Krankenhäuser in Not: Es braucht dringend Schutz vor Insolvenzen

Die Lage ist dramatisch – jedem fünften deutschen Krankenhaus droht Schließung. ver.di warnt vor „unverantwortlichen“ Klinikschließungen und fordert schnellen Insolvenzschutz
20.06.2023

„Während Bund und Länder noch um den richtigen Weg einer Krankenhausreform ringen, stehen viele Kliniken wirtschaftlich mit dem Rücken zur Wand. Es braucht jetzt einen schnellen Schutz vor Insolvenzen“, forderte ver.di-Bundesvorstandsmitglied Sylvia Bühler anlässlich des heutigen Protesttages der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) in Berlin.

Die DKG hatte die deutschen Krankenhäuser zum bundesweiten Protesttag „Alarmstufe Rot – Krankenhäuser in Not“ aufgerufen, um auf die dramatische wirtschaftliche Lage in zahlreichen Kliniken aufmerksam machen. Strukturelle Unterfinanzierung und die Folgen der Inflation würden die Versorgungslandschaft in Deutschland wie nie zuvor seit dem Ende des zweiten Weltkriegs bedrohen. „Inflation und allgemeine Kostensteigerung treiben die Kliniken in ein Defizit von 10 Milliarden Euro bis Ende 2023“, so die DKG.

 

„Es wäre unverantwortlich, Kliniken zu schließen, die für eine flächendeckende, wohnortnahe und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung gebraucht werden.“

Sylvia Bühler, ver.di Bundesvorstand

Jedes fünfte deutsche Krankenhaus ist laut DKG in den kommenden Jahren von einer Schließung bedroht. Dabei gehe es nicht nur um finanzielle Fragen. „Wir werden auf absehbare Zeit gar nicht mehr das Personal haben, die bisherigen Strukturen unverändert aufrecht zu erhalten“, erklärte der Chef der DKG, Gerald Gaß, gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Dabei hätten die Krankenhäuser „längst akzeptiert, dass wir Standorte zusammenlegen, umgestalten oder schließen müssen“. Laut Statistischem Bundesamt gab es in Deutschland im Jahr 2021 noch rund 1.900 Kliniken.

Sylvia Bühler forderte deshalb bei der Kundgebung vor dem Berliner Hauptbahnhof, die Bundesregierung müsse den Krankenhäusern mit einem kurzfristigen Zuschuss von mindestens 10 Milliarden Euro unter die Arme greifen, um die flächendeckende Versorgung zu sichern. „Die Entscheidung über die Zukunft des Gesundheitswesens darf nicht dem Bundesfinanzminister überlassen werden. Krankenhäuser sind ein elementar wichtiger Teil der Daseinsvorsorge, diese darf nicht zur Debatte stehen, weil Herr Linder andere fiskalische Prioritäten setzen will.“

 
#jetzthandeln fordern zahlreiche Kliniken auf dem bundesweiten Protesttag „Krankenhäuser in Not“ am 20. Juni – hier in Berlin

Bund und Länder stünden in der Verantwortung. „Die Bundesländer müssen endlich ihrer Pflicht nachkommen, notwendige Investitionen vollständig zu finanzieren. Versichertenbeiträge, die für die Krankenversorgung und das Personal gedacht sind, dürfen nicht länger für Investitionen in Gebäude und Geräte zweckentfremdet werden“, forderte die Gewerkschafterin. An Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) appellierte sie, Ernst zu machen mit der angekündigten Abkehr vom ökonomisierten Fallpauschalensystem. „Die Fallpauschalen, DRGs, gehören komplett ersetzt durch eine bedarfsgerechte Finanzierung.“

Auch der Bundesverbandes Deutscher Privatkliniken (BDPK) schloss sich dem Protest an und forderte von den Gesundheitspolitikern in Bund und Ländern einen Stufenplan gegen die drohende Pleitewelle. „Wir schließen uns dem Protest der deutschen Kliniken an und fordern die Politik auf, für stabile Rahmenbedingungen zu sorgen. Diese Sicherheit brauchen die Krankenhausträger und ihre Beschäftigten, vor allem aber die Patientinnen und Patienten,“ erklärte BDPK-Hauptgeschäftsführer Thomas Bublitz bei der Kundgebung. Erster Schritt eines solchen Stufenplans für die Umsetzung der vorgesehenen Krankenhausreform müsste die sofortige wirtschaftliche Sicherung der Kliniken sein.

„Die Finanzierung muss gesichert werden“, forderte Sylvia Bühler. ver.di stehe an der Seite der Kliniken, von denen viele ums wirtschaftliche Überleben kämpfen. „Zugleich ist klar, dass Steuergeld und Versichertenbeiträge nicht dazu dienen, die Taschen kommerzieller Betreiber zu füllen. Zentral muss sein, die bestmögliche Versorgung und gute Arbeitsbedingungen in den Krankenhäusern zu ermöglichen“, so Bühler weiter. Dazu gehöre die rasche Einführung bedarfsgerechter Personalvorgaben, angefangen mit der von ver.di, der Deutschen Krankenhausgesellschaft und dem Deutschen Pflegerat entwickelten PPR 2.0 für die Pflege im Krankenhaus.