Investitionen statt Aktionismus gefordert

Der ver.di-Vorsitzende Frank Werneke und der Chef der Polizeigewerkschaft Jochen Kopelke äußern sich kritisch gegenüber dem neuen Sicherheitspaket der Bundesregierung. Statt weiterer Gesetzesverschärfungen fordern die beiden Gewerkschaftschefs Investitionen in Personal und eine bessere behördliche Zusammenarbeit
07.10.2024
Wir brauchen dringend eine nachhaltige Stärkung unserer Sicherheitsbehörden im Bund und in den Ländern.

Der Bundestag hat am Donnerstag, 26. September 2024, erneut über die Migrationspolitik der Ampelkoalition debattiert und erstmals über das Sicherheitspaket beraten, das die Bundesregierung nach dem Messeranschlag von Solingen vorgelegt hatte. ver.di und die Polizeigewerkschaft GdP mahnen vor diesem Hintergrund zu einer ausgewogenen Diskussion.

In der Debatte sollte nicht nur auf Gesetzesverschärfungen gesetzt werden. Mehr finanzielle Mittel für Personal und Integration, eine verbesserte Zusammenarbeit der Behörden, verstärkte Sicherheitsprüfungen und umfassendere Kompetenzen bei der Gefahrenabwehr – das fordern die beiden Vorsitzenden der Gewerkschaften, um eine wirksame und nachhaltige Stärkung der öffentlichen Sicherheit zu gewährleisten. Das geplante Sicherheitsgesetz sieht unter anderem Messerverbote bei Veranstaltungen vor und erweitert die Ermittlungsbefugnisse für die Behörden bei der Terrorismusbekämpfung. 

 

„Alle beteiligten Behörden und Einrichtungen müssen finanziell und vor allem personell erst einmal in die Lage versetzt werden, die ihnen gestellten Aufgaben auch erledigen zu können. Dafür muss deutlich mehr investiert werden.“

Frank Werneke, ver.di-Vorsitzender

Das vorgelegte Sicherheitspaket könne nur ein Anfang sein, sagte Jochen Kopelke, Bundesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP). „Wir brauchen dringend eine nachhaltige Stärkung unserer Sicherheitsbehörden im Bund und in den Ländern. Das gilt sowohl mit Blick auf ihre Befugnisse als auch in Bezug auf die Personalsituation“, betonte der Gewerkschafter. So brauche es unter anderem schnellstmöglich eine Regelung zur Speicherung von IP-Adressen zur Verfolgung schwerer und schwerster Straftaten sowie Backgroundchecks bei einreisenden Personen aus Operationsgebieten terroristischer Gruppierungen durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF). Gefordert seien zudem grenzpolizeiliche Strukturverbesserungen.

Notwendige Maßnahmen zur Integration

Angesichts des zunehmend aggressiven Tons in der Sicherheitsdebatte mahnen beide Gewerkschafter zu mehr Sachlichkeit. Klar sei: Das individuelle Grundrecht auf Asyl und die Würde des Menschen seien unantastbar. Dies gelte für alle Menschen – ob mit oder ohne Migrations- oder Fluchthintergrund, stellten Kopelke und Werneke klar. Außerdem bräuchten die Behörden Klarheit über ihre Rolle und Aufgaben. Die Debatte über die innere Sicherheit überlagere die notwendigen Maßnahmen zur Integration.

Im Kern müsse es darum gehen, Arbeitsfähigkeit und Krisenfestigkeit in Verwaltung und Vollzug zu verbessern bzw. wiederherzustellen, so die Gewerkschafter. Die geplanten Maßnahmen der Bundesregierung führten nur dann zu einer verbesserten Sicherheitslage, wenn die betroffenen Behörden – etwa die Polizeien – diese auch umsetzen könnten. Neben Technik und Liegenschaften müsse vor allem in das Personal investiert werden. Dies gelte nicht nur auf Bundesebene, sondern ebenso für die Haushalte der Länder, so Kopelke.

 

„Mit dem derzeitigen Unterbietungswettbewerb in Sachen Menschenwürde, Asylrecht, Zuwanderung und Freizügigkeit in Europa verspielen wir unsere Zukunft.”

Frank Werneke, ver.di-Vorsitzender

Besondere Kritik kommt vom ver.di Vorsitzenden angesichts der aktuellen Diskussionen um Verschärfungen des Asylgesetztes.  Drei Punkte kritisiert er besonders. „Erstens: Ein Teil der zurzeit diskutierten Ideen zur Beschneidung des Rechts auf Asyl sind grundgesetzwidrig und inhuman. Zweitens: Die Verschärfung der Asylpraxis verhindert keine Terroranschläge, es braucht stattdessen mehr Investitionen in die innere Sicherheit, mehr Personal, schärfere Waffengesetze und Maßnahmen gegen die Radikalisierung auf den digitalen Plattformen. Drittens: Es fehlen vollständig Vorschläge zur Verbesserung der Integration von geflüchteten Menschen“, so Frank Werneke in einem Interview. „Absolut richtig und wichtig ist der Schutz der gesamten Gesellschaft – Millionen von Menschen mit Migrationshintergrund eingeschlossen – vor Kriminalität. Gewalt, Hass, Ausbeutung, Ausgrenzung und Diskriminierung zerstören unsere Gesellschaft. Mit dem derzeitigen Unterbietungswettbewerb in Sachen Menschenwürde, Asylrecht, Zuwanderung und Freizügigkeit in Europa verspielen wir aber unsere Zukunft.” Das ganze Interview ist hier zu lesen.