Berlin, 1. Juni 2018 | Verbände und Gewerkschaften der Film- und Fernsehbranche haben gemeinsam mit Vertretungen der Produzent/innen, Sender, Theater und Orchester in Deutschland einen Verein als Träger für eine unabhängige Vertrauensstelle gegen sexuelle Belästigung und Gewalt gegründet.
Die Staatsministerin für Kultur und Medien, Monika Grütters, erklärte: „Es war und ist mir ein wichtiges politisches und menschliches Anliegen, angesichts sexueller Belästigungen, Demütigungen und Gewalt in der Filmbranche, aber auch in anderen Kultursparten eine Anlaufstelle mit zu initiieren, an die Betroffene sich vertrauensvoll wenden können.“ Dafür habe sie neben der politischen auch finanzielle Unterstützung zugesichert. Mit der „Vertrauensstelle gegen sexuelle Belästigung“ sei nun ein breites Bündnis aus der besonders betroffenen Film-, Fernseh- und Theaterbranche aufgestellt, an dem sich aber auch Vertreter anderer Kulturzweige beteiligen können. „Ich begrüße es, dass es gelungen ist, so viele Partner ins Boot zu holen, die dieses Projekt jetzt gemeinsam verwirklichen. Die Zeit des Schweigens muss vorbei sein!", so die Ministerin.
Anders als in anderen Branchen arbeiten im Film- und Fernsehbereich überwiegend Kreative, die als kurz befristet Beschäftigte oder selbstständige Mitarbeiter ständig zwischen Filmbetrieben ohne feste Belegschaft oder Betriebsrat hin und her wechseln und dadurch auch permanent auf Arbeitsuche sind. „Darum sind Beschwerdestellen auf betrieblicher Ebene schwer einzurichten und wenig sinnvoll“, sagt Cornelia Haß, ver.di-Bereichsleiterin Medien. Nur eine überbetriebliche Beschwerdestelle könne ihre vom Gesetzgeber gewünschte Wirkung voll entfalten, daher sei es überfällig, eine entsprechende Einrichtung zu schaffen, so Haß.
Die Vertrauensstelle richtet sich an Betroffene sexueller Belästigung und Gewalt und ist zunächst auf den Film-, Fernseh-, Theater- und Orchesterbereich beschränkt, kann aber durch Beteiligung weiterer Unterstützer/innen und entsprechender Branchenvertreter/innen auf die gesamte Medienbranche, den Musikbereich und andere Kulturzweige ausgeweitet werden. Neben der Entgegennahme und Prüfung von Beschwerden und der Unterstützung Betroffener stehen die Aufarbeitung und Prävention sexueller Belästigung und Gewalt im Mittelpunkt.
Barbara Rohm, Pro Quote Film Vorstand, und Heide Schwochow, Vorstand Deutsche Filmakademie, sagten nach der Gründung der unabhängigen Vertrauensstelle für die beteiligten Branchenverbände und -institutionen: „Dass die #Metoo-Debatte zur Zusammenarbeit so vieler Branchenvertreter/innen geführt hat, ist ein wichtiges Signal für alle Betroffenen.“ Jetzt gelte es, die Idee eines Kulturwandels hin zu einem belästigungs- und gewaltfreien Arbeiten in die Tat umzusetzen. Diese Aufgabe erfordere viel Engagement und einen langen Atem. Die großen Erwartungen, die an die überbetriebliche und neutrale Beschwerdestelle gerichtet werden, dürften nicht enttäuscht werden. In mehreren Veranstaltungen der Deutschen Filmakademie sei immer wieder zum Ausdruck gekommen, dass sich die Branche sowohl eine juristische Einordnung von Fällen sexueller Belästigung und Gewalt wünscht, als auch eine psychologische Erstbetreuung. „Das ist das Wunderbare an der Vertrauensstelle: Sie wird Problemlösungen und aktive Unterstützung für Betroffene anbieten und – nicht zuletzt – Machtmissbrauch immer wieder thematisieren, um ein angstfreies Arbeitsklima zu ermöglichen.“
Hintergrund der Gründung einer unabhängigen Beschwerdestelle ist die sogenannte #MeToo-Debatte, die eine breite Diskussion über Abhängigkeiten und Machtmissbrauch bis hin zu sexuellen Übergriffen in der Kultur- und Medienbranche angestoßen hat. Dabei ist deutlich geworden, dass insbesondere dort Handlungsbedarf besteht, wo oft nur kurzfristige Beschäftigungsverhältnisse bestehen, wo viele Selbständige arbeiten und wo starke Abhängigkeitsverhältnisse etwa durch die zentrale Bedeutung von Weiterempfehlungen existieren. Die Vertrauensstelle soll zügig ihre Arbeit aufnehmen, um Betroffenen ein niedrigschwelliges und anonymes Beratungsangebot zu bieten.
Gründungsmitglieder des Vereins sind:
Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD)
Allianz Deutscher Produzenten - Film & Fernsehen e.V.
Bundesverband Casting e.V. (BVC)
Bundesverband Regie e.V. (BVR)
Bundesverband Schauspiel e.V. (BFFS)
Bundesvereinigung Maskenbild e.V.
Deutsche Akademie für Fernsehen e.V.
Deutsche Filmakademie e.V.
Deutscher Bühnenverein/ Bundesverband der Theater und Orchester
InteressenVerband Synchronschauspieler e.V. (IVS)
Pro Quote Film e.V.
Verband der Agenturen für Film, Fernsehen und Theater e.V. (VdA)
Verband der Nachwuchsagenturen e.V. (VDNA)
Verband Deutscher Filmproduzenten
Verband Privater Medien e.V. (VAUNET)
Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di)
Zweites Deutsches Fernsehen (ZDF)
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