Zukunftsmodell statt Kaputtsparen

Im Insolvenzverfahren für Galeria Karstadt Kaufhof standen zunächst 52 Filialen auf der Schließliste. Rund 5.000 Beschäftigte wären betroffen gewesen. Inzwischen konnten rund zehn Filialen gerettet werden. Aber auch den bleibenden Beschäftigten drohen Einschnitte: Das Galeria-Management will Niedriglöhne und flexible Arbeitszeiten durchsetzen. Auch nach sieben Verhandlungsrunden ist Galeria nicht bereit, den Beschäftigten entgegenzukommen
26.07.2023
Beschäftigte des Warenhauskonzerns Galeria Karstadt Kaufhof demonstrieren vor dem Verhandlungsort der Gläubigerversammlung

Tarifverhandlungen: Beschäftigte verdienen Respekt

Eine Neuaufstellung bei Galeria Karstadt Kaufhof (GKK) geht nur mit qualifiziertem und zufriedenen Beschäftigten, die die Prozesse hin zu einem modernen digital-stationären Warenhaus mitgestalten. Fachkräfte aber lassen sich nur mit guten Bedingungen halten. Diesen Weg droht sich das Galeria-Management zu verbauen. Auch in der siebten Verhandlungsrunde am 26. Juli hat Galeria keine verbindlichen Einkommensentwicklungen für die Beschäftigten in Aussicht gestellt. Das Angebot, das gemacht wurde, sei völlig inakzeptabel, sagte ver.di-Verhandlungsführer Marcel Schäuble im Anschluss an die Verhandlung. „Keine verbindlichen Entgeltanpassungen in den nächsten Jahren – das bedeutet, dass sich die finanzielle Lage der Beschäftigten nochmal dramatisch verschärfen wird“, so Schäuble. Und das vor allem deshalb, weil die Beschäftigten in den zurückliegenden Jahren immer wieder zur Rettung ihrer Kaufhäuser auch Gehaltsanteile verzichtet haben. Inzwischen frisst die Inflation ihre Einkommen. 

Derzeit „liegen die Einkommen in der Entgeltgruppe der Verkäufer*in monatlich um fast 500 Euro niedriger als beim Flächentarifvertrag“, so Schäuble. Viele Beschäftigte hätten schon jetzt kein frei verfügbares Einkommen mehr und kehrten dem Unternehmen wegen Perspektivlosigkeit den Rücken, da sie bei Wettbewerbern zu besseren Konditionen eine Anstellung finden. Klar sei: Die Beschäftigten würden durch weiteren Gehaltsverzicht GKK nicht retten können. „Wenn das das einzige Konzept für Kostenersparnis ist, hat GKK ein falsches Konzept“, sagt der Gewerkschafter. Das Unternehmen müsse endlich Konzepte entwickeln, die es zukunftsfähig im Handel aufstellt. Mit mehr Personal könne der Umsatz auch besser abgeschöpft werden. „Momentan legen die Kunden ihre Ware wieder zurück, weil die Kassenschlange zu lang ist und die Ware nicht in den Laden gebracht werden kann – aus Personalmangel.“ Damit grabe sich Galeria selbst das Wasser ab, weil immer mehr Beschäftigte und in der Folge auch Kundinnen und Kunden abwanderten.

 

„Jetzt ist die Insolvenz vorbei, die Sanierung durch Schließungen in vollem Gange, und die verbliebenen Beschäftigten wollen endlich einen fairen Lohn, von dem sie leben können.“

Marcel Schäuble, ver.di-Verhandlungsführer

ver.di und die GKK-Bundestarifkommission erwarten jetzt in der achten Runde ein verhandlungsfähiges Angebot. Die Beschäftigten verdienten Respekt, auch bei der Bezahlung. Nach Ende des Insolvenzverfahrens Anfang Juni sei jetzt der Zeitpunkt, über verbindliche Anpassungen zu sprechen und die Beschäftigten in der anhaltenden Krise zu entlasten.

ver.di will für die Menschen bei Galeria, dass das Unternehmen nach dem Insolvenzverfahren Schritt für Schritt wieder in den Flächentarifvertrag zurückkehrt. Die Galeria-Leitung will dagegen mindestens bis Ende 2027 beim abgesenkten Tarifvertrag bleiben und ist derzeit nur bereit, eine steuerfreie Sonderzahlung von 300 Euro als Inflationsausgleich zu zahlen. 300 Euro aber seien angesichts der Inflation und Preissteigerungen „reiner Hohn“. Schließlich verzichteten die Beschäftigten seit längerem jährlich auf rund 5.500 Euro pro Vollzeitbeschäftigtem, um den Konzern zu retten. „Jetzt ist die Insolvenz vorbei, die Sanierung durch Schließungen in vollem Gange, und die verbliebenen Beschäftigten wollen endlich einen fairen Lohn, von dem sie leben können“, so Schäuble.

