Solidarisch durch die Krise

Ein breites gesellschaftliches Bündnis, dem ver.di angehört, hat am 22. Oktober bundesweit in mehreren Städten zu Demonstrationen aufgerufen und zielgerichtete Entlastungen gefordert für dringend Unterstützungsbedürftige sowie eine Gesamtstrategie für eine nachhaltige, bezahlbare Grundversorgung sowie massive Investitionen im Bereich der erneuerbaren Energien

© Christian Jungeblodt
Energie, Mobilität, Ernährung und Wohnen sowie soziale und kulturelle Teilhabe muss für alle bezahlbar sein – dafür gehen wir auf die Straße
23.10.2022

INHALT

 

Rund 24.000 Menschen haben am 22. Oktober 2022 in sechs deutschen Großstädten unter dem Motto „Solidarisch durch die Krise – soziale Sicherheit schaffen und fossile Abhängigkeiten beenden“ demonstriert. In Berlin, Düsseldorf, Dresden, Frankfurt am Main, Hannover und Stuttgart machten die Teilnehmer*innen deutlich, dass sie in dieser Krise solidarisch an der Seite der Ukraine stehen. Von der Bundesregierung forderten sie eine solidarische Politik, die gleichzeitig die Weichen stellt, um die Abhängigkeit von fossilen Energien zu beenden. „Wie sind zusammengekommen, um die Kraft der Solidarität gegen den Versuch der Spaltung zu setzen“, sagte der ver.di-Vorsitzende Frank Werneke auf der Abschlusskundgebung vor dem Brandenburger Tor in Berlin.

Die bunten Demonstrationen waren aus Sicht des aus neun Organisationen bestehenden breiten zivilgesellschaftlichen Bündnisses ein Erfolg. „Wir senden gemeinsam mit 24.000 Menschen ein starkes Zeichen an die Bundesregierung für eine sozial gerechte und nachhaltige Politik. An ihre Adresse sagen wir: Die Probleme unserer Zeit müssen solidarisch gelöst werden. Statt Entlastungen nach dem Gießkannenprinzip, braucht es gezielte Maßnahmen für diejenigen, denen es am Nötigsten fehlt. Statt Investitionen aufzuschieben, müssen wir jetzt unabhängig von fossilen Energien werden. Die Ampel-Regierung muss unsere Gesellschaft gerecht und klimaresilient aufstellen. Die Bekämpfung der multiplen Krisen muss zusammen gedacht werden. Soziale Sicherheit, Demokratie und Natur- und Klimaschutz gehen Hand in Hand“, erklärte das Bündnis in einer gemeinsamen Erklärung.

 

 

Die Alternative darf nicht heißen: Heizen oder hungern

„Der gesellschaftliche Zusammenhalt im Land ist in Gefahr, weil die steigenden Preise viele Menschen überfordern, die Lebensmittelpreise sind um 15 Prozent gestiegen, Gas, Fernwärme, Strom noch viel stärker. Und diese Inflation hat eine harte soziale Schieflage. Alle Menschen haben ein Recht darauf, eine beheizte Wohnung im Winter und alles Notwendige zum Leben zu haben. Die Alternative darf nicht heißen: Heizen oder hungern“, mahnte der ver.di-Vorsitzende in seiner Rede.

 

„Die Demonstrationen zeigen, dass viele Menschen sich in der Krise nicht spalten lassen und sich eine sozial-ökologische Wende wünschen. Dazu gehören zielgerichtete Entlastungen für jene, die Unterstützung brauchen, eine Gesamtstrategie für eine nachhaltige, bezahlbare Grundversorgung sowie massive Investitionen in den naturverträglichen Ausbau erneuerbarer Energien. Für eine solidarische Politik muss Reichtum außerdem angemessen belastet und Vermögende zur Solidarität verpflichtet werden. Angesichts der Krisen dieser Zeit liegt die Lösung in einem starken Miteinander – für neue Zuversicht und eine sozial gerechte, ökologische und lebenswerte Zukunft“, so die Organisatoren.

 
Gegen Spaltung und Hetze!

