Die Vorkonferenzen, etwa der Weltfrauenkonferenz, der Regionalverbände oder der jungen Arbeitnehmer*innen haben schon am 12. Oktober begonnen. Die IÖD vereint unter ihrem Dach 669 Gewerkschaften aus 154 Staaten mit insgesamt rund 20 Millionen Mitgliedern. Sie arbeiten im öffentlichen Dienst, aber auch im Gesundheits- und Sozialwesen sowie in den Bereichen Ver- und Entsorgung (Energie, Müll, Wasser).
„Menschen vor Profit“ lautet das Motto des Kongresses, insbesondere vor einer Welt, die aktuell und in den vergangenen Jahren von verschiedenen Krisen geprägt wird und wurde. In einer ersten Gesprächsrunde wurde mit Expert*innen aus Gewerkschaften und Wissenschaft weltweit eine Art Bestandsaufnahme gemacht: Wer legt globale Regeln fest? Wie können Gewerkschaften die Macht der Unternehmen herausfordern? Welche Rolle spielen multilaterale Unternehmen? Und was bedeutet dieses Zusammenspiel für die internationale Gewerkschaftsbewegung?
„Die Pandemie hat uns gezeigt, wie wichtig die öffentlichen Dienste sind. Aber das hat nicht dazu beigetragen, dass wir heute mehr investieren und bessere Bedingungen für die Beschäftigten im Gesundheitswesen schaffen", sagte Emilia Saiz, Generalsekretärin eines internationalen Netzwerks von Städten und Gemeinden (United Cities and Local Governments, UCLG). Die Pandemie und ihre Folgen waren auch einer der Schwerpunkte des Kongresses, da in vielen Bereichen gezeigt hat, dass die Mitglieder der zur IÖD gehörenden Gewerkschaften in systemrelevanten Branchen gehören, etwa in Krankenhäusern, in der Verwaltung, aber auch in der Ver- und Entsorgung. Die IÖD ist als weltweit einziger Dachverband auch in der Weltgesundheitsorganisation WHO vertreten und konnte sich dort für die Rechte der Beschäftigten einsetzen, die bei der Bekämpfung der Pandemie in der ersten Reihe gestanden haben.
Einen weiteren Schwerpunkt wollen der IÖD und seine Mitgliedsgewerkschaften in den kommenden Jahren auf die Gewinnung neuer Gewerkschaftsmitglieder legen. Deswegen ging es auch um die Organizing und Strategien, wie man aktive Gewerkschafter*innen gewinnen kann. Weiteres Thema waren Kampagnen auf der politischen Ebene, etwa für höhere Steuern für Reiche. Diese Mehreinnahmen kommen dann auch den öffentlichen Diensten zugute. Ebenfalls wendet sich der IÖD gegen weitere Privatisierungen öffentlicher Dienste. „Die Zukunft ist öffentlich“ war der Titel einer der Diskussionsrunden, in der die Public-Futures-Datenbank vorgestellt wurden, in der Rekommunalisierungsbeispiele erfasst werden. Außerdem wurden Beispiele etwa aus Kanada oder Australien vorgestellt, bei denen sich Beschäftigte des öffentlichen Dienstes mit den Gemeinden zusammengeschlossen haben.
Ein von Privatisierungen betroffener Bereich ist das Gesundheitswesen. Hier hat sich im Gesundheitswesen nicht zuletzt während der Pandemie gezeigt, dass Privatisierungen nicht zu einer besseren Versorgung der Bevölkerung beitragen. Am Beispiel des Gesundheitskonzerns Fresenius wird zudem deutlich, wie wichtig es ist, dass sie die Beschäftigten aus den unterschiedlichen Ländern, in denen der Konzern aktiv ist, zusammenschließen und gemeinsam für bessere Löhne und Arbeitsbedingungen kämpfen – und auch für gute Bedingungen für die gewerkschaftliche Arbeit in den Betrieben. Im Rahmen eines Aktionsprogramms erhielt der IÖD das klare Mandat, sich weiterhin für öffentliches Eigentum, demokratische Kontrolle und den Kampf gegen Privatisierung einzusetzen.
Debattiert hat der Kongress auch über die Auswirkungen der Digitalisierung auf die Arbeit der Beschäftigten in den öffentlichen Diensten. „Digitale öffentliche Güter, die vom Staat bereitgestellt werden, werden oft vom privaten Sektor angeeignet, wobei wir keine Kontrolle über Unternehmen oder Daten haben. Diese Situation gefährdet nicht nur die Demokratie, sondern auch die Autonomie der Menschen und die Arbeitsrechte“, warnte Anita Gurumurthy, Vertreterin der Nichtregierungsorganisation IT for change in einer Podiumsdiskussion.
Wichtig sei es, da waren sich die diskutierenden einig, dass auch die Gewerkschaften ihre Mitglieder und ihre lokalen Führungskräfte in Sachen Digitalisierung schulen. Dazu stellte Juan Carlos Hidalgo, Vertreter einer chilenischen Gewerkschaft für Justizbeschäftigte seine positiven Erfahrungen mit IÖD-Schulungsprogrammen vor Ort vor. Digitale Kompetenz sei ein wichtiges Element, das die Gewerkschaft einbeziehen müsse, wenn sie die künstliche Intelligenz im öffentlichen Dienst und ihre Auswirkungen auf die Arbeitnehmerrechte verstehen wollten.
Nach langen Diskussionen stimmten die Delegierten einem Änderungsantrag zu, nachdem jetzt ein globaler LGBTQA+-Koordinierungsausschusses eingerichtet wird, der virtuell regelmäßig, mindestens einmal pro Halbjahr, zusammentritt und dem regionale Koordinator*innen angehören, die aus den Mitgliedern der regionalen Koordinierungsausschüsse gewählt werden. Verabschiedet wurde auch ein Aktionsplan für die kommenden fünf Jahre.
Gewählt wurden Daniel Bertossa zum neuen Generalsekretär und Britta Lejon als neue IÖD-Präsidentin. ver.di hatte die Anreise belarussischer Gewerkschafter*innen, die im Exil leben, zum Kongress finanziell unterstützt.