Aktuelle Rechtssprechung für Personalräte

Eine Sammlung gerichtlicher Entscheidungen mit Relevanz für Mitglieder im Personalrat, unterteilt nach Tätigkeitsbereichen

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Nahaufnahme der Justitia
12.02.2021

INHALT

Gerichtsurteile für den Personalrat

In dieser Übersicht sammeln wir aktuelle Gerichtsurteile für den Personalrat, sortiert nach Kategorien und Tätigkeitsbereichen. Die Seite wird laufend erweitert, setzt euch am besten ein Lesezeichen und schaut ab und an wieder vorbei!

Geschäftsführung


  • Vorsitz des Personalrats

    Beschluss des BVerwG vom 15.05.2020: Vorsitz eines Personalrats kann nur eine*r der beiden Gruppensprecher*innen sein. Ein Verstoß dagegen führt nicht zur Unwirksamkeit.

    Zum Vorsitz des Personalrats kann nur eine*r der beiden Gruppensprecher*innen gem. § 32 Abs. 1 BPersVG gewählt werden. Dies stellt das Bundesverwaltungsgericht mit Beschluss vom 15. Mai 2020 fest (vgl. Az.: 5 P 3.19).

    Ein wirksamer Verzicht auf den Vorsitz durch ein*e Gruppensprecher*in ist rechtlich nicht möglich, sodass anstelle der Gruppensprecher*innen keine Mitglieder des erweiterten Vorstandes i. S. v. § 32 Abs. 2 BPersVG für den Vorsitz wählbar sind.

    Somit stellt die Wahl eines Mitglieds des erweiterten Vorstandes einen Verstoß gegen zwingende Vorschriften des BPersVG dar. Dieser Verstoß ist aber nicht offenkundig, sodass er zwar anfechtbar, aber nicht unwirksam ist. Wird der Verstoß also nicht gerichtlich geltend gemacht, bleiben sowohl die Wahl als auch alle in der Folge gefassten Beschlüsse wirksam.

    Letzteres ist zu begrüßen: Das Bundesverwaltungsgericht scheint damit die strenge Linie in Bezug auf die Unwirksamkeit von Personalratsbeschlüssen aufzuweichen, die unter Verstoß gegen zwingende Verfahrensvorschriften zustande gekommen sind.

     

Rechts­stel­lung der Mit­glie­der


  • Rechtsschutz gegen Videokonferenzen

    Beschluss des OVG Hamburg vom 02.11.2020: Verwaltungsrechtsweg für einzelne Personalratsmitglieder gegen Videokonferenzen eröffnet, Hamburgische Pandemieregelung verfassungsgemäß

    Ein einzelnes Personalratsmitglied kann einen Anspruch gegen den Personalrat im verwaltungsgerichtlichen Beschlussverfahren geltend machen, der auf die Unterlassung der Durchführung virtueller und die Durchführung von Präsenzsitzungen abzielt, stellt das Hamburgische Oberverwaltungsgericht zutreffend fest (vgl. Az.: 14 Bs 193/20.PVL).

    Im konkreten Fall sah das OVG Hamburg die pandemiebedingte Ausnahmevorschrift des § 5 des „Gesetzes zur Anpassung personalvertretungsrechtlicher Regelungen aus Anlass der Ausbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2 vom 28.05.2020“ als geeignet, erforderlich, verhältnismäßig, hinreichend bestimmt und somit verfassungsgemäß an und wies den Antrag als unbegründet zurück.

    Positiv zu bewerten ist, dass einzelnen Personalratsmitgliedern grundsätzlich der Verwaltungsrechtsweg offensteht, wenn sie (in aller Regel wohl aus guten Gründen) Präsenzsitzungen erzwingen wollen.

