In einer aktuellen Auswertung von 20 ausgewählten Tarifbranchen, die kurz vor Beginn des neuen Ausbildungsjahres 2023 vom Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung veröffentlicht wurde, zeigt sich eine große Spannbreite bei den durch Tarifvertrag festgelegten Ausbildungsvergütungen. Sie reicht von der gesetzlichen Mindestausbildungsvergütung (620 Euro pro Monat) im ersten Ausbildungsjahr, zum Beispiel im Friseurhandwerk, bis zu 1.580 Euro pro Monat im westdeutschen Bauhauptgewerbe im vierten Ausbildungsjahr.
In einigen Branchen wurden die Ausbildungsvergütungen jedoch deutlich erhöht. Das liegt daran, dass es in diesen Bereichen immer weniger Auszubildende gibt und viele Firmen Schwierigkeiten haben, genug Fachkräfte zu finden, wie Prof. Dr. Thorsten Schulten, Leiter des WSI-Tarifarchivs, erklärt.
Dem schließt sich Levin Schneider-Siebiera, stellvertretender Vorsitzender der ver.di Jugend, an: „Eine Stellschraube, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken, ist eine attraktive Ausbildung. Dazu gehört auch eine Ausbildungsvergütung, von der sich Auszubildende den Start in ein eigenes Leben finanzieren können.”
Besonders stark gestiegen sind die Vergütungen im Backhandwerk mit 26,5 Prozent ab dem 1. August 2023, sowie im bayerischen Gastgewerbe, in der westdeutschen Floristik und in der Süßwarenindustrie Nordrhein-Westfalen.
Trotz dieser positiven Entwicklungen zeigen sich jedoch weiterhin große Niveauunterschiede bei den Ausbildungsvergütungen nach Branche und Region – auch, weil die Tarifverhandlungen zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften noch nicht zu einem Ergebnis geführt haben oder abgebrochen wurden. Das ist zum Beispiel bei der Deutschen Bahn AG oder dem nordrhein-westfälischen Friseurhandwerk der Fall.
In zehn der untersuchten Tarifbranchen liegen die Vergütungen zumindest teilweise über 1.000 Euro pro Monat. Die höchste Ausbildungsvergütung, die in den untersuchten Tarifbranchen ermittelt wurde, beträgt aktuell im ersten Ausbildungsjahr 1.231 Euro (Öffentlicher Dienst: Länder) bzw. 1.191 Euro (Öffentlicher Dienst: Bund und Gemeinden) für die Pflegeberufe. Diese Vergütungen sind Ergebnis gesonderter Regelungen innerhalb der Tarifverträge des öffentlichen Dienstes. Daher fordert ver.di weiter eine Stärkung der Tarifbindung: „Es zeigt sich, dass dort, wo es Tarifverträge gibt, die Ausbildungsvergütung deutlich höher ausfällt. Zum einen ist die Stärkung der Tarifbindung also dringend notwendig, zum anderen muss aber auch die Mindestausbildungsvergütung deutlich steigen“, fordert Schneider-Siebiera.