Gesundheitsreformen sind nicht per se etwas Schlechtes. Sie zeigen, dass unser Gesundheitssystem flexibel ist und sich neuen gesellschaftlichen Herausforderungen gut anpassen lässt.
Doch die gesetzlichen Änderungen der letzten Jahre – Stichworte: Leistungseinschränkungen, Praxisgebühr, Gesundheitsfonds, Kostendeckelungen, Zusatzbeiträge – gingen vor allem zu Lasten der gesetzlich Versicherten und der Beschäftigten im Gesundheitsbereich. Auch für die Zukunft lassen die neuen Regelungen nichts Gutes erwarten. Mit dem Gesetz zur Finanzierung der Gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV), das am 1. Januar 2011 in Kraft trat, hat die schwarz-gelbe Bundesregierung die Tür für die Kopfpauschale weit aufgemacht. Künftige Kostensteigerungen sollen nun alleine die Versicherten tragen – am meisten zahlen dabei proportional diejenigen, die am wenigsten verdienen. Der finanzielle Druck auf die Beschäftigten in Kliniken und Pflegeeinrichtungen nimmt weiter zu.
ver.di macht dagegen mobil und setzt auf eine solidarisch finanzierte Pflege und Gesundheitsversorgung, die im Krankheitsfall allen Patientinnen und Patienten bedarfsgerechte Leistungen garantiert und den Beschäftigten gute Arbeit ermöglicht. Sie hat sich an der Kampagne gegen die Kopfpauschale der schwarz-gelben Bundesregierung beteiligt, bei der mehr als 150.000 Unterschriften zusammenkamen. Und sie benennt Alternativen: Statt notwendige Ausgaben zu begrenzen und die Versicherten verstärkt zur Kasse zu bitten, fordert ver.di, die Einnahmebasis der gesetzlichen Krankenversicherung und Pflegeversicherung zu verbreitern. Dafür müssen Mini- und Teilzeitjobs zurückgedrängt und sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze geschaffen werden. ver.di wirbt für die Weiterentwicklung des bestehenden Systems zu einer solidarischen Bürgerversicherung nach dem Prinzip: „Alle sollen für alle von allem zahlen.“ Die Versicherungspflicht soll dazu ausgedehnt werden: Selbstständige, Beamtinnen und Beamte werden ebenfalls Mitglied in der neuen Bürgerversicherung. Die paritätische Finanzierung zwischen Arbeitnehmer- und Arbeitgeberseite soll erhalten bleiben. Um alle ihrer Leistungsfähigkeit entsprechend an den Kosten für Gesundheit und Pflege zu beteiligen, sollen die Beitragsbemessungsgrenze angehoben und die Bemessungsgrundlage um weitere Einkommensarten wie Kapital- und Zinserträge erweitert werden. Die so entstehenden Mehreinnahmen möchte ver.di nutzen, um die Beiträge stabil zu halten, Zusatzbeiträge überflüssig zu machen und die Qualität der Versorgung insgesamt zu stärken. So schafft die Bürgerversicherung auch den notwendigen finanziellen Spielraum, um die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten im Gesundheits- und Pflegebereich zu verbessern.
Die Einführung einer derart ausgestalteten Bürgerversicherung bedarf aber eines Szenarios, wie der Umwandlungsprozess von Gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) und Privaten Krankenversicherungen (PKV) in einen Bürgerversicherungsmarkt im Hinblick auf die Beschäftigtensituation erfolgen soll. Die Frage, welche Folgen sich für die Beschäftigten insbesondere in der privaten, aber auch in der gesetzlichen Krankenversicherung bei einer Integration in eine Bürgerversicherung ergeben, ist von erheblichem Belang und unser zentrales gewerkschaftliches Thema. Die Einführung einer Bürgerversicherung braucht deshalb gleichzeitig ein Konzept, dass die sozialverträgliche und arbeitsplatzsichernde Zukunft der Beschäftigten herausstellt. Auf dem ver.di-Bundeskongress 2011 wurde hierzu ein eindeutiger und unmissverständlicher Beschluss gefasst, in dem ein geregeltes Nebeneinander von gesetzlicher und privater Kranken- und Pflegeversicherung in einem Bürgerversicherungssystem und eine Beschäftigungsgarantie für diejenigen Beschäftigten gefordert wird, die von Veränderungen bei der Einführung einer Bürgerversicherung betroffen wären. In dem ver.di-Beschluss heißt es: Wir wollen gute Arbeit in allen Einrichtungen des Gesundheitswesens und der Krankenversicherung ermöglichen. Alle Veränderungen sind daher so zu gestalten, dass sie nicht zu Lasten der Beschäftigten erfolgen, sondern zukunftsfeste Arbeitsplätze erhalten oder geschaffen werden.
Denn der Bedarf an qualifizierter Pflege wächst, und mehr zu pflegende Menschen ziehen auch mehr Arbeit bei den Versicherungen nach sich. Schon aus demografischen Gründen wächst der Bedarf. Das belegen Zahlen des Statistischen Bundesamts. Danach könnten im Jahr 2025 rund 152.000 Beschäftigte in den Pflegeberufen fehlen. Mehr Männer und Frauen für diesen Bereich zu gewinnen, setzt jedoch voraus, dass die Bezahlung steigt, Zwangsteilzeit und geringfügige Beschäftigung abgebaut und die immensen körperlichen und psychischen Arbeitsbelastungen der – heute mehrheitlich weiblichen – Beschäftigten umfassend reduziert werden. ver.di macht sich deshalb stark für bessere Arbeitsbedingungen, für tarifliche Bezahlung, Vollzeitarbeitsplätze und flächendeckende Programme zum Arbeits- und Gesundheitsschutz für die Beschäftigten im Gesundheitsbereich.
Auch um die Situation der etwa 115.000 – meist osteuropäischen – Pflegekräfte zu verbessern, die in deutschen Privathaushalten beschäftigt werden, hat ver.di sich erfolgreich für einen Mindestlohn in der Pflege eingesetzt. Mit dem Aufruf „Fachkräfte im Gesundheitswesen brauchen gute Arbeitsbedingungen in Europa“ fordert sie die Arbeitgeber im Gesundheitswesen auf, den europäischen Verhaltenskodex bei der Einstellung und Beschäftigung ausländischer Pflegekräfte einzuhalten und das Prinzip „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort“ umzusetzen.
Sie wollen mal mit ver.di-Leuten reden? Fragen stellen oder reinschnuppern? Finden Sie Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner in Ihrer Nähe.
Interaktive Karte Ansprechpartner finden