    Es ist allerdings festzustellen, dass die dem Verfahren zugrunde liegende Ausnahmevorschrift in Hamburg eine denkbar ungünstige Regelung zur Aufrechterhaltung der Personalvertretung in Pandemiezeiten darstellt: Sie ermöglicht Beschlüsse, „die mittels einer einen gegenseitigen Austausch ermöglichenden Audio- oder Videoübertragung“ gefasst werden, wobei weder inhaltliche Einschränkungen noch Widerspruchsmöglichkeiten der Mitglieder des Gremiums vorgesehen sind. Ein gutes Beispiel, wie man es nicht machen sollte!

     

  • Anfechtung einer Personalratswahl

    Bereits im Jahr 2018 hat das Verwaltungsgericht Hamburg eine Wahl zum Personalrat wegen mehrerer Verstöße gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlverfahren (§§ 25 Abs. 2, 12 Abs. 1 BPersVGWO) für unwirksam erklärt.

    Diese Entscheidung ist allerdings erst im Juni 2020 durch die Einstellung des Beschwerdeverfahrens vor dem Oberverwaltungsgericht Hamburg rechtskräftig geworden.

    Gegenstand des Verfahrens war die Anfechtung der PR-Wahl im Jahr 2016 aufgrund der Benachteiligung der ver.di-Liste, insbesondere dadurch,

    • dass nicht nur die ersten zwei Bewerber*innen auf den Stimmzetteln aufgeführt waren, sondern alle auf der Liste stehenden Bewerber*innen.
    • dass der Stimmzettel aus zwei Seiten bestand und nicht wie in § 25 Abs. 2 BPersWO vorgesehen nur ein Stimmzettel verwendet wurde. 

    Nach unserem Kenntnisstand ist diese Entscheidung insbesondere hinsichtlich der Verwendung von zwei Seiten des Stimmzettels bisher so zu Personalratswahlen nicht ergangen. 

    Die Entscheidung steht als PDF zum Download zur Verfügung.

     

    Beschluss des Verwaltungsgerichts Hamburg: PR-Wahl rechtsunwirksam (09/2018)

    180918_VG-HH_23-FB-6-16_BPersVG.pdf (PDFMB)

     

  • Anspruch auf Grundschulung

    Beschluss des OVG Saarland vom 06. März 2018 zum Anspruch auf Grundschulung von neu gewählten Personalratsmitgliedern

    Der Personalrat kann regelmäßig beanspruchen, neu gewählte Mitglieder zu einer durch den Bildungsträger ver.di b+b durchgeführten Grundschulung von einer Dauer von insgesamt zehn Tagen zu entsenden (vgl. Az 5 A 414/17). Die Eignung der beiden Wochenseminare PR 1 und PR 2 von ver.di b+b als Grundschulung steht nicht in Frage, ebenso sind die von ver.di b+b festgesetzten Seminargebühren nicht unangemessen hoch.

    Verweigert die Dienststellenleitung die Kostenübernahme unter Hinweis auf das Gebot der sparsamen Haushaltsführung, ist dies nur zulässig, wenn sie auf ein kostengünstigeres Schulungsangebot verweisen kann, das mit dem begehrten Seminar mindestens gleichwertig ist. Hier ist es an der Dienststelle, ein Angebot vorzulegen und nachvollziehbar zur Gleichwertigkeit vorzutragen.

    Dabei muss für die Personalratsarbeit „unentbehrliches Grundwissen“ mit einer Intensität behandelt werden, die über einen bloßen Überblick hinausgeht. Allein die Tatsache, dass kostengünstigere Angebote vorliegen, reicht also nicht aus, um den Anspruch des Personalrats auf Kostenübernahme ins Wanken zu bringen!

     

Reich­wei­te der Mit­be­stim­mung


  • Versetzungen

    In Betrieben mit Betriebsrat bedarf jede Versetzung dessen Zustimmung, ähnlich verhält es sich in Dienststellen mit Personalrat. Wenn allerdings eine Interessenvertretung fehlt, sieht das leider ganz anders aus. 

    Das LAG Mecklenburg-Vorpommern hat am 30.07.2019 entschieden, dass es Arbeitgeber*innen in Betrieben bzw. Dienststellen ohne Interessenvertretung weitgehend freisteht, wie sie auf Konflikte zwischen Beschäftigten reagieren. Sofern eine Versetzung grundsätzlich nicht unzumutbar ist, können Arbeitgeber*innen frei entscheiden, wen sie im Konfliktfall versetzen. Nicht einmal eine Anhörung des oder der Betroffenen hielt das Gericht für erforderlich.

    Diese Entscheidung zeigt einmal mehr, wie wichtig Betriebs- bzw.- Personalräte sind!

    In Betrieben mit Betriebsrat bedarf jede Versetzung dessen Zustimmung. Wird diese verweigert, ist arbeitgeberseitig ein Zustimmungsersetzungsverfahren durchzuführen, was stets zu einer Anhörung des oder der Betroffenen führen wird, § 99 Abs. 1 und 2 BetrVG.

    Aber auch im Personalvertretungs- und Mitarbeitervertretungsrecht ist eine Versetzung in der Regel ohne Beteiligung der Interessensvertretung rechtlich nicht möglich (z.B. § 75 Abs. 1 Nr. 3 BPersVG: Versetzung in eine andere Dienststelle oder Umsetzung innerhalb der Dienststelle, wenn sie mit einem Wechsel des Dienstortes verbunden ist).

    Alle Details zum Urteil:

     

Wei­te­re re­le­van­te The­men


  • Zeiterfassungssystem

    EuGH-Urteil verpflichtet Arbeitgeber zur Einrichtung eines Systems für die Erfassung der Arbeitszeit

    Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber sind verpflichtet, ein System zur Erfassung der täglichen Arbeitszeit ihrer Beschäftigten zu errichten. Das gebieten die Vorschriften zur Höchstarbeitszeit vor dem Hintergrund des Gesundheitsschutzes. Dies ergibt sich aus den Richtlinien 89/391 sowie 2003/88.

    In der Entscheidung des EuGH wird auf die Bedeutung der Arbeitnehmervertretungen verwiesen, die die Umsetzung von Höchstarbeitszeiten und die Einhaltung von Ruhezeiten zu überwachen haben (Art. 11 Abs. 3 der Richtlinie 89/391).

    Hinsichtlich Höchstarbeitszeiten und Ruhezeiten bestimmt die Richtlinie eine Höchstarbeitszeit von 48 Stunden bezogen auf einen 7-Tage-Zeitraum, eine wöchentliche Ruhezeit von 24 Stunden zuzüglich einer täglichen Ruhezeit von elf Stunden.

    Für die Bundesrepublik Deutschland gelten die Vorschriften des Arbeitszeitgesetzes, die die Vorgaben der genannten Richtlinie erfüllen.

    Betriebs- und Personalräte haben demnach die Pflicht, den Arbeitgeber hinsichtlich der Erfassung von Arbeitszeiten und der Erfüllung arbeitszeitrechtlicher Vorschriften zu überwachen.

    Das Zeiterfassungssystem muss den Beschäftigten ermöglichen, die geleistete Arbeitszeit mithilfe der Aufzeichnungen objektiv nachzuweisen. Das System muss zuverlässig arbeiten und insbesondere Manipulationsmöglichkeiten ausschließen. Schließlich müssen die erfassten Arbeitszeiten den Beschäftigten zum Zwecke der Beweisführung zugänglich sein.

    Die Relevanz der Entscheidung für Betriebs- und Personalräte ergibt sich zum Einen aus der allgemeinen Überwachungspflicht (§ 80 Abs. 1 S. 1 BetrVG, § 80 Abs. 1 Nr. 2 BPersVG bzw. entsprechende Vorschriften der Landespersonalvertretungsgesetze), zum Anderen aus dem Mitbestimmungsrecht hinsichtlich der Art und Anwendung des jeweiligen Zeiterfassungssystems (§ 87 Abs. 1 Nr. 2 und 6 BetrVG, § 75 Abs. 3 Nr. 1, 15 und 17 BPersVG (bzw. entsprechende Vorschriften der Landespersonalvertretungsgesetze).