In der Tarifrunde Seehäfen haben die Arbeitgeber, der Zentralverband der Deutschen Seehafenbetriebe (ZDS), in der fünften Verhandlungsrunde ein verbessertes Angebot vorgelegt. „Die Durchsetzung der sozialen Komponente federt das Lohngefälle zwischen den Lohngruppen ab, insbesondere die unteren Lohngruppen profitieren von dem Angebot“, sagt ver.di-Verhandlungsführerin Maren Ulbrich.
Aber auch in allen anderen Lohngruppen gebe es Reallohnzuwächse; jeder und jede habe mehr in der Tasche als vorher. Zudem werde die Inflationsausgleichsprämie auch bei Teilzeitbeschäftigten in voller Höhe ausgezahlt.
ver.di wird nun eine Mitgliederbefragung zum vorliegenden Angebot durchführen. Die ver.di-Bundestarifkommission empfiehlt den Mitgliedern die Annahme des Angebots. Auf ihrer Sitzung am 27. September 2024 wird die Tarifkommission, basierend auf den Ergebnissen der Mitgliederbefragung, über das Angebot entscheiden.
Im Einzelnen sieht das Angebot unter anderem folgende Regelungen für den Tarifvertrag mit einer Laufzeit von 14 Monaten bis zum 31. Juli 2025 vor: Die Beschäftigten erhalten eine steuer- und abgabenfreie Inflationsausgleichsprämie in Höhe von 1.700 Euro, die im Oktober ausgezahlt wird; auch Teilzeitbeschäftigte erhalten die volle Prämie. Ab dem 1. Oktober 2024 werden die Stundenlöhne um 1,15 Euro erhöht. Zudem werden die Schichtzuschläge sowie die Zuschläge für Sonn- und Feiertagsarbeit deutlich erhöht. Darüber hinaus steigt das Urlaubsgeld ab dem nächsten Jahr auf 430 Euro.
In der vierten Verhandlungsrunde hatten die Arbeitgeber zwei Varianten eines Angebots vorgelegt und es als finales Angebot bezeichnet. Beide Varianten lehnten die ver.di-Mitglieder, die in den Seehafenbetrieben an der Nordsee arbeiten, bei einer Mitgliederbefragung als völlig unzureichend ab. Die zuständige ver.di-Tarifkommission in Hamburg ist daraufhin dieser Bewertung am Freitag, den 23. August 2024, gefolgt und hatte für eine Nachverhandlung gestimmt.
Im Einzelnen enthielt das Angebot unter anderem folgende Komponenten: In der Variante 1 mit einer Laufzeit des Tarifvertrags von 12 Monaten gäbe es eine steuer- und abgabenfreie Inflationsausgleichsprämie von 1.000 Euro (Teilzeit anteilig). Zum 1. Januar 2025 würden die Stundenlöhne um 0,95 Euro erhöht; zudem würden zum selben Zeitpunkt die Schichtzulagen erhöht sowie das jährliche Urlaubsgeld um 480 Euro steigen. In der Variante 2 mit einer Laufzeit des Tarifvertrags von 16 Monate gäbe eine Inflationsausgleichsprämie von 1.400 Euro. Zum 1. Januar 2025 würden dann die Stundenlöhne um 1,15 Euro steigen. Zudem würden die Schichtzulagen steigen und das Urlaubsgeld wie in Variante 1 erhöht.
Zwar habe sich der ZDS in seinen beiden zuletzt vorgelegten Vorschlägen durchaus bewegt und Reallohnsteigerungen angeboten. Die im Volumen und vor allem in der jeweiligen Laufzeit unterschiedlichen Vorschläge bilden für die Beschäftigten aber nicht die notwendigen Lohnerhöhungen und Entlastungen ab, die sie von einem für sie akzeptablen Abschluss erwarten, so Ulbrich.
Weiter moniert sie: „Die Beschäftigten leisten tagtäglich harte Arbeit an den Seehäfen und damit einen enormen Beitrag zur Versorgung der Bevölkerung mit wichtigen Gütern. Das muss sich für die Kolleginnen und Kollegen dann auch rechnen.“ Die Gewerkschafterin appelliert an den ZDS, die Verhandlungen wieder aufzunehmen und das vorgelegte Angebot zu verbessern.
