19. März: Internationaler Tag der Sozialen Arbeit

Die Beschäftigten in der Sozialen Arbeit sind am Limit
18.03.2024

Der 19. März ist der Internationale Tag der Sozialen Arbeit. Kein Tag zum Jubeln, denn der Arbeitsalltag für Sozialarbeiter*innen ist geprägt von Personalmangel und Überlastung und das bei hoher Verantwortung, nicht selten geht es um Menschenleben. Nach jahrelangem Sparzwang sind die Beschäftigten am Ende ihrer Kräfte – und das nicht nur in Deutschland.

 
Sozialarbeiter*innen in Berlin bei einem Partizipationsstreik

Mit dem Welttag der Sozialen Arbeit am 19. März 2024 soll die wertvolle Arbeit der Sozialarbeiter*innen in die öffentliche Aufmerksamkeit gerückt werden. Dabei meint der Begriff „Sozialarbeiterinnen“ im internationalen Kontext alle in der Sozialen Arbeit tätigen Beschäftigten, egal welcher Profession und mit welchem beruflichen Abschluss. Mit dem Welttag der Sozialen Arbeit soll ihre „immense und oft übersehene Leistung“ für die Gesellschaft gewürdigt werden, betont der Europäische Gewerkschaftsverband für den Öffentlichen Dienst (EGÖD) in einer Stellungnahme.

Der EGÖD betont auch, dass jeder Mensch das Recht auf Zugang zu wesentlichen sozialen Dienstleistungen von guter Qualität habe. Sozialarbeiter*innen seien diejenigen, die denjenigen helfen, die sich in einer schwachen Position in der Gesellschaft befinden, um aktiv an der Gesellschaft und am Arbeitsmarkt teilhaben zu können, beispielsweise durch frühkindliche Bildung und Betreuung, in der Gesundheitsversorgung, Langzeitpflege und im sozialen Wohnen.

Doch hier wurde in den letzten Jahren überall viel gespart. Der EGÖD kritisiert: „Frühere Sparmaßnahmen führten in vielen Ländern zum Abbau von Sozialdiensten, zu Personalknappheit, Burn-out, Qualitätseinbußen und fehlenden Dienstleistungen, was lange Wartelisten zur Folge hatte.“ Die Probleme würden von Außenstehenden jedoch oft nicht wahrgenommen. Sie reichten von systembedingtem Personalmangel über schlechte Arbeitsbedingungen und geringe Bezahlung bis hin zu persönlichem Druck.

Internationale Studie zeigt hohes Burn-out-Risiko

Sozialarbeiter*innen hätten ein hohes Risiko für arbeitsbedingten Stress und Burn-out. Der EGÖD zieht in seiner Stellungnahme eine von „Recognize“ durchgeführte Umfrage unter Sozialarbeiter*innen in verschiedenen Bereichen heran, darunter in Krankenhäusern, Schulen, Gemeindezentren und Privatpraxen. Dort berichtete ein erheblicher Prozentsatz der Sozialarbeiter*innen von Burnout-Symptomen, die ihre psychische Gesundheit und ihre Fähigkeit, die Arbeit effektiv auszuführen, erheblich beeinträchtigten. Die Befragten berichteten auch, dass sie sich oft isoliert und nicht unterstützt fühlten und dass es nur wenige Möglichkeiten zur Zusammenarbeit, Überwachung und Nachbesprechung gab.