 

 

Schrumpflöhne bei geschrumpfter Warenhauskette?

Das Insolvenzverfahren für Galeria Karstadt Kaufhof (GKK) ist am 31. Mai 2023 zu Ende gegangen. Das hat das Amtsgericht Essen beschlossen, nachdem die Bestätigung des Insolvenzplans rechtskräftig geworden ist. Die Gläubiger verzichteten auf ihrer Versammlung im März auf einen Großteil ihres Geldes. Der Sanierungsplan sieht die Schließung von Filialen vor. Seither fürchten viele Beschäftigte um ihre Arbeitsplätze. ver.di kämpft um den Erhalt jeder einzelnen Filiale. Zuletzt war bekannt geworden, dass die Filialen in Regensburg am Neupfarrplatz, in Dortmund und Bremen doch weitergeführt werden – Einigungen mit den Vermietern der von den Kaufhäusern genutzten Immobilien machten es möglich. Trotzdem fürchten noch viele der Beschäftigten um ihre Arbeitsplätze und auch für die, die bleiben werden, hat das Management nichts Gutes im Sinn.

Was bisher geschah

Ende März hatte die Galeria-Geschäftsführung Eckpunkte für einen Haustarifvertragpräsentiert. Danach sollen die aktuellen Löhne und Gehälter drei Jahre lang nicht erhöht werden, lediglich neue variable Entgeltbestandteile, die von den Umsätzen abhängen, könnten das Einkommen geringfügig erhöhen. Darüber hinaus möchte die Geschäftsführung nach überstandener Insolvenz eine Entgeltstruktur einführen, die nach Beschäftigtengruppen und Berufserfahrung unterscheidet.

 

„Die Bundestarifkommission bewertet die Pläne des Arbeitgebers als respektlos und unverschämt.“

ver.di-Verhandlungsführer Marcel Schäuble

Auch bei den Themen Arbeitszeit, Urlaub, Probezeit und Kündigungsfristen möchte das Management den Mitarbeiter*innen eine Menge zumuten: So soll die Jahresarbeitszeit komplett flexibel auf die Wochen umgelegt werden, so dass bei gutem Geschäftsbetrieb mehr, während einer Flaute weniger gearbeitet würde. Urlaub, Probezeit und Kündigungsfristen sollen nach den Arbeitgebervorstellungen unterschieden werden nach Voll- und Teilzeitbeschäftigten, Aushilfen, Auszubildenden und Werksstudierenden. Und nicht zuletzt sollen auch noch sachgrundlos befristete Arbeitsverträge per tariflicher Regelung verlängert werden können.

Bei allen diesen Zumutungen war die dritte Tarifrunde im März schnell beendet. „Die Bundestarifkommission bewertet die Pläne des Arbeitgebers als respektlos und unverschämt“, so Marcel Schäuble. Auch die vierte Verhandlungsrunde ging deshalb ergebnislos und erneut ohne ein verhandlungsfähiges Angebot der Arbeitgeberseite zu Ende. „Wir haben den Arbeitgebern sehr deutlich gemacht, dass wir sie zu ernsthaften Verhandlungen mit uns auffordern. Konkret haben wir der Arbeitgeberseite eine klare Absage erteilt für einen Warenhaustarifvertrag mit dauerhaft abgesenkten Entgelten. Sie signalisieren, dass sie verstanden haben. Aber wir sagen auch: Wir lassen in unseren Forderungen nicht nach. Wir erwarten jetzt ein klares Entgegenkommen und ein verhandlungsfähiges Angebot in der nächsten Runde“, so Schäuble. Für die Fehlentwicklungen bei Galeria, die zu zwei Insolvenzen innerhalb von zweieinhalb Jahren geführt hätten, seien Fehler des Managements verantwortlich. Doch nun sollten die Beschäftigten einmal mehr für diese Fehlplanungen bezahlen.

