Gemeinsam mit einem breiten Bündnis aus Studierendenorganisationen, Gewerkschaften und Verbänden fordert ver.di eine grundlegende Reform der Bundesausbildungsförderung, BAföG. Die Gesetzesvorlage der Bundesregierung, die am 16. Mai 2024 im Bundestag beraten wird, müsse deutlich nachgebessert werden. „Die Explosion bei Preisen und Mieten ruft förmlich nach einem grundlegend reformierten BAföG, wie es SPD, Grüne und FDP in ihrem Koalitionsvertrag versprochen haben“, so ver.di-Bundesvorstandsmitglied Sylvia Bühler. „Das BAföG muss wieder einlösen, was sein Grundgedanke war: dass auch Kinder studieren können, deren Eltern wenig Geld haben.“
Konkret fordert ver.di, die Bedarfssätze mindestens auf das Niveau des Bürgergelds anzuheben, um das Existenzminimum abzusichern. Die Wohnkostenpauschale müsse um 50 auf 410 Euro monatlich erhöht werden. „In den allermeisten Universitätsstädten reicht die Wohnkostenpauschale nicht einmal für ein gewöhnliches WG-Zimmer“, sagt Bühler mit Verweis auf eine im März veröffentlichte Studie des Moses Mendelssohn Instituts. „Seit Jahrzehnten erleben wir eine schleichende Entwertung des BAföG. Nur noch 11,5 Prozent der Studierenden werden überhaupt gefördert. Damit die Zielgruppe tatsächlich wieder erreicht wird, müssen die Bedarfssätze und Freibeträge künftig entsprechend der Reallohnentwicklung automatisch angehoben werden.“
Die Gewerkschafterin begrüßte die von der Bundesregierung geplante Einführung eines „Flexibilitätssemesters“ und einer Starthilfe von 1.000 Euro. Das seien richtige Schritte, doch entscheidend sei, die Sätze dauerhaft an die gestiegenen Lebenshaltungskosten anzupassen und den Kreis der Anspruchsberechtigten auszuweiten. Bühler: „Dass jungen Menschen unabhängig vom Geldbeutel der Eltern studieren können, ist für unsere Gesellschaft als Ganzes wichtig.“
In einem gemeinsamen offenen Brief, initiiert von der Organisation Fiscal Future, haben Jugendorganisationen und -verbände einschließlich der ver.di Jugend bereits im vergangenen Juli die Sparpolitik der Bundesregierung kritisiert. „Die strikte Haushaltspolitik in der aktuellen Situation ist kein Ausdruck ökonomischer Kompetenz, im Gegenteil: Sie verhindert, dass notwendige Investitionen getätigt werden und verschärft so die multiplen Krisen. Ihr Spardiktat ist somit vor allem eins: langfristig teuer,” heißt es in dem am 3. Juli 2023 veröffentlichten Brief.
Die Unterzeichner des Briefs lehnen die Schuldenbremse als Investitionsbremse ab. Sie sehen darin eine Einschränkung des staatlichen Handlungsspielraums und fordern stattdessen eine stärkere Beteiligung sehr hoher Vermögen und Einkommen, um die finanzielle Lage zu verbessern. Zudem kritisieren sie den Ausschluss von Steuererhöhungen, obwohl eine stärkere Beteiligung aus ökonomischer und demokratischer Sicht sinnvoll wäre.
Schuldenbremse gefährdet Ausbildungs- und Arbeitsmarkt
Für die ver.di Jugend stehen vor allem die Investitionen in den Ausbildungsmarkt im Vordergrund, erklärt Joshua Kensy, Vorsitzender der ver.di Jugend: „Wenn wir heute nicht in den Ausbildungsmarkt investieren, wenn wir heute nicht in eine qualitativ gute Ausbildung investieren und uns stattdessen zurücklehnen und immer weiter nur sparen wollen, dann haben wir auch in der Zukunft das Problem des Fachkräftemangels.” Zwar hätten wir nun im Weiterbildungsgesetz eine Ausbildungsplatzgarantie verankern können, doch die Ausgestaltung hätte deutlich besser sein können. Finanziellen Mittel für BAföG sind beispielsweise entscheidend, denn nur so haben junge Menschen einen gerechten Zugang zu Ausbildung und Studium. Ich denke, dass hier noch viel passieren kann - und deshalb brauchen wir insbesondere im Bereich Bildung und Ausbildung mehr Investitionen", so Kensy weiter.
Vertrauensverlust in die Demokratie: Jugendliche sehen politisches Handeln in Gefahr
Die Diskussion findet auch vor dem Hintergrund gesellschaftlicher Herausforderungen wie der Klimakrise, der wachsenden ökonomischen Ungleichheit und der Bedrohung der Demokratie durch extremistische Kräfte statt. In diesem Zusammenhang wird in dem gemeinsamen Brief betont, dass politisches Handeln nicht von ideologischen Maximen, sondern von zentralen Herausforderungen geleitet sein sollte: „Das Vertrauen junger Menschen in demokratische Prozesse und Parteien geht verloren, wenn das politische Handeln nicht mehr von zentralen Herausforderungen, sondern von überholten ideologischen Maximen geleitet wird. Dies gilt insbesondere in Zeiten wie den jetzigen, in denen die demokratische Zivilgesellschaft durch gesellschaftlichen Polarisierung und Angriffe von Rechtsextremen und anderen Antidemokrat*innen unter Druck gerät.” Der Spardruck erhöhe dies, heißt es weiter.