Paketdienst-Branche: Gutachten befürwortet Verbot von Subunternehmen

Am 15. September hat ver.di auf einer Pressekonferenz ihre Bedenken bezüglich der Verfassungsmäßigkeit von Subunternehmerstrukturen in der Paketdienst-Branche erörtert. Ein neues Gutachten plädiert dafür, ein Direktanstellungsgebot in der Paketzustellung einzuführen, bei dem der Kernbereich der Tätigkeit mit eigenen Arbeitnehmern besetzt werden sollte.
15.09.2023
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Berlin – In der Paketbranche sind prekäre Arbeitsbedingungen seit Jahren ein zentrales Problem. Die Beschäftigten, insbesondere jene, die nicht direkt bei den großen Paketdienstleistern angestellt sind, sehen sich mit chronisch überlastenden Arbeitszeiten, niedrigen Löhnen und unzureichendem Arbeitsschutz konfrontiert. Angesichts dieser Missstände stellt sich die Frage nach der Verfassungsmäßigkeit von Subunternehmerstrukturen und der Notwendigkeit von Gesetzen, die die Arbeitsbedingungen in der Paketbranche verbessern sollen, als besonders relevant dar. Im Fokus der Debatte steht die grundlegende Frage, ob es in Ordnung ist, dass Unternehmen unter dem Deckmantel unternehmerischer Freiheit ihre Betriebsmodelle so ausgestalten können, dass wiederholt gegen geltende Arbeits- und arbeitsrechtliche Normen verstoßen wird.

Andrea Kocsis, stellvertretende ver.di-Vorsitzende, verweist im Bezug auf gesetzliche Regelungen auf das Beispiel der Fleischindustrie, in der skandalöse Arbeitsbedingungen aufgedeckt wurden und gesetzliche Regelungen eingeführt wurden. Dort hatten Arbeitgeber versucht, vor dem Bundesverfassungsgericht Beschwerde einzulegen, jedoch erfolglos. 

Prekäre Arbeitsbedingungen: Ein Dauerproblem in der Paketbranche

„Die Organisation in Kleinstunternehmen ist aus unserer Sicht genau dazu da, betriebliche Mitbestimmungen und Tarifverträge zu umgehen. Deswegen können wir auch als ver.di sagen, dass wir in diesen Subunternehmerstrukturen keine Tarifbindung vorfinden und in aller Regel auch keine Betriebsräte.” Dabei betont Andrea Kocsis auch, dass es sich nicht um den deutschen Mittelstand handelt, wie oft in der Politik behauptet wird, sondern um Tausende von Kleinstunternehmen, die von den großen Paketdienstleistern eingesetzt werden.

ver.di stellt regelmäßige Verstöße gegen Arbeitsschutzgesetze in der Branche fest, was auch von der Finanzkontrolle Schwarzarbeit bestätigt wird. Andrea Kocsis kritisiert deshalb die geplante Abnahme von Personal in diesem Bereich im Rahmen des neuen Wachstums-Chancengesetzes und fordert stattdessen verstärkte Kontrollen. Selbstverpflichtungserklärungen von Unternehmen lehnt die Gewerkschafterin hingegen ab: „Es ist höchste Zeit für ein gesetzliches Verbot von Subunternehmen in der Paketbranche, um prekäre Arbeitsbedingungen, Ausbeutung und illegale Beschäftigung wirksam zu bekämpfen."

Gutachten fordert klare Verantwortlichkeiten 

Unterstützt wir dieser Vorstoß von einem Gutachten, das von Manfred Walser, Professor für Arbeitsrecht und Wirtschaftsprivatrecht, zusammen mit seiner Mitarbeiterin Anneliese Kercher erstellt wurde. Das Gutachten, das im Auftrag des Hugo Sinzheimer Instituts der Hans-Böckler-Stiftung für Arbeitsrecht erstellt wurde, kommt zu dem Schluss, dass ein Direktanstellungsgebot in der Paketzustellung mit dem Verfassungs- und Europarecht vereinbar wäre. Dabei wird betont, dass der Schutz der Beschäftigten und die Verbesserung ihrer Arbeitsbedingungen im Vordergrund stehen. Die Studie empfiehlt, den Kernbereich der Tätigkeit in der Paketzustellung mit eigenen Arbeitnehmer*innen zu besetzen, um klare Verantwortlichkeiten zu schaffen und illegale Beschäftigung zu verhindern.

Das Gutachten stützt sich auf bereits bestehende Verfassungsrechtsentscheidungen, insbesondere im Bereich der Bauwirtschaft, die ein Verbot von Überlassungen als verfassungskonform bezeichneten. Die Gewerkschaft betont, dass das Direktanstellungsverbot verhältnismäßig ist und ein legitimes Allgemeininteresse verfolgt, nämlich den Schutz der Beschäftigten und die Verbesserung ihrer Arbeitsbedingungen.

Insgesamt sieht ver.di das Direktanstellungsverbot als einen Schritt zur Schaffung fairer Arbeitsbedingungen in der Paketdienst-Branche und zur Stärkung der Rechte der Beschäftigten. Die Gewerkschaft betont die Bedeutung von transparenten Strukturen, Mitbestimmung und Tarifautonomie, um die Situation der Beschäftigten in dieser Branche zu verbessern.