Statt Transfergesellschaft Betriebsübergang

Bevor die GKK-Chefs diese höchst unerfreulichen Vorstellungen präsentierten, hatten sie auch noch ein paar wichtige Informationen über die weiteren Abläufe nach Zustimmung der Gläubigerversammlung zum Sanierungsplan gegeben. So soll allen von Kündigung betroffenen Galeria-Kolleg*innen die Möglichkeit angeboten werden, in eine Transfergesellschaft zu wechseln, wo sie ein Jahr lang analog zu den Flächentarifverträgen bezahlt werden. Da für einige Filialen inzwischen eine Übernahme durch die Textilkette „Aachener“ feststeht, möchte ver.di für die dort Beschäftigten einen Betriebsübergang nach Paragraf 613 a des Bürgerlichen Gesetzbuches durchsetzen und außerdem eine Sozialplanpflicht für den übernehmenden Betrieb. Das GKK-Management sicherte zu, das in entsprechende Gespräche einzubringen. Außerdem könnten noch weitere Warenhausfilialen weiterbetrieben werden. Derzeit umfasst die Schließliste 47 Häuser. Welche konkreten Warenhäuser eventuell unter anderer Regie fortgeführt werden, wurde nicht gesagt. Eine Entscheidung soll aber bald folgen.                          

Mehr Druck durch Warnstreiks

Um mehr Druck in die festgefahrenen Tarifverhandlungen zu bringen ruft ver.di seit Ostern Beschäftigte von Galeria Karstadt Kaufhof (GKK) in verschiedenen Bundesländern zu regionalen Warnstreiks auf. Allein Ostersamstag folgten bundesweit rund 1.000 Beschäftigte dem Aufruf. Unter anderem wurde in den fünf GKK-Häusern in Hamburg die Arbeit niedergelegt, am Mittag trafen sich die Streikenden zu einer Kundgebung vor Galeria in Hamburg-Harburg. „Die Wut und Enttäuschung der Kolleg*innen sind sehr groß. Dass die Arbeitgeber jetzt erneut Lohnverzicht fordern, bringt die Menschen von Galeria auf die Straße“, sagte die stellvertretende Leiterin des ver.di-Landesbezirks Hamburg, Heike Lattekamp. 

Das Management hatte bei den letzten Tarifgesprächen eine Rückkehr zum Flächentarifvertrag kategorisch ausgeschlossen und eine Flexibilisierung der Arbeitszeiten gefordert. Die Antwort auf diese „unverschämten Pläne“, so Lattekamp, seien Warnstreiks.

Am Mittwoch nach Ostern ruhte die Arbeit wegen der Warnstreiks in Filialen in Bayern, Berlin, Hessen, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz. „Es geht um die Zukunft der Menschen bei Galeria“, sagte das für den Handel zuständige ver.di-Vorstandsmitglied Steffi Nutzenberger, „und Zukunft heißt, dass sie sichere Arbeitsplätze zu guten tariflich abgesicherten Bedingungen haben." Zudem kämpft ver.di weiter gemeinsam mit den Kolleg*innen um den Erhalt der von Schließung bedrohten Häuser.

 

„Wir kämpfen für unsere Jobs bei Galeria!“ – das Video

 

 

Update 1. Februar 2023 +++++++++++++++

Heute wurde das Insolvenzverfahren in Eigenregie für Galeria Karstadt Kaufhof (GKK) eröffnet. Die erhoffte Klarheit über die Zukunft bekommen die Beschäftigten damit vorerst noch nicht. In einer Mitteilung der Geschäftsführung an die Mitarbeiter*innen heißt es, man wolle frühestens im März Details zu geplanten Filialschließungen nennen.

Das für den Handel zuständige ver.di-Bundesvorstandsmitglied Stefanie Nutzenberger kündigte an, ver.di werde um jeden Arbeitsplatz und um den Erhalt von Galerie-Standorten kämpfen: „Es geht um zigtausende Arbeitsplätze und damit um die Menschen bei Galeria, und es geht zugleich um die Zukunft der Innenstädte und den Kampf gegen deren Verödung." Dafür seien die Warenhäuser elementar.

