Länderchefs derzeit missachtet", sagte er. Wenn die Politik ihre Verantwortung nicht wahrnehme, müsse das höchste Gericht entscheiden: „Dafür leben wir in einem Rechtsstaat. Dass es dazu kommen muss, ist allerdings ein Armutszeugnis.“ Die Untätigkeit der Ministerpräsident*innen bleibe nicht ohne Folgen: Die Planbarkeit für die Rundfunkanstalten leide, die Kürzungen von Personal und Programm drohten umso drastischer auszufallen als ohnehin in der derzeitigen Reform vorgesehen.“
„Für die Mitarbeitenden in den Medienhäusern ist dies ein düsterer Tag: denn unklare Finanzierung kostet Programm und damit auch Aufträge für häufig jahrzehntelang im Rundfunk Tätige. Mit der Aussicht auf Programmeinschnitte sind dies auch schlechte Nachrichten für alle Mediennutzenden.“
Nach der aktuellen Sitzung der MPK sagte Christoph Schmitz-Dethlefsen nun: „Das Gebaren der Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten in der Rundfunkpolitik ist nicht hinnehmbar. Indem sie die nötige Beitragserhöhung verwehren, brechen sie mit verfassungsrechtlich geregelten Verfahren. Die Rücklagen der Anstalten wurden von der KEF bereits berücksichtigt und die Beitragsempfehlung entsprechend abgesenkt. Das ist Realitätsverweigerung der Rundfunkpolitik. Für die Mitarbeitenden in den Medienhäusern ist dies ein düsterer Tag: denn unklare Finanzierung kostet Programm und damit auch Aufträge für häufig jahrzehntelang im Rundfunk Tätige. Mit der Aussicht auf Programmeinschnitte sind dies auch schlechte Nachrichten für alle Mediennutzenden.“
Inhaltlich schwäche die Reform die öffentlich-rechtlichen Medien insbesondere durch das weitreichende Verbot für Texte in Onlinepublikationen. Die Angebote für Mediennutzende würden so unattraktiver. Hinsichtlich des weiteren Verfahrens seien nun das Bundesverfassungsgericht und die Landtage am Zuge: „Die Länderchefs haben die Verantwortung dem Bundesverfassungsgericht und den Landtagen zugeschoben. Wie das Bundesverfassungsgericht entscheidet, bleibt abzuwarten. Derweil sind die Landtage nun aufgefordert, den Entwurf für die Auftrags- und Strukturreform zurück an die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten zu weisen und eine zustimmungsfähige Überarbeitung zu verlangen, die zeitgemäße öffentlich-rechtliche Angebote für eine pluralistische Gesellschaft sicherstellt.“
Der Deutsche Kulturrat kritisierte den „Kulturabbau im Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk“. Die Reduzierung der Rundfunksender, Hörfunk wie Fernsehen, bedeute „weniger Kulturberichterstattung, weniger Informationen über Kultur in den Regionen, weniger kultureller Diskurs, kurz noch weniger Kunst und Kultur im öffentlich-rechtlichen Rundfunk als bislang“, so der Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates, Olaf Zimmermann. „Mit dieser Entscheidung gefährden die Ministerpräsidenten und -präsidentinnen die Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, denn die Kulturberichterstattung ist einer der zentralen Gründe, warum es die ARD und das ZDF überhaupt gibt.“
Seit 2013 zahlen jeder Haushalt und jeder Betrieb eine Abgabe – nämlich den Rundfunkbeitrag – für die öffentlich-rechtlichen Sender, unabhängig davon, ob Empfangsgeräte vorhanden sind. Bis 2013 entfiel eine Rundfunkgebühr, auch GEZ-Gebühr genannt, die nur für Haushalte und Betriebe erhoben wurde, wenn es dort Empfangsgeräte gab. Mit dem Aufkommen von Smartphones kam auch der Gedanke auf, dass nicht mehr der Besitz eines „Rundfunkempfanggeräts“ für die Beitragspflicht entscheidend sein dürfe. Deshalb müssen jetzt alle zahlen, eine Befreiung von der Beitragspflicht aus sozialen Gründen ist aber nach wie vor möglich.
Die Einnahmen aus dem Rundfunkbeitrag werden an ARD, ZDF und Deutschlandradio verteilt. Im Jahr 2023 erhielten ARD, ZDF und Deutschlandradio insgesamt 8,85 Milliarden Euro. An die Landesmedienanstalten, die für die Aufsicht über den privaten Rundfunk zuständig sind, flossen 170 Millionen Euro.
Die MPK hatte sich in ihrer Sitzung in Leipzig am 25. Oktober auf eine grundlegende Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks (ÖRR) in mehreren Staatsverträgen geeinigt. Unter anderem soll der deutsch-französische Sender arte zu einer europäischen Plattform ausgebaut werden und die Angebote von 3sat „perspektivisch“ dort Eingang finden. Die Zahl der Radioprogramme soll von 70 auf 53 gesenkt werden. ARD, ZDF und Deutschlandradio sollen „digitaler, schlanker und moderner“ aufgestellt werden, wie es in einem veröffentlichten Beschluss heißt. Nur die Entscheidung über die zukünftige Beitragshöhe hatte die Konferenz vertagt.