Für solidarische Politik und Klimaschutz

In dieser Krise stehen wir solidarisch an der Seite der Ukraine. Doch wir brauchen jetzt eine solidarische Politik auch bei uns, die gleichzeitig die Weichen stellt, um die Abhängigkeit von fossilen Energien zu beenden. Bisher wird in der Ampel ein konsequenter, solidarischer Wandel blockiert. Das wollen wir ändern.

 

Im gemeinsamen Aufruf des Bündnisses von Campact, ver.di, BUND, dem Paritätischen Gesamtverband, der Bürgerbewegung Finanzwende, attac, Greenpeace, der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) und dem Bundesverband Volkssolidarität heißt es unter anderem: „In diesem Herbst treffen uns die Folgen von Putins Angriffskrieg mit voller Wucht: Viele von uns wissen nicht, wie sie Gas- und Stromrechnung bezahlen sollen. Etliche haben sogar Angst, ihre Wohnung zu verlieren und vom gesellschaftlichen Leben weiter ausgeschlossen zu werden – weil alles teurer wird, Löhne und Transferleistungen reichen nicht mehr aus. In dieser Krise stehen wir solidarisch an der Seite der Ukraine. Doch wir brauchen jetzt eine solidarische Politik auch bei uns, die gleichzeitig die Weichen stellt, um die Abhängigkeit von fossilen Energien zu beenden.“


Es braucht eine grundlegende Wende in der Finanz- und Haushaltspolitik

Das Bündnis, das auch unter dem Hashtag #SolidarischerHerbst in den Sozialen Medien zu den Demonstrationen aufgerufen hat, fordert neben zielgerichteten Entlastungen für dringend Unterstützungsbedürftige eine Gesamtstrategie für eine nachhaltige, bezahlbare Grundversorgung sowie massive Investitionen im Bereich der erneuerbaren Energien und Energieeinsparungen. Für die Finanzierung, so das Bündnis weiter, brauche es eine grundlegende Wende in der Finanz- und Haushaltspolitik, die neben der Abschöpfung von Übergewinnen und der Besteuerung von großen Vermögen auch das Aussetzen der Schuldenbremse und den Abbau klimaschädlicher Subventionen beinhaltet.

Der ver.di-Vorsitzende Frank Werneke betont: „Jetzt muss dafür gesorgt werden, dass die entscheidenden Maßnahmen – ein wirksamer Strom- und ein Gaspreisdeckel – und weitere Direkthilfen für Menschen mit niedrigen bis mittleren Einkommen unmittelbar und sofort umgesetzt werden, damit viele Menschen in wenigen Wochen nicht in einer finanziellen Katastrophe landen. Dafür wollen wir uns im Bündnis stark machen.”

 

Die Forderungen auf einen Blick

● Zielgerichtete Entlastungen für jene, die Unterstützung dringend brauchen: einen Mietenstopp, ein höheres Bürgergeld, eine 500-Euro-Brutto-Soforthilfe, eine bezahlbare Nachfolge für das 9-Euro-Ticket und einen Schutzschirm für die Daseinsvorsorge – von Stadtwerken und Schulen bis zu Krankenhäusern und sozialen Einrichtungen.

● Eine Gesamtstrategie für eine nachhaltige, bezahlbare Grundversorgung: Energie, Mobilität, Ernährung und Wohnen sowie soziale und kulturelle Teilhabe muss für alle bezahlbar sein.

● Massive Investitionen, um uns für die Zukunft krisenfest zu machen: einen Schub für den naturverträglichen Ausbau Erneuerbarer Energien, dauerhafte Energieeinsparungen und Gebäudesanierung, groß angelegter Ausbau klimafreundlicher Infrastruktur wie dem öffentlichen Nahverkehr und die Förderung der Ökologisierung der Landwirtschaft.


„Für Millionen Menschen braucht es in dieser Krise verlässliche Entlastungen, Unterstützung und soziale Sicherheit, um nicht auf der Strecke zu bleiben“, heißt es im Aufruf. Gleichzeitig drohten die langfristigen Klima- und Umweltkrisen ins Hintertreffen zu geraten. „Wir können es uns nicht leisten, Investitionen aufzuschieben, die uns endlich unabhängig machen von fossilen Energien und unsere bedrohten Lebensgrundlagen schützen – vom Klima bis zur Artenvielfalt. Die Regierung darf Soziales und Ökologisches nicht gegeneinander ausspielen. Sie muss beides anpacken, damit wir alle sicher durch diese Krise kommen.“ Auch hier ist Solidarität gefordert.


