Schifffahrt: Arbeitszeiten manipuliert

Bei der Kontrolle von rund 50 Seeschiffen in deutschen Häfen haben die Inspektoren-Teams von ver.di und der Internationalen Transportarbeiterförderation (ITF) eklatante Mängel festgestellt
06.09.2024
ITF-Inspektion

ver.di hat gemeinsam mit der Internationalen Transportarbeiter-Föderation (ITF) im Rahmen der Aktionswoche „Baltic Week“ in deutschen Seehäfen Seeschiffe kontrolliert. An Bord wurden hinsichtlich der Lebens- und Arbeitsbedingungen massive Missstände festgestellt. Hoch war die Zahl der aufgefallenen Manipulationen bei der Dokumentation der Arbeitszeiten. Insgesamt haben die Inspektorenteams in Bremen, Bremerhaven, Brake, Wedel, Hamburg, Lübeck, Wismar und Rostock fast 50 Schiffe aufgesucht und kontrolliert.

Keine Überstunden aufgezeichnet

„Wie wir erwartet haben, wurden bei fast allen Kontrollen Verstöße bei der Aufzeichnung von Arbeitszeiten, Ruhezeiten und Überstunden festgestellt“, sagt Susana Ventura aus dem ver.di-Bereich Maritime Wirtschaft. Einige Schiffe nähmen überhaupt keine Überstundenaufzeichnungen vor, bei anderen waren die Besatzungen gezwungen, ihre Arbeits- und Ruhezeiten zu manipulieren, um die Flaggen- und internationalen Vorschriften einzuhalten.

Fast zwei Drittel (64,3 Prozent) der befragten Seeleute hätten angegeben, ihre Arbeits- und Ruhezeiten manipuliert zu haben, um den Anschein der Einhaltung der Vorschriften zu erwecken.

 

„Diese Praktiken sind lebensgefährlich. Die Übermüdung von Seeleuten bedroht nicht nur ihre Gesundheit, sondern gefährdet auch die Sicherheit des Schiffverkehrs.“

Susana Ventura, bei ver.di für die Maritime Wirtschaft zuständig

Besatzung oft nur auf Mindestmaß

Hauptproblem sei die Besatzungsstärke, so Ventura weiter. Bei vielen Schiffen sei festgestellt worden, dass die Besatzung streng nach der vorgeschriebenen Mindestbesatzung bemessen worden sei. Damit hätte die Besatzung keine Chance, die notwendigen und vorgeschriebenen Ruhezeiten einzuhalten, um ihre Aufgaben gesund und sicher zu erfüllen. „Die Mindestbesatzung dient dazu, ein Schiff unversehrt von A nach B zu bringen – sie darf nicht als dauerhafter Betriebszustand missbraucht werden“, fordert Ventura

ver.di und die ITF fordern eine Überarbeitung der internationalen Arbeits- und Besatzungsvorschriften sowie eine verstärkte Überwachung und Durchsetzung der Arbeits- und Ruhezeitvorschriften. Zudem müssten die Reeder*innen und Flaggenstaaten ihrer Verantwortung gerecht werden, um gesunde und sichere Arbeits- und Lebensbedingungen für Seeleute weltweit zu gewährleisten.

Gängiges Arbeitszeitmodell

„Niemand würde an Bord eines Flugzeugs gehen, wenn er oder sie wüsste, dass der Pilot 14 Stunden täglich an sieben Tagen in der Woche arbeitet. Aber in der Seefahrt – von den großen Containerschiffen bis zu den kleinen Feedern, von Tankern bis zu Kreuzfahrtschiffen – ist dies das gängige Arbeitszeitmodell. Das muss ein Ende haben“, so die Gewerkschafterin.