Keine schrittweise Angleichung der Entgelte an die regionalen Flächentarifverträge, keine Standort- und Beschäftigungssicherung, keine Flächenvergütung bei betriebsbedingten Kündigungen rückwirkend für 12 Monate – was die neue Geschäftsführung von Galeria am 18. September gefordert hat, gleicht einem Frontalangriff auf die tariflichen Grundpositionen, die sich die Galeria-Beschäftigten hart erstritten haben in den zurückliegenden Jahren.
Nachdem die Galeria-Geschäftsführung zunächst angekündigt hatte, alle Tarifverträge in der aktuellen Fassung erhalten zu wollen, entpuppte sich die Ankündigung als ein mieses Angebot. Obwohl der Integrationstarifvertrag (ITV), mit dem vieles an sozialer Absicherung geregelt ist, verbindlich nachwirkt, will die Arbeitgeberseite stattdessen eine völlig andere Richtung einschlagen. Mit ver.di und den Beschäftigten ist das nicht zu machen. Wie schon das vermeintliche Zukunftskonzept aus dem Sommer wiesen die Beschäftigten jetzt auch die ungeheuerlichen Forderungen seitens Galeria entschieden zurück.
Der Unternehmensleitung ist eine sichere Zukunft der Beschäftigten offenbar völlig egal. Geht es nach ihr, soll ein Warenhaus-Tarifvertrag die Entgelte auf einem Niveau von minus 25 Prozent unterhalb der regionalen Flächentarifverträge festschreiben – für immer und ohne jede Perspektive, diese Lücke irgendwann schließen zu wollen. Die jährliche Differenz, die den Kolleginnen und Kollegen so dauerhaft zugemutet werden soll, beträgt bald 8.000 Euro und wird sich auf Dauer weiter vergrößern.
Zuletzt hatte die Bundestarifkommission am 17. Juli 2024 den Vorschlag der Geschäftsleitung zur Zukunft von Galeria entschieden abgelehnt.
Auch das neue Angebot der Arbeitgeber würde die bestehende Gehaltsdifferenz zum Flächentarifvertrag nur vergrößern. Bisher verdienen die Galeria-Beschäftigten durchschnittlich 5.500 Euro weniger im Jahr.
Marcel Schäuble, Landesfachbereichsleiter Handel bei ver.di Hessen, der auch für die Tarifverhandlungen bei Galeria zuständig ist, äußerte großes Unverständnis gegenüber den Plänen der neuen Eigentümer: „Was uns in der ersten Verhandlung von den Arbeitgebern vorgelegt wurde, ist skandalös und ein Affront gegen die Beschäftigten, die hart für die Zukunft ihres Unternehmens arbeiten.“
Die Geschäftsleitung entferne sich mit ihrer Idee von einem „neuen Warenhaustarifvertrag“ sehr weit weg von den Regelungen des Integrationstarifvertrags von 2019, mit dem Galeria schon einmal eine Insolvenz überstanden hatte. Ihr sogenanntes Zukunftskonzept sei ein Griff in die Geldbeutel unserer Kolleginnen und Kollegen bei Galeria, so Schäuble weiter.
Die insgesamt 12.000 verbliebenen Beschäftigten kämpfen seit Jahren um ihre Zukunft und haben immer wieder Opfer bringen müssen, um den Konzern zu retten. Derzeit liegen die Einkommen in der Entgeltgruppe der Verkäufer*in monatlich um fast 500 Euro niedriger als beim Flächentarifvertrag. Viele Beschäftigte haben schon jetzt kein frei verfügbares Einkommen mehr und kehren dem Unternehmen wegen Perspektivlosigkeit den Rücken.
Am 7. Juni hatte Insolvenzverwalter Stefan Denkhaus bekannt gegeben, dass Ende August insgesamt neun und nicht 16 Filialen geschlossen werden. Weitere 600 Mitarbeiter*innen behalten damit ihren Arbeitsplatz im Warenhausunternehmen, das demnächst einem Konsortium gehören wird. Nach derzeitigem Stand werden zum 31. August 2024 die Filialen in Berlin (Ringcenter), Berlin-Tempelhof, Essen, Wesel, Augsburg, Regensburg (Neupfarrplatz), Trier (Fleischstraße), Leonberg und Chemnitz geschlossen. Nicht geschlossen werden die Häuser in Berlin-Spandau, Köln (Breite Straße), Mainz, Mannheim, Oldenburg, Potsdam und Würzburg. Wie das gesamte Unternehmen wurde auch sein Name geschrumpft: Nun heißt die Kette nur noch „Galeria“.