Damit aus der Krise ein Aufbruch erwächst

„Wir überlassen in diesem Herbst nicht den Spaltern und Hetzern die Straße, sondern geben den vielen Menschen eine Stimme, die solidarisch die Krise stemmen wollen. Damit unsere Gesellschaft nicht weiter auseinanderdriftet, muss die Ampel die Kosten der Krise endlich fair verteilen. Wir wollen uns dafür stark machen, dass aus der Krise ein Aufbruch erwächst“, so Christoph Bautz, Geschäftsführender Vorstand von Campact und ebenfalls Bündnispartner. 

Ob es in diesem Winter gelinge, die Gesellschaft vor dem Auseinanderbrechen zu bewahren und gleichzeitig die klimapolitischen Weichen zu stellen – das hänge entscheidend davon ab, wie viel Solidarität die Ampel einzufordern bereit sei. Da ist sich das Bündnis einig: Die Regierung „hat es in der Hand, wie dieser Winter wird: Einer der Verzweiflung und Wut. Oder einer mit neuer Zuversicht für eine sozial gerechtere, ökologische und lebenswerte Zukunft.

 
Die wichtigsten Infos

Wo demonstriert wurde

Berlin

6.000 Teilnehmer*innen

Redner*innen: 

12 Uhr: Auftakt Invalidenpark
Gerhard Schick (Finanzwende)
Martina Regulin (GEW) 
Valeria Izhyk, Senior Energy Expert (Ecoaction, Umweltorganisation aus der Ukraine)
Krankenhaus-Bewegung und Berliner Stadtreinigung, N.N. 
Christoph Bautz (Campact)

14 Uhr: Abschluss-Kundgebung Platz des 18. März / Brandenburger Tor
Musik zum Auftakt keboo
Ulrich Schneider (Der Paritätische) 
Olaf Bandt (BUND)
Musik Enno Bunger
Frank Werneke (ver.di) 
Clara Duvigneau (Fridays For Future)
Musik Milliarden

 

Dresden

2.000 Teilnehmer*innen

Redner*innen: 

12 Uhr: Kundgebung am Goldenen Reiter
Sylvia Bühler (ver.di)
Martin Ahlfeld (BUND)
Sebastian Wegner (Volkssolidarität)
Norbert Winter (IG BCE)
Simone Zimmermann (Der Paritätische)
Aktionsbündnis Herz statt Hetze
Lea Lenz (Campact)

 

Düsseldorf

5.000 Teilnehmer*innen

Redner*innen: 

13.15Uhr: Kundgebung am Landtag NRW
Andrea Kocsis (verdi)
Dialog mit Betroffenen
Paritätischer 
attac 
Marissa Reiserer (Greenpeace e.V.)

 

Frankfurt 

5.000 Teilnehmer*innen

Redner*innen:

Michael Rudolph (DGB)
Dr. Yasmin Alinaghi (Der Paritätische)
Carmen Junge und Viola Rüdele (Attac)
Mirkan Dogan (Jugendbündnis)
Werner Neumann (BUND)
Johannes zu Eltz (Stadtdekan)

14 Uhr: Abschlusskundgebung Roßmarkt
Gert Reeh (Mieterbund)
Nora Engels (Ebbe-Langt’s Bündnis)
Cagla Tari (DIDF)

 

Hannover

2.000 Teilnehmer*innen

Redner*innen: 

Susanne Gerstner (BUND)
Kerstin Tack (Der Paritätische)
Detlef Ahting (ver.di)
Landesarmutskonferenz
Students for Future
Gewerkschaftsjugend

 

Stuttgart

4.000 Teilnehmer*innen

Redner*innen:

Musik No Sports
Sylvia Pilarsky-Grosch (BUND)
Kai Burmeister (DGB)
Nathalie Wollmann (Der Paritätische)
Dialog mit Betroffenen 
Lusie Trippler (BUNDJugend)
Miquel Revilla (Vertrauenskörper Daimler Untertürkheim)

Weitere Informationen zu den Demonstrationen, die fortlaufend ergänzt werden, sind unter www.solidarischer-herbst.de abrufbar.

 

Warum es wichtig ist, zu demonstrieren – der Spot