Bereits nach dieser Sitzung hatte Schmitz-Dethlefsen kritisiert, dass die Rundfunkreform beschlossen wurde, ohne gleichzeitig auch die Finanzierung des ÖRR zu erhöhen. Damit gerate der ÖRR unter politisch motivierten Druck, sagte der Gewerkschafter. Guter Rundfunk, mit Vollangeboten in TV, Radio und Digitalangeboten und deren Weiterentwicklung für alle Bürgerinnen und Bürger brauche eine angemessene mit den Kostenentwicklungen steigende Finanzierung, so Schmitz-Dethlefsen weiter. Darüber seien sich alle Expertinnen und Experten einig.
Die Bundesländer hatten Ende September die Reformvorschläge für ARD, ZDF und Deutschlandfunk vorgelegt. Diese beinhalten starke Kürzungen. Ursprünglich war ein Paket aus fünf Staatsverträgen für die aktuelle Reform angekündigt. Änderungsentwürfe lagen zu vier Verträgen vor: zum Medienstaatsvertrag, ARD-Staatsvertrag, ZDF-Staatsvertrag und Deutschlandradio-Staatsvertrag. Ausgeklammert wurde der Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrag von der derzeitigen öffentlichen Konsultation.
Das und die bevorstehenden Kürzungen kritisieren ver.di und der DGB in einer gemeinsamen Stellungnahme zur Rundfunkreform. Die „fristgemäße Anpassung des Rundfunkbeitrags zum Jahreswechsel“ sei aufs Neue in Frage gestellt. ver.di und DGB betonen, es sei der verfassungsrechtliche Auftrag der Medienpolitik der Länder, für eine auskömmliche Finanzierung der öffentlich-rechtlichen Programme zu sorgen. Die empfohlene Beitragsanpassung zum 1. Januar 2025 müsse deshalb umgehend freigegeben werden. Sie sei die Voraussetzung für die Befassung mit den Reformvorschlägen. Reformen müssten einen zukunftsfähigen öffentlich-rechtlichen Rundfunk ermöglichen und dürften nicht einem selbst auferlegten Spardiktat folgen.
Zusätzlich hatte ein Bündnis aus Umwelt- und Wohlfahrtsverbänden sowie Gewerkschaften eine gemeinsame Erklärung zur Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks verabschiedet. In ihr wurde ebenfalls der fehlende Staatsvertrag zur Rundfunkfinanzierung kritisiert und sich gegenüber den Plänen der Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten skeptisch gezeigt. Der ver.di-Vorsitzende Frank Werneke – Mitunterzeichner der Erklärung – sagte: „Publizistische Vielfalt wird zerstört, ohne zu wissen, ob es überhaupt zu relevanten Kosteneinsparungen kommen wird. Von einer Absicht, die Öffentlich-Rechtlichen qualitativ zu stärken, ist nichts zu erkennen.“
Dem Bündnis zufolge bedroht die Reform die publizistische Eigenständigkeit wie auch die redaktionelle Gestaltungsfreiheit der Rundfunkanstalten. In der Folge reduziere sich die Angebotsvielfalt und das Programm verlöre an Nutzen und Relevanz für die Gesellschaft. Auch kritisiert das Bündnis die Sparpläne bei Informations- und Bildungsangeboten und im Angebot für junge Menschen als politisch falsches Signal.
Die Kürzungen wären ein Schlag gegen die ausgewogene Berichterstattung kritisierte auch die Kampagnenorganisation Campact in einem Aufruf zur Unterstützung von ARD und ZDF. Mehrere öffentlich-rechtliche TV-Kanäle und 20 Radioprogramme zu streichen, um Kosten zu sparen, sei ein Fehler. Die Programme unter dem Dach von ARD, ZDF und Deutschlandradio erreichten Millionen Menschen im ganzen Land. Für viele seien sie die erste Quelle für Nachrichten, Informationen und Unterhaltung. Die Bedeutung für die öffentliche Meinung sei enorm. Eine Reform von ARD und ZDF dürfe nicht zulasten der Programmvielfalt gehen. „Eine vielfältige Medienlandschaft, die unabhängig und differenziert über aktuelle Themen berichtet und unterschiedliche Meinungen wiedergibt, ist ein wirksames Mittel gegen Desinformation und Stimmungsmache.“ Über 500.000 Menschen hatten bei Campact unter: „Fakten statt Fake News: ARD und ZDF schützen!“ unterschrieben.
So viel ist sicher, je mehr Sender abgeschaltet werden, umso weniger politische Magazine, wertvolle Hintergrundberichte, Reportagen, Bildung und Dokumentation gibt es noch. Doch je weniger unabhängige Berichterstattung es gibt, desto leichter können Feinde der Demokratie ihre Ideologie verbreiten. Mit dem Schlagwort „Lügenpresse“ greifen AfD und Co schon seit langem das Image des öffentlich-rechtlichen Rundfunks an.
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