„Notwendig sind nun ein tragfähiges Zukunftskonzept und entsprechende Investitionen. Es kommt jetzt also vor allem darauf an, dass auch der Investor selbst, René Benko, Verantwortung übernimmt für die Zukunft der Warenhäuser, für die Zukunft der Arbeitsplätze und damit für die Menschen bei Galeria", forderte sie. Gemeinsam mit den Beschäftigten kämpfe ver.di für ein tragfähiges Zukunftskonzept eines digital-stationären Warenhauses und um die Arbeitsplätze der Zukunft. „Denn kompetente Beschäftigte – und das sind die Beschäftigten bei Galeria – die müssen dringend gehalten und entsprechend bezahlt werden, um ein digital-stationäres Warenhaus mit gutem Service und guter Beratung zum Leben zu erwecken", so Nutzenberger. Wichtig dafür werde sein, ob René Benko genug Investitionen in die Realisierung eines digital-stationären Warenhauses stecke, damit Galeria mit seinen Beschäftigten eine gute Zukunft bekommt.

Update 10. Januar 2023 ++++++++++++++

ver.di ruft zur Unterstützung der Beschäftigten bei Galeria Karstadt Kaufhof (GKK) auf, die sich im laufenden Insolvenzverfahren große Sorgen um ihre Zukunft machen. Per Unterschrift sollen möglichst viele Menschen ihre Solidarität mit ihnen dokumentieren, wie der ver.di-Vorsitzende Frank Werneke und das ver.di-Vorstandsmitglied für den Handel, Stefanie Nutzenberger, in einem gemeinsamen Aufruf schreiben.

 
Vorstand der Signa-Holding beantragt zum zweiten Mal Schutzschirmverfahren

Darin verweisen sie auch auf die eigentlichen Ursachen für das neuerliche Insolvenzverfahren bei GKK, fehlende Investitionen und Innovationen bei den noch 131 Warenhäusern der Kette. Die vom Management angedrohten Filialschließungen wären aus ver.di-Sicht eine Kapitulation, „deren Folgen einmal mehr die Beschäftigten bei Galeria ausbaden sollen“. Die aber hätten in der Vergangenheit immer wieder Einkommensverluste hingenommen, um das Unternehmen zu retten. Nun sei der GKK-Eigentümer gefragt, der österreichische Immobilieninvestor René Benko, die nötigen Investitionen zu tätigen.

Sollten weitere Warenhäuser aus den Innenstädten verschwinden, seien zudem weitere kleine und mittlere Geschäfte von Schließung bedroht, da Karstadt oder Kaufhof eine wichtige Funktion in den Einkaufsstraßen als Anker und Magnet hätten. Mit dem Einsatz für den Erhalt der GKK-Filialen und den Arbeitsplätzen dort werde „auch ein Stück Kultur und Lebensraum in den Zentren unserer Städte“ verteidigt, heißt es in dem Schreiben.

 

Update 23. Dezember 2022 ++++++++++++++

Einen kleinen Lichtblick gab es kurz vor Weihnachten für die rund 17.400 Beschäftigten des insolventen Warenhausunternehmens Galeria Karstadt Kaufhof: Am 22. Dezember einigte sich die ver.di-Bundestarifkommission mit der Leitung des Unternehmens nach sehr schwierigen Verhandlungen auf eine Lösung beim Insolvenzgeld.

Grundlage für die Zahlungen sind nun die regionalen Flächentarifverträge des Einzelhandels. Mit Anmeldung des Insolvenzverfahrens zum 31. Oktober 2022 haben die Beschäftigten danach für drei Monate, also von November 2022 bis Januar 2023, Anspruch auf Insolvenzgeld in dieser Höhe. Außerdem erhalten sie jeweils drei Zwölftel des Urlaubsgeldes und der Sonderzahlung (Weihnachtsgeld) ebenfalls nach den Flächentarifverträgen. Die Galeria-Leitung hatte den Anspruch auf Gewährung des Tarifniveaus lange bestritten. ver.di verwies hingegen darauf, dass mit der Kündigung des Integrations- und Überleitungstarifvertrages durch Galeria Anfang Oktober die Flächentarifverträge des Einzelhandels im Falle einer Insolvenz maßgeblich seien. Letztlich setzte sich diese Auffassung durch.

Außerdem einigten sich beide Seiten darauf, dass Beschäftigte, die während des Insolvenzverfahrens eine betriebsbedingte Kündigung erhalten, rückwirkend für die letzten zwölf Monate Anspruch auf Entgelt nach dem jeweiligen regionalen Flächentarifvertrag haben. Zunächst wollte die Unternehmensleitung nur Mitarbeiter*innen diese Entlohnung gewähren, die ihren Arbeitsplatz wegen einer Filialschließung verlieren – so hatte es der gekündigte Integrations- und Überleitungstarifvertrag vorgesehen, nach dem niedrigere Entgelte gezahlt wurden. Nun konnte sich die ver.di-Tarifkommission auch bei diesem Punkt mit der Auffassung durchsetzen, dass alle Kolleg*innen, die nun eine Kündigung bekommen, für zwölf Monate rückwirkend nach den Flächentarifverträgen bezahlt werden.