„In der dritten Verhandlungsrunde lagen wir noch weit auseinander“, sagte ver.di-Verhandlungsführerin Maren Ulbrich. „Das von den Arbeitgebern vorgelegte Angebot ist für uns so nicht akzeptabel. Gerade bei den angebotenen Lohnerhöhungen müssen sich die Arbeitgeber noch bewegen.“ Die Ausweitung der Warnstreiks in Hamburg hatte noch einmal ein deutliches Signal an die Arbeitgeber gesendet, dass die Beschäftigten es mit ihren Forderungen ernst meinen.
ver.di hatte eine Erhöhung der Stundenlöhne um 3 Euro zum 1. Juni 2024 gefordert sowie eine entsprechende Anhebung der Schichtzuschläge, inklusive einer Nachholung der ausgebliebenen Erhöhung der Schichtzulagen im Tarifabschluss 2022, bei einer Laufzeit des Tarifvertrages von 12 Monaten.
Ulbrich: „Es kommt darauf an, dass insbesondere die unteren Lohngruppen durch die Lohnerhöhungen finanziell entlastet werden. Die Inflation der vergangenen Jahre hat sie besonders schwer getroffen. Zudem müssen die Lohnunterschiede zwischen den verschiedenen Gruppen reduziert werden. Und einen Reallohnzuwachs muss es auch in den oberen Lohngruppen geben.“
Im Juni war erstmals gestreikt worden. ver.di hatte die Beschäftigten am Container-Terminal Wilhelmshaven (CTW) zu Warnstreiks aufgerufen, und zwar am 27. Juni 2024 in der ersten und zweiten Schicht. Auch damit hatten die Beschäftigten vor der vierten Verhandlungsrunde den Druck auf die Arbeitgeber erhöht.
Vor Beginn der dritten Verhandlungsrunde hatte ver.di die Seehafen-Beschäftigten zu einem zentralen Streiktag in verschiedenen Häfen aufgerufen. In Hamburg, Bremen, Bremerhaven, Brake und Emden hatten die Kolleg*innen die Arbeit niedergelegt. Bei einer zentralen Aktion in Hamburg zeigten die Beschäftigten am 17. Juni Geschlossenheit, dort verhandelten ver.di und der ZDS am 17. und 18. Juni für die Beschäftigten in deutschen Seehäfen.
ver.di wollte mit dem Aufruf zu den Warnstreiks den Druck auf die Arbeitgeber erhöhen, in der dritten Verhandlungsrunde ein verhandlungsfähiges Angebot vorzulegen. Die zweite Verhandlungsrunde am 6. Juni hatte zu keinem Ergebnis geführt. Bereits in den Tagen danach hatte ver.di die Beschäftigten einzelner Seehäfen zu tageweisen Warnstreiks aufgerufen. Den Auftakt machten die Beschäftigten im Hamburger Hafen am 7. Juni, dann folgten die in Bremen (11. Juni), Bremerhaven (12. Juni) und Emden (14. Juni).
Schwerstarbeit mit Lasten bis zu 60 Tonnen
Der Job ist Schwerstarbeit, sowohl körperlich als auch kognitiv. „Meine Arbeit findet draußen statt, direkt am Hafen, wo ich regelmäßig eine der Containerbrücken fahre, um die riesigen Frachtschiffe zu beladen oder zu entladen”, berichtet die 27-jährige Patricia Gerdes, Fachkraft für Hafenlogistik in Hamburg und ver.di-Mitglied. Sie bewegt hier regelmäßig Lasten bis zu 60 Tonnen, wenn zwei Container verladen werden. Dazu kommt das Gewicht des Spreaders, auf dem die Container umgeladen werden, das sind noch einmal 15 Tonnen. Beim sogenannten Laschen der Container, der Befestigung der Ladung, muss sie sich selbst körperlich richtig ins Zeug legen. „Das ist eine körperlich anstrengende Arbeit, während das Containerbrückenfahren viel geistige Konzentration erfordert.”
Vor zwei Jahren wurden die Gespräche von einer Serie von Warnstreiks begleitet, die die Häfen rund 80 Stunden lahmlegten. Ob es vor der nun anstehenden vierten Verhandlungsrunde erneut zu Warnstreiks kommt, bleibt abzuwarten.
„Die Beschäftigen sind enttäuscht und empört darüber, dass die Arbeitgeber kein Entgegenkommen gezeigt haben, sondern nur auf ihre eigene schwierige wirtschaftliche Lage und die Konkurrenz zu ausländischen Häfen verwiesen haben. Damit haben sie der Arbeit der Beschäftigten keine Wertschätzung entgegengebracht“, kritisiert ver.di-Verhandlungsführerin Maren Ulbrich und weist darauf hin, dass Wettbewerbsdruck und Bilanzprobleme nicht auf dem Rücken der Beschäftigten ausgetragen werden dürfen.