ver.di-Studie: Digitalisierung birgt hohe Belastung

Die Digitalisierung hat die Arbeitswelt in den letzten Jahren grundlegend verändert. Die Corona-Pandemie hat diesen Prozess zusätzlich beschleunigt, und viele Beschäftigte im Dienstleistungssektor kämpfen nun mit den technischen Anforderungen und digitalen Mitteln.
11.09.2023
Die Digitalisierung macht vor kaum einer Branche halt.

Die Arbeitswelt verändert sich teils rasant, es gibt kaum noch Branchen, in denen Automatisierung, Digitalisierung und/oder Künstliche Intelligenz noch so gut wie keine Rolle spielen. Doch wie wirkt sich dieser Wandel auf die Arbeitsbedingungen aus? Eine neue Studie im Auftrag von ver.di hat die Auswirkungen des digitalen Wandels auf die Arbeitsbedingungen untersucht und alarmierende Ergebnisse zutage gefördert. Die Studie basiert auf einer Sonderauswertung der bundesweiten Repräsentativumfrage mit dem DGB-Index Gute Arbeit 2022.

Insgesamt arbeiten mittlerweile 68 Prozent der Beschäftigten im Dienstleistungssektor in sehr hohem oder hohem Maß mit digitalen Mitteln. Der zentrale Befund der Studie ist, dass die Digitalisierung zu steigenden Belastungen und Arbeitshetze führt. Besonders auffällig ist der Anstieg der psychischen Belastungen. 

Fehlender Einfluss 

Ein alarmierendes Ergebnis ist auch, dass 76 Prozent der digital Arbeitenden keinen oder kaum Einfluss auf den Einsatz der digitalen Technik an ihrem Arbeitsplatz haben. Das bedeutet, dass die meisten Beschäftigten nicht mitbestimmen können, wie die Technologie in ihren Arbeitsprozessen eingesetzt wird. Und das, obwohl fast die Hälfte der Befragten empfinden, dass ihr Arbeitstempo immer stärker von der digitalen Technik bestimmt wird. Viele fühlen sich auch deshalb dieser Technik ausgeliefert.

Die Umfrageergebnisse zeigen auch, dass die Arbeitsbelastung durch die Digitalisierung zugenommen hat. 48 Prozent der digital Arbeitenden geben an, dass die zu bewältigende Arbeitsmenge aufgrund der Digitalisierung größer geworden ist. Dies steht im starken Kontrast zu den nur 6 Prozent, die angeben, dass die Arbeitsmenge kleiner geworden ist. Dies zeige sich auch in Form von Multitasking und wachsenden Anforderungen. 46 Prozent der Befragten berichten, dass sie digitalisierungsbedingt mehrere Aufgaben gleichzeitig bearbeiten müssen. Dies stellt eine enorme Herausforderung dar und erhöht den Stresslevel der Beschäftigten.

Kontrolle und Überwachung

Ein weiterer besorgniserregender Aspekt ist die zunehmende Kontrolle und Überwachung der Arbeitsleistung durch die digitale Technik. 35 Prozent der Befragten gaben an, dass sie einen Zuwachs an Kontrolle und Überwachung erleben, während nur 6 Prozent eine Abnahme dieser Faktoren feststellten. Hinzu kommt eine erhöhte Belastung durch Videokonferenzen, die während der Pandemie stark an Bedeutung gewonnen haben. Das gaben 34 Prozent der Befragten an, während nur 12 Prozent eine Verringerung feststellten.

„Die Ergebnisse der Umfrage stellen den Arbeitgebern ein verheerendes Zeugnis aus“, findet Christoph Schmitz, Mitglied im ver.di-Bundesvorstand. Schmitz betonte die Notwendigkeit einer verbesserten Nutzung digitaler Werkzeuge, um die Arbeitsbedingungen menschlicher zu gestalten.

 

Dabei ist der Schutz der Beschäftigten vor Mehrbelastungen nur die Mindestanforderung – es muss um viel mehr gehen.

Christoph Schmitz, Mitglied im ver.di-Bundesvorstand

Dies erfordere auch politische Maßnahmen wie eine Stärkung des Arbeitsschutzes, eine erweiterte Beteiligung der Interessenvertretungen und die Wahrung der Tarifautonomie. Er bemängelt auch, dass viele Arbeitgeber das Problem anscheinend noch nicht einmal erkannt hätten. „Dabei ist der Schutz der Beschäftigten vor Mehrbelastungen nur die Mindestanforderung – es muss um viel mehr gehen: digitale Mittel so einzusetzen, dass sie einen Beitrag zur Humanisierung der Arbeit leisten.“ Zudem hob er hervor, dass die Gewerkschaften in ihren etablierten Bereichen, nämlich in der betrieblichen und tariflichen Politik, gefordert seien. Hier sei es wichtig, an bisherigen Erfolgen anzuknüpfen. „Auch im Umgang mit der digitalen Herausforderung ist die wichtigste Machtressource der Beschäftigten und damit auch der Gewerkschaften ihre Fähigkeit zur kollektiven Aktion, wie sie sich in den jüngsten Tarifrunden eindrucksvoll gezeigt hat.“