Berlin, 11.11.2021 – Im März 2020, mit Beginn der Corona-Pandemie, meldete der Betreiber des Klinikums Peine Insolvenz in Eigenverwaltung an. Es bestand die Gefahr einer vollständigen Schließung, viele Mitarbeiter*innen kündigten. Heute ist das Klinikum gesichert: Es wurde nämlich rekommunalisiert, die öffentliche Hand hat den Betrieb wieder übernommen. Auch zuvor ausgegliederte Dienste wurden aus den Servicegesellschaften zurückgeholt. Der Standort ist gesichert. Und das ist ein Erfolg des Betriebsrats. Er erhielt dafür jetzt den Deutschen Betriebsräte-Preis in Silber.
Und so ist es dazu gekommen: Der Betriebsrat war mit ver.di und dem Marburger Bund in die Offensive gegangen. Er informierte die Öffentlichkeit und die Medien ausführlich über die wirtschaftlich schwierige Lage. Eine Petition und eine Unterschriftensammlung, aber auch Demonstrationen und Aktionen trotz der Pandemie-Einschränkungen brachten zusätzliche Aufmerksamkeit. Der Zuspruch aus der Bevölkerung war groß, aber auch von lokalen Betrieben, Geschäftsleuten und den niedergelassenen Ärzten.
Daneben führten die Interessenvertreter*innen Gespräche mit den politisch Verantwortlichen und dem Sachverwalter. Durch diesen breiten politischen Druck konnten sie erreichen, dass das Klinikum schließlich rekommunalisiert wurde. Sogar Mitarbeiter*innen, die das Klinikum wegen der drohenden Schließung verlassen hatten, sind mittlerweile zurückgekehrt.
https://wir-fuer-das-klinikum-peine.jimdosite.com
https://publik.verdi.de/ausgabe-202105/zurück-in-die-öffentliche-hand/
https://publik.verdi.de/ausgabe-202003/absurd-schließung-droht/
Die Betriebsrätepreise wurden auch in diesem Jahr beim Deutschen Betriebsrätetag verliehen. Neben dem Betriebsrat des Klinikums Peine konnte sich eine weitere ver.di-Initiative über eine Auszeichnung freuen: der Konzernbetriebsrat der IBM Central Holding GmbH aus Hamburg. Sie hatten im Juli 2020 eine Konzernbetriebsvereinbarung abgeschlossen, über die Einführung und den Einsatz von Systemen der Künstlichen Intelligenz. Dafür gab es den Sonderpreis in der Kategorie Digitalisierung.
Der Konzernbetriebsrat hat dabei im Blick behalten, dass die Systeme der Künstlichen Intelligenz (KI) fehlbar sind und ihre Effizienz von der Qualität der Daten, den Algorithmen und dem Training abhängt. Außerdem sollte sie diskriminierungsfrei sein. ver.di-Bundesvorstandsmitglied Christoph Schmitz würdigte die Vereinbarung in seiner Laudatio als „zukunftsweisendes und herausragendes Projekt“.
Einer der wesentlichen Erfolgsfaktoren sei die partnerschaftliche Herangehensweise gewesen. Schmitz geht davon aus, dass die Vereinbarung als erste ihrer Art deutschlandweit als Blaupause für viele weitere Vereinbarungen in unterschiedlichen Branchen, Unternehmen und Betrieben dienen wird. Denn sie sichere die Transparenz der KI-Systeme, die Erklärbarkeit der Ergebnisse, Fairness und die Garantie, dass am Ende eine menschliche Entscheidung stehe.
Das Publikum entschied sich für den Betriebsrat der AWO Recklinghausen. Der hat in der Corona-Pandemie durchgesetzt, dass die AWO ihren Beschäftigten Dienstkleidung zur Verfügung stellen musste. „Corona hat uns insofern geholfen, da es durch dieses Virus leichter war, das konsequente Maskentragen umzusetzen. Die Einführung dienstlicher Arbeitskleidung durchzusetzen, war erheblich schwieriger. Natürlich sollte es selbstverständlich sein, dass jede Pflegekraft vom Arbeitgeber gestellte und hygienisch einwandfreie Kleidung bei der Arbeit trägt. Ist es aber nicht. Manche Kollegin trägt bei der Pflege Privatkleidung – und geht etwa nach einer Wundversorgung mit denselben Klamotten zum Einkaufen. Lange mussten wir als Betriebsrat kämpfen, um diese Zustände abzustellen. Weder der Träger, noch die Heimaufsicht interessierten sich. Geholfen hat uns letztlich, dass der Gesamtbetriebsrat den Petitionsausschuss im Landtag von Nordrhein-Westfalen eingeschaltet hat. Dieser hat unsere Forderung zur Einführung der Dienstkleidung mitgetragen“, hatte Detlev Beyer-Peters, Betriebsratsvorsitzender beim AWO-Seniorenzentrum Recklinghausen, schon in der ver.di publik 06_2021 erzählt. Da ahnte er noch nichts von der Auszeichnung.
Die weiteren Preisträger*innen sind:
Mehr zu allen ausgezeichneten und nominierten Projekten unter
https://www.bund-verlag.de/betriebsrat/deutscher-betriebsraete-preis/Preis-2021
Der „Deutsche Betriebsräte-Preis“ ist eine Initiative der Fachzeitschrift „Arbeitsrecht im Betrieb“. Damit wird seit 2009 das Engagement und die erfolgreiche Arbeit von Betriebsräten ausgezeichnet, die sich nachhaltig für den Erhalt oder die Schaffung von Arbeitsplätzen, die Verbesserung der Arbeitsbedingungen oder die Bewältigung von Krisen in den Unternehmen einsetzen.
Schon jetzt können sich Interessenvertretungen für den Deutschen Betriebsrätepreis 2022 bewerben. Gesucht werden Betriebsräte, die sich für gute Mitbestimmung ins Zeug legen.
https://www.bund-verlag.de/betriebsrat/deutscher-betriebsraete-preis/einfach-bewerben