Der erste Verhandlungstag mit der neuen Geschäftsführung sollte dort fortsetzen, wo die Unternehmensleitung und die Bundestarifkommission im November letzten Jahres aufgehört hatten. Damals hatten sich ver.di und die Geschäftsleitung auf eine Sonderzahlung als Inflationsausgleichsprämie geeinigt, um die harte Arbeit der Galeria-Beschäftigten, besonders während des stressigen Weihnachtsgeschäfts, zu honorieren. Obwohl die Zukunftspläne zunächst Erfolg versprachen, geriet Galeria durch die Insolvenz des Eigentümers Signa Ende November 2023 erneut ins Wanken, da zugesicherte Investitionen ausblieben.
Wiedersehen soll sprichwörtlich Freude machen. Ob das tatsächlich für einen Großteil der verbleibenden rund 12.000 Galeria-Beschäftigten der Fall sein wird, ist mit der neuerlichen Übernahme von Galeria Karstadt Kaufhof durch die bekannten Investoren nicht ausgemacht. Die US-Investmentgesellschaft NRDC Equity Partners und der Unternehmer Bernd Beetz sind die neuen Eigentümer der Warenhauskette. Beide kennen viele Beschäftigte bereits aus früheren Beteiligungen.
NRDC gehört dem Unternehmer Richard Baker. Der 58-Jährige hat auch die Mehrheit an den Warenhausunternehmen Hudson's Bay Company (HBC) und Saks Fifth Avenue. Über HBC war Baker bereits zwischen 2015 und 2019 Eigentümer von Galeria Kaufhof, bevor die Warenhauskette an die Signa-Gruppe von René Benko verkauft wurde und mit Karstadt fusionierte. Die Ex-Kaufhof-Beschäftigten haben die Jahre mit Baker nicht in guter Erinnerung. Viel wurde seinerzeit versprochen, kaum etwas gehalten. Auch der aktuelle Galeria-Chef Olivier Van den Bossche war damals schon Geschäftsführer von Kaufhof.
Bernd Beetz, der zweite Käufer, ist Präsident des Fußball-Drittligisten SV Waldhof Mannheim. Zuvor war er Chef des Kosmetikunternehmens Coty sowie von 2018 bis 2019 Aufsichtsratsvorsitzender von Kaufhof. Auch er zählt somit zu den bekannten Gesichtern, die das Warenhaus nicht gerettet, sondern weiter runtergewirtschaftet und schließlich verkauft haben.
ver.di-Frau Silke Zimmer begrüßte zunächst nach Bekanntgabe der Galeria-Käufer, dass offensichtlich finanzstarke Investoren gefunden wurden, die Galeria als Ganzes erhalten wollen und über Kompetenz im Einzelhandel verfügen. Dennoch betonte die Gewerkschafterin bereits nach Bekanntgabe der Übernahme, dass die Erfahrungen mit beiden Investoren in der Vergangenheit „zwiespältig waren“.
Nachdem es bei Galeria zuletzt sogar ein paar Lichtblicke gab – am 3. November 2023 hatte ver.di eine Tarifeinigung über Sonderzahlungen in Höhe von 500 Euro für die Beschäftigten durchsetzen können und auch das Weihnachtsgeschäft lief gut – ist nun wieder vieles ungewiss.
ver.di sieht für Galeria mit einem stationär-digitalen Warenhauskonzept eine gute Zukunft. „Warenhäuser sind das Herz vieler Innenstädte. Sie bieten Kundinnen und Kunden Waren und gute Beratung in einer Breite und Tiefe an, die sie sonst nirgendwo so erhalten. Dafür stehen vor allem die Galeria Beschäftigten. Sie sind das Gesicht des Warenhauses“, ist Silke Zimmer überzeugt. Wünschenswert aus Sicht von ver.di wäre ein strategischer Investor, der Handelskompetenz hat. Ob die beiden alten Investoren es nun beim zweiten Mal besser machen, es muss sich zeigen.
Tarifverhandlungen: Beschäftigte verdienen Respekt
Eine Neuaufstellung bei Galeria geht nur mit qualifiziertem und zufriedenen Beschäftigten, die die Prozesse hin zu einem modernen digital-stationären Warenhaus mitgestalten. Fachkräfte aber lassen sich nur mit guten Bedingungen halten. Klar sei: Das Unternehmen müsse endlich Konzepte entwickeln, die es zukunftsfähig im Handel aufstellt. Mit mehr Personal könne der Umsatz auch besser abgeschöpft werden. „Momentan legen die Kunden ihre Ware wieder zurück, weil die Kassenschlange zu lang ist und die Ware nicht in den Laden gebracht werden kann – aus Personalmangel“, so Silke Zimmer. Damit grabe sich Galeria selbst das Wasser ab, weil immer mehr Beschäftigte und in der Folge auch Kundinnen und Kunden abwanderten.
ver.di will für die Menschen bei Galeria, dass das Unternehmen Schritt für Schritt wieder in den Flächentarifvertrag zurückkehrt.