Auch in Deutschland sind die Beschäftigten am Limit

Das deckt sich mit der gemeinsam bundesweit durchgeführten Studie von Prof. Dr. Nikolaus Meyer (Hochschule Fulda) und Dr. Elke Alsago (ver.di), die 2023 veröffentlicht wurde. Darin gaben die mehr als 8.200 befragten Beschäftigten aus der Sozialen Arbeit hohe berufliche Erschöpfungswerte an und sehen bereits eine verminderte eigene Leistungsfähigkeit. Betroffen waren vor allem Beschäftigte in Kindertagesstätten, Jugendämtern, Beratungsstellen, der Arbeit mit Menschen mit Beeinträchtigung, der Ganztagesbetreuung an Schulen, der Schulsozialarbeit, der Heimerziehung, der Wohnungslosenhilfe, den sozialpsychiatrischen Diensten, der Sozialen Arbeit mit Arbeitslosen, der Sucht-/Drogenhilfe, der Jugendgerichtshilfe sowie der offenen Kinder- und Jugendarbeit. Entsprechend fühlten sich laut Umfrage bundesweit 60,8 Prozent der Befragten häufig oder sogar sehr häufig an der Grenze der Leistungsfähigkeit. Dabei ist das Burnout-Risiko der Beschäftigten über alle Arbeitsfelder der Sozialen Arbeit hinweg hoch. Deswegen fordert ver.di Entlastung für alle in der Sozialen Arbeit Beschäftigten.

Die Forderungen des EGÖD zum Welttag der Sozialen Arbeit

Um Sozialarbeiter*innen vor Burn-out zu schützen, werde laut EGÖD auf europäischer Ebene eine spezielle Richtlinie über psychosoziale Risikofaktoren gebraucht, wie sie von ihm und anderen europäischen Gewerkschaftsverbänden vorgeschlagen werde.

Anlässlich des Welttags der Sozialen Arbeit hat der EGÖD die europäischen und nationalen politischen Entscheidungsträger zum Handeln aufgefordert. Dazu gehören:

  • Bessere Lohn- und Arbeitsbedingungen,
  • Verbesserung des Zugangs zu Gewerkschaften am Arbeitsplatz und Gewährleistung von Tarifverhandlungen und Tarifverträge,
  • Verbesserung der Vorschriften für Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz, einschließlich des Beginns der Arbeiten an einer speziellen Richtlinie über psychosoziale Risiken,
  • Bessere Ausbildung und kontinuierliche berufliche Weiterentwicklung innerhalb der Arbeitszeit ermöglichen
  • Mehr Mittel bereitstellen – keine Kürzungen.

ver.di krisisiert „jahrelanges Versagen der Politik“

ver.di kritisiert zum Internationalen Tag der Sozialen Arbeit, dass ein jahrelanges Versagen der Politik auf dem Rücken der Kinder, Jugendlichen, Familien und Beschäftigten in Jugendämtern, Jugendhilfeeinrichtungen und Inobhutnahmestellen ausgetragen werde. Kinder, Jugendliche und Familien könnten nicht intensiv genug betreut werden und die Beschäftigten seien stark überlastet, weil jahrzehntelang mit Personalschlüsseln gearbeitet werde, die gerade die notwendigsten sozialen Dienstleistungen ermöglichen. „Nun kollabiert dieses auf Kante genähte System“, sagte die stellvertretende ver.di-Vorsitzende Christine Behle.

Durch die Corona-Pandemie haben sich die vorher schon vorhandenen Probleme weiter verschärft. Die Fachkräftelücke in der Sozialen Arbeit liegt laut Bundesagentur für Arbeit bundesweit bei 20.578 fehlenden Personen. Die Beschäftigten bekommen das deutlich zu spüren und berichten von Überforderung, Überlastung, Erkrankungen und starker Fluktuation in den Teams. Viele geben den Beruf auf. In den Jugendämtern werden die Fälle bereits nach Dringlichkeit sortiert. Die Beschäftigten sind zermürbt.

„Es ist für uns nicht nachvollziehbar, dass diese Problematik von der Politik und Öffentlichkeit weitgehend ignoriert wird“, so Christine Behle. „Es geht um nichts Geringeres als den Schutz von Kindern – wir wollen nicht erst auf Tragödien warten, bis sich etwas an dieser prekären Situation ändert!“

Um auf die Probleme aufmerksam zu machen und Lösungen zu finden, hat ver.di am Internationalen Tag der Sozialen Arbeit zu mehreren Veranstaltungen eingeladen. Dabei sollte über die Arbeitsbedingungen diskutiert und Strategien entwickelt werden, um Politik und Arbeitgeber zum Handeln zu bewegen.

Mehr erfahren: