Im Juli 2023 haben Bund und Länder nach intensiven Verhandlungen gemeinsame Eckpunkte zur Neuordnung der Krankenhausfinanzierung beschlossen. Die wegweisenden Entscheidungen markieren einen wichtigen Schritt, das Gesundheitssystem grundlegend zu überdenken. Jetzt liegt auch ein Gesetzesentwurf vor
Die Weichen für eine umfassende Krankenhausreform sind gestellt, ein entsprechendes Gesetz ist auf den Weg gebracht. Von neuen Leistungsgruppen über Qualitätskriterien bis zur Zukunft des DRG-Systems – hier findest du Antworten auf die drängendsten Fragen zur Krankenhausreform.
Künftig sollen die Bundesländer den Krankenhäusern Leistungsgruppen zuweisen. Diese sollen konkreter als bisher zuordnen, welche Leistungen in welchen Fachgebieten durch die jeweilige Klinik erbracht werden. Bundeseinheitlich sollen siese mit Qualitätskriterien hinterlegt sein – also Mindestanforderungen, die ein Krankenhaus erfüllen muss, um vom Land eine bestimmte Leistungsgruppe zugewiesen bekommen zu können. Gleichzeitig sind die Leistungsgruppen auch ein Kriterium für die Vorhaltevergütung, die die betreffende Klinik erhalten soll. Die Vorhaltevergütung, auch als Vorhaltebudget bezeichnet, soll dazu dienen, die finanzielle Abdeckung der vorgehaltenen Kapazitäten, darunter Betten, Räumlichkeiten und technische Einrichtungen, sicherzustellen. Die Krankenhäuser bekommen also erstmal Geld dafür, dass sie diese Leistungen anbieten – und nicht wie bisher nur dann, wenn sie die Leistungen in einer bestimmten Menge auch erbringen.
Um eine hochwertige Versorgung im Krankenhaus zu sichern, sind Qualitätsvorgaben gut und richtig. Klar ist allerdings: Die Versorgungsqualität hängt entscheidend davon ab, ob genug qualifiziertes Personal zur Verfügung steht. Deshalb muss die Einhaltung bedarfsgerechter Personalvorgaben als wichtiges Qualitätskriterium gelten. Konkret fordert ver.di, dass die Personalvorgaben für die Krankenhauspflege (PPR 2.0), Intensivstationen (INPULS), Psychiatrien und psychiatrische Fachabteilungen (PPP-RL) vollständig und verbindlich umgesetzt werden. Auch in allen anderen Bereichen braucht es genug Personal.
Im System der Fallpauschalen, im Englischen DRGs abgekürzt für Diagnosis Related Groups, werden Kliniken nur für die durchgeführten Behandlungen entlohnt. Leistungen vorzuhalten, wird nicht honoriert. Das ist, als würde die Feuerwehr nur bezahlt, wenn es brennt. Wie unsinnig diese Form der Finanzierung ist, ist während der Corona-Pandemie vielen bewusst geworden. Im DRG-System werden den Behandlungsfällen bestimmte Preise zugeordnet. Kliniken, die viele lukrative Fälle behandeln und gleichzeitig geringe Kosten haben, können sich so einen finanziellen Vorteil verschaffen. Andere erleiden Verluste, zum Beispiel, weil sie mehr für Personal ausgeben. Die Folge: Es wird immer weniger Personal zur Versorgung von immer mehr Patient*innen eingesetzt. Und: Bestimmte Behandlungen werden nur deshalb und möglichst häufig durchgeführt, weil sie besonders lukrativ sind – selbst wenn sie nicht unbedingt medizinisch notwendig sind.
Die Vorhaltevergütung wird weitgehend unabhängig von Zahl und Art der behandelten Fälle je Leistungsgruppe gezahlt. Allerdings kommt nicht mehr Geld ins System, es wird nur anders verteilt. Und: 40 Prozent der Finanzierung sollen weiterhin über Fallpauschalen laufen. Das DRG-System wird also nicht abgeschafft, sondern lediglich eingeschränkt. Ob sich der Kostendruck dadurch überhaupt verringert, muss sich zeigen.
Zu Beginn des Prozesses, im Dezember 2022, hatte eine Kommission aus Expert*innen Vorschläge für eine Krankenhausreform gemacht. Darin war vorgesehen, die Krankenhäuser in Level, also Versorgungsstufen einzuteilen. Nur Kliniken, die die Kriterien eines bestimmten Levels erfüllten, sollten mit der Versorgung bestimmter Krankenhausbehandlungen beauftragt werden. Dagegen haben sich jedoch die Bundesländer ausgesprochen, die für die Krankenhausplanung zuständig sind. Einzig Krankenhäuser des Levels Ii soll es auch nach dem im Juli veröffentlichten Eckpunktepapier geben. Damit sind sektorenübergreifende Versorgungseinrichtungen gemeint, die die Brücke zwischen stationärer und ambulanter Versorgung bilden sollen.
Das lässt sich derzeit nicht sagen. Die Krankenhausplanung übernehmen weiterhin die Länder. Sie sollen künftig entscheiden, welche Leistungsgruppen und damit Behandlungen ein Krankenhaus anbietet. Vorgesehen sind dabei auch Ausnahmeregelungen, die es den Ländern ermöglichen sollen, die Gesundheitsversorgung auch in ländlichen Bereichen sicher zu stellen.
Unabhängig davon wird die Krankenhausreform jedoch frühestens 2024 in Kraft treten und dann werden auch nicht alle Schritte sofort gemacht. Bis die Änderungen spürbar sind, kann es also noch dauern. In der Zwischenzeit müssen Krankenhäuser womöglich schließen – ungeplant, aus rein finanziellen Gründen und unabhängig davon, ob sie benötigt werden. ver.di hat mehrfach darauf hingewiesen, dass es nicht zu unkontrollierten Krankenhausschließungen kommen darf. Wir setzen uns für kurzfristige finanzielle Hilfen ein, damit die wohnortnahe Gesundheitsversorgung überall im Land gesichert wird. Hier mehr dazu.
Das Bundeskabinett hat am 15. Mai 2024 den vom Bundesgesundheitsministerium unter Beteiligung der Bundesländer eingebrachten Gesetzesentwurf zur Krankenhausreform verabschiedet. Das Gesetz soll noch 2024 in Kraft treten. Bis 2025 müssen die Bundesländer die landesrechtlichen Anpassungen für die Leistungsgruppenvergabe schaffen. Bisher gibt es dieses Prozedere nur in Nordrhein-Westfalen. Ab 2026 sollen den Krankenhäusern krankenhausindividuelle Vorhaltebudgets ausgezahlt werden. 2027 soll das Finanzierungssystem der Krankenhäuser dann komplett umgestellt sein. Für 2029 ist eine Evaluation der Reform vorgesehen.
ver.di hält eine grundlegende Reform der Krankenhausfinanzierung schon lange für überfällig. Entscheidend ist auch schon lange nach genug qualifiziertem Personal. Vor diesem Hintergrund ist es unverständlich, dass die Beschäftigten und ihre Gewerkschaft ver.di nach derzeitigen Planungen nicht in dem Ausschuss vertreten sein sollen, der die Qualitätskriterien festlegt.
Die Zeit drängt. Etliche Krankenhäuser sind in ihrer Existenz gefährdet, Fachabteilungen müssen schließen – weil sie sich nicht rechnen. Aus ver.di-Sicht darf es nicht sein, dass bedarfsnotwendige Kliniken schließen müssen, noch bevor die Reform greift. Diese Kliniken brauchen kurzfristige, zielgerichtete Hilfe. Und es braucht Geld für Investitionen, um einen sinnvollen Umbau der Kliniklandschaft zu ermöglichen. Dafür ist der geplante Transformationsfonds von 50 Milliarden Euro wichtig. „Die Hälfte dieser Summe den gesetzlich Versicherten aufbürden, geht allerdings gar nicht. Bund und Länder müssen die Finanzierung aus Steuermitteln sicherstellen“, fordert Sylvia Bühler, im ver.di-Bundesvorstand zuständig für die Gesundheitspolitik.
Wie diese tatsächlich eine gute Versorgung ermöglichen, die Ausbildungs- und Arbeitsbedingungen verbessern und eine angemessene Finanzierung sicherstellen kann, zeigen wir mit eigenen Vorschlägen auf. Weitere Infos krankenhausreform.verdi.de
Es gab in Deutschland laut Statistischem Bundesamt 2021 knapp 1.900 Krankenhäuser mit etwa 480.000 Betten. Behandelt wurden in dem Jahr etwa 16,7 Millionen Patient*innen. Von den Krankenhäusern waren mehr als 700 in privater Hand, etwa 600 freigemeinnützig und knapp 550 hatten einen öffentlichen Träger. Der Anteil kommerzieller Kliniken ist in den vergangenen 20 Jahren deutlich gestiegen, derjenige in öffentlicher und freigemeinnütziger Trägerschaft hingegen kontinuierlich zurückgegangen. Eine Ursache ist die Einführung des DRG-Systems, das einerseits den Kostendruck erhöhte und andererseits die Möglichkeit geschaffen hat, mit Krankenhäusern Gewinne zu erwirtschaften.
Die Krankenhausfinanzierung in Deutschland ist zweigeteilt. Die Bundesländer sind nicht nur für die bedarfsgerechte Krankenhausplanung zuständig, sondern auch für die Übernahme der zur Erfüllung des Versorgungsauftrages notwendigen Investitionskosten, wie die Instandhaltung von Gebäuden und Technik. Dieser Verpflichtung kommen die Länder seit vielen Jahren nur sehr unzureichend nach. Die laufenden Kosten der Krankenhäuser werden hingegen aus den Beiträgen zur Krankenversicherung bezahlt. Die Krankenhäuser kompensieren fehlende Investitionsmittel oft dadurch, dass sie Geld zweckentfremden, das eigentlich für die Patientenversorgung und das Personal gedacht ist.