„Das alles ist Ergebnis einer harten Auseinandersetzung, die auf unterschiedliche Rechtsauffassungen der Tarifparteien zurückzuführen ist“, heißt es in einer Stellungnahme des ver.di-Fachbereichs Handel. „Der Integrations- und Überleitungstarifvertrag sieht vor, dass bei Eröffnung eines Insolvenzverfahrens die Absenkung der Tarifentgelte rückwirkend zum 1. Januar 2020 entfällt.“ Die Arbeitgeberseite setzte zumindest damit durch, die rückwirkende Entlohnung nach den Flächentarifverträgen lediglich für Gekündigte, nicht für die komplette Belegschaft, zuzugestehen. Insgesamt sei es aber gelungen, so ver.di Handel, der Unternehmensleitung wesentliche Zugeständnisse abzuringen. Da die tarifliche Regelung zum Insolvenzgeld von der Bundesagentur für Arbeit mitgetragen werden müsse, sei eine Erklärungsfrist vereinbart worden.                                                          

 

Massive Zukunftsängste

Zum zweiten Mal innerhalb von zwei Jahren hat der Großinvestor und österreichische Milliardär René Benko ein Schutzschirm-Insolvenzverfahren seiner Kaufhauskette Galeria Karstadt Kaufhof GKK beantragt. Ein Drittel der 131 Filialen in Deutschland will er schließen. Das Unternehmen befinde sich in einer Notlage. Und das, obwohl es bereits 680 Millionen Euro Steuergelder aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds kassiert hat. Ende November und Anfang Dezember hat sich die Geschäftsleitung der Warenhauskette Galeria mit der ver.di-Bundestarifkommission (BTK) zu Gesprächen über die Zukunft des Unternehmens getroffen – das erste Mal seit dem überraschenden Antrag auf ein weiteres Schutzschirmverfahren vom 31. Oktober.

Mit der zweiten Insolvenz in Eigenverwaltung innerhalb von zwei Jahren hat die Galeria-Geschäftsleitung bei den rund 17.000 Beschäftigten massive Zukunftsängste ausgelöst. Hieß es doch nach der Beantragung des Verfahrens von Vorstandschef Miguel Müllenbach, dass ein Drittel der Warenhaus-Niederlassungen geschlossen werden müsse. Umso wichtiger war es den Vertreter*innen der Beschäftigten jetzt, Zusagen für eine Tarifvereinbarung über die Arbeitsplatzsicherheit sowie über die Höhe des Insolvenzgeldes zu erhalten, das während des Schutzschirmverfahrens von der Bundesagentur für Arbeit gezahlt wird. Dennoch muss die Höhe des Insolvenzgeldes mit dem Arbeitgeber ausgehandelt werden. Obwohl die Vertreter*innen der BTK darlegen konnten, dass die regionalen Flächentarifverträge des Einzelhandels für die Berechnung maßgeblich sind, präsentierte die Unternehmensseite einen geringeren Wert. „Das ist schlicht eine Frechheit“, kommentiert ein Kommissionsmitglied.

Die BTK-Mitglieder, zugleich langjährige Mitarbeiter*innen der früheren Warenhäuser Karstadt und Galeria Kaufhof, haben viele Ideen, wie die 131 Niederlassungen zukunftsfest werden könnten. Galeria habe eine motivierte Belegschaft, „die ihr Unternehmen auf Kurs bringen will“, sagt BTK-Mitglied Alexandra Gödicke aus der Filiale Mannheim, Paradeplatz. „Es gibt zahlreiche Vorschläge aus der Beschäftigtenbefragung wie zum Beispiel lokale Ausrichtungen, Warensortimente, Qualifizierung, Besetzungsstruktur und vieles mehr. Wir sind bereit!“ Auf die Bedeutung der Warenhäuser für die Innenstädte macht Andrea Grisail, BTK-Mitglied aus der Galeria-Filiale Mülheim an der Ruhr aufmerksam: „Wenn alle Geschäfte schließen, gibt es nichts mehr, was die Menschen in die Städte zieht.“ Deshalb sei auch die Politik aufgefordert, aktiv zu werden. Das Warenhaus sei nicht tot, es müsse nur neu ausgerichtet werden.

