Die Zeiten, in denen Betriebe es sich wirtschaftlich leisten konnten, auf Gleichstellung zu verzichten, gehen auch hierzulande langsam zu Ende.
Zum einen aus rechtlichen Gründen: Mit der Verabschiedung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes ist die Diskriminierung von Beschäftigten aufgrund ihres Geschlechts – deutlicher noch als in früheren Regelungen – in Deutschland seit 2006 gesetzlich verboten. Unternehmen, die Frauen bei der Einstellung, beim Zugang zu Weiterbildungsmaßnahmen oder bei der Bezahlung benachteiligen oder in Fällen sexueller Belästigung am Arbeitsplatz nicht einschreiten, verstoßen damit gegen das Gesetz und riskieren Schadensersatz- und Entschädigungsansprüche.
Mangelnde Chancengleichheit für Frauen wird Betriebe künftig aber noch aus einem anderen Grund teuer zu stehen kommen. Schon jetzt zeichnet sich in vielen Branchen ein Mangel an Fachkräften ab, der in den nächsten Jahren kräftig zunehmen wird. Wer Frauen heute nicht für Zukunftsberufe qualifiziert, wer ihnen keine gleichberechtigten Aufstiegsmöglichkeiten einräumt, sie bei der Bezahlung benachteiligt oder ihnen nicht bei der Vereinbarung von Arbeit und Familie entgegenkommt – kurz: wer nicht in ihre betriebliche Gleichstellung investiert, wird künftig Schwierigkeiten haben, qualifizierte Arbeitskräfte zu finden.
Die Chancen zur Verwirklichung betrieblicher Regelungen für mehr Chancengleichheit stehen also gut. Weil solche Angebote aber umso erfolgreicher sind, je genauer sie auf die jeweilige Branche und den jeweiligen Betrieb zugeschnitten sind, beteiligt sich ver.di derzeit mit einem groß angelegten Projekt an der „Bundesinitiative zur Gleichstellung von Frauen in der Wirtschaft“ des Europäischen Sozialfonds für Deutschland (ESF). Unter dem Titel „Arbeitsqualität für Frauen durch branchenorientierte Chancengleichheitspolitik und gezielte Frauenförderung – ein Geschwisterpaar für die Gleichstellungspolitik“ wird untersucht, welche Gleichstellungsstrategien in so unterschiedlich strukturierten Branchen wie dem Handel, den Finanzdienstleistungen sowie der Ver- und Entsorgung erfolgversprechend sind. Dabei geht es gerade nicht darum, den Betrieben vorgefertigte Konzepte überzustülpen, im Gegenteil. Am Anfang des Projekts steht deshalb eine Bestandsaufnahme, die Ergebnisse werden zusammen mit den Akteurinnen und Akteuren vor Ort diskutiert, gemeinsam wird ein Aktionsplan für den jeweiligen Betrieb entwickelt. Das Projekt, in dessen Rahmen weibliche Führungskräfte qualifiziert und betriebliche Akteure für Benachteiligungen sensibilisiert werden sollen, läuft noch bis Juli 2013.
Gute Arbeitsbedingungen, ausgewogene Arbeitszeiten, familienfreundliche Angebote und eine gute Vereinbarkeit von Arbeit und Familie sind jedoch nicht nur eine wichtige Voraussetzung für Chancengleichheit. Sie bilden auch die Voraussetzung für gute Arbeit von Männern und Frauen. Dass sich entsprechende Investitionen für die Unternehmen rechnen, hat eine breit angelegte Untersuchung des Forschungszentrums Familienbewusste Personalpolitik (FFP) belegt: So haben familienorientierte Betriebe 26 Prozent mehr Bewerberinnen und Bewerber, die Bindung der Beschäftigten sowie deren Motivation und Produktivität lagen um fast ein Fünftel höher als anderswo. ver.di will Interessenvertretungen auch im Internet fit in Sachen Work-Life-Balance (Vereinbarkeit von Arbeit und Privatleben) und betrieblicher Chancengleichheit machen. Dazu hat die Gewerkschaft das virtuelle Netzwerk br-pr-aktiv.verdi.de geschaffen. Hier finden Personal- und Betriebsräte praktische Hilfen und Informationen zu aktuellen gleichstellungspolitischen Themen, eine Anleitung zur gendergerechten Gestaltung von Textvorlagen sowie Textauszüge für Betriebs- und Dienstvereinbarungen zu den Themen Chancengleichheit, Vereinbarkeit, Entgeltgleichheit und Gute Arbeit. Das Onlineportal ermöglicht den schnellen Erfahrungsaustausch und macht neue Entwicklungen und Strategien der betrieblichen Chancengleichheit bekannt.
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