Beschäftigte haben in den letzten Jahren schon auf Millionen Euro verzichtet

Die BTK fordert Galeria-Eigentümer René Benko auf, in die Warenhauskette zu investieren. Thomas Vieweg aus der Filiale Nürnberg, Lorenzkirche sagt: „Wir Beschäftigte haben schon Riesensummen in die Zukunft des Unternehmens investiert.“ Nun sei ein „klares Bekenntnis von unserem Eigentümer zum Warenhaus“ überfällig. „Dazu gehören ein Investitionsplan, damit die Standorte für die Zukunft ausgerichtet sind und marktübliche Mieten“ möglich werden, damit Galeria überleben könne. René Benko hat mit den Immobilien von Karstadt und Galeria Kaufhof prächtig verdient und kassiert an etlichen Warenhausstandorten hohe Mieten. Die BTK fordert nun „Zusagen über verbindliche Investitionssummen des Eigentümers in die Entwicklung eines stationären digitalen Handels“, heißt es in einem aktuellen ver.di-Flugblatt. Die Verhandlungen gehen weiter.

Dazu kommt der Eigenanteil der Beschäftigten: Bereits im Schutzschirmverfahren von 2020 hatten sie Filialschließungen und Arbeitsplatzabbau sowie eine Bezahlung deutlich unterhalb des Flächen-Tarifvertrags hingenommen und ihrem Arbeitgeber so etliche Millionen Euro für die Rettung des Unternehmens zur Verfügung gestellt. Doch diesen mit ver.di abgeschlossenen Integrations- und Überleitungsvertrag hat das Unternehmen im Oktober 2022 gekündigt. „Die Beschäftigten haben ihre persönlichen Verluste in Galeria investiert“, betont Stefanie Nutzenberger, die im ver.di-Bundesvorstand für den Handel zuständig ist, „nicht nur das Unternehmen, auch die 17.000 Beschäftigten befinden sich in einer Notlage.“ Angesichts der Inflation hätten sie keinerlei finanziellen Spielraum für weiteren Entgeltverzicht.

Das sagen die Galeria-Beschäftigten

 

Wir sind Galeria

In einer Pressekonferenz in der ver.di-Bundesverwaltung kündigte der ver.di-Vorsitzende Frank Werneke den ganzen Einsatz der Gewerkschaft an: „Wir kämpfen mit den Beschäftigten um den Erhalt der Standorte und der mehr als 17.000 Arbeitsplätze. Es geht auch um die Attraktivität vieler Innenstädte, weil die GKK-Standorte an vielen Stellen einen Ankerpunkt für weitere Geschäfte, Handels- und Dienstleistungs-Unternehmen bilden.“ Außerdem bekräftigte er die Forderung ver.dis nach Mitbestimmung im weiteren Insolvenzverfahren: „Wir verlangen, im Gläubigerausschuss vertreten zu sein, um die Interessen der Beschäftigten, die bereits erhebliche Tarifbestandteile in die Sanierung gesteckt haben, wirksam vertreten zu können.“

Wo ist René Benko?

René Benko scheint nach wie vor erstmal abgetaucht zu sein. Wut und Enttäuschung bei den Beschäftigten sind groß, auch weil der Eigentümer seine Zusagen, umfassend in die Häuser zu investieren, nicht eingehalten hat.

„Die Frage ist: Wo ist jetzt René Benko? Den Beschäftigten jedenfalls stellt er sich nicht“, wunderte sich auch Frank Werneke über das laute Schweigen des Chefs der Signa-Holding, zu dem GKK gehört. Doch der mit dem Ausbau von Dachgeschossen in Innsbruck und Immobiliengeschäften reich gewordene Investor hat zurzeit noch eine andere Baustelle. In Österreich folgt ihm der Vorwurf der Bestechung, seine Büros wurden schon durchsucht. Mit Fremdgeld und Gemauschel hat Benko ein geschätztes Vermögen von 4,6 Milliarden Euro angehäuft: „Eines ist schon beachtlich“, umriss er einst sein Geschäftsmodell, „es gibt kein Investment, wo ich je einen Euro draufgezahlt hätte“- Noch heute brüstet er sich damit, bei seinen Investments noch nie Geld verloren zu haben. Jetzt wissen wir auch, warum.

Diese Nachricht wurde erstmals am 2. Dezember erstellt, sie wird fortlaufend aktualisiert. (Anmerk. der Redaktion)

 

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