Die Weichen für eine umfassende Krankenhausreform sind gestellt, ein entsprechendes Gesetz ist vom Bundestag verabschiedet worden. ver.di kritisiert, dass zentrale Punkte noch nachgebessert werden müssen. Von neuen Leistungsgruppen über Qualitätskriterien bis zur Zukunft des DRG-Systems – hier haben wir Antworten auf die drängendsten Fragen zur Krankenhausreform zusammengefasst
Anlässlich der Verabschiedung der Krankenhausreform am 17. Oktober übt ver.di weiter scharfe Kritik an den aktuellen Plänen der Bundesregierung. Insbesondere die fehlende Brückenfinanzierung für wirtschaftlich angeschlagene Kliniken sei fatal. Die geplante Finanzierung durch gesetzlich Versicherte lehnt ver.di entschieden ab. „Wenn nicht bald eine Brückenfinanzierung für wirtschaftlich angeschlagene Krankenhäuser kommt, droht ein Kliniksterben mit fatalen Folgen für die flächendeckende Versorgung“, so ver.di-Bundesvorstandsmitglied Sylvia Bühler.
Am 22. November hat nun auch der Bundesrat grünes Licht für die Krankenhausreform gegeben. ver.di drängt weiter auf verlässliche Konzepte für das Personal, einen sozialverträglichen Umbau der Kliniklandschaft und eine Brückenfinanzierung für angeschlagene Krankenhäuser. „Niemand darf aufgrund des Umbaus der Krankenhauslandschaft um die eigene Existenz fürchten", mahnte Bühler. ver.di sei überzeugt, dass jede Einrichtung in der Versorgungskette gebraucht werde.
Die Gewerkschafterin forderte, die Beschäftigten in die Veränderungsprozesse einzubeziehen. Ansonsten befürchtet sie, dass sich viele von ihnen beruflich umorientieren werden. Sie gehe nicht davon aus, dass die Beschäftigten nach der Schließung ihrer Hauses einfach in einem weiter entfernten Krankenhaus arbeiten werden, unabhängig von Tarifbindung und Trägerschaft. „Es braucht mehr Personal im Gesundheitswesen, niemand darf durch den Transformationsprozess verloren gehen“, so Bühler.
Gut sei, dass nach dem Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG) die Tariflöhne zukünftig für alle Berufsgruppen frühzeitig und vollständig refinanziert werden.
Fest steht aber nun: Die Krankenhausreform kommt. Was sich ändern wird, was das für Beschäftigte wie Patienten bedeutet und wie schnell das alles gehen wird – Antworten auf die wichtigsten Fragen zur Krankenhausreform haben wir hier zusammengestellt.
Künftig sollen die Bundesländer den Krankenhäusern Leistungsgruppen zuweisen. Diese sollen konkreter als bisher zuordnen, welche Leistungen in welchen Fachgebieten durch die jeweilige Klinik erbracht werden. Bundeseinheitlich sollen sie mit Qualitätskriterien hinterlegt sein – also Mindestanforderungen, die ein Krankenhaus erfüllen muss, um vom Land eine bestimmte Leistungsgruppe zugewiesen bekommen zu können. Gleichzeitig sind die Leistungsgruppen auch ein Kriterium für die Vorhaltevergütung, die die betreffende Klinik erhalten soll. Die Vorhaltevergütung, auch als Vorhaltebudget bezeichnet, soll dazu dienen, die finanzielle Abdeckung der vorgehaltenen Kapazitäten, darunter Betten, Räumlichkeiten und technische Einrichtungen, sicherzustellen. Die Krankenhäuser bekommen unter bestimmten Voraussetzungen Geld dafür, dass sie diese Leistungen anbieten – doch die bisherigen Planungen stellen eine Verschlimmbesserung dar. ver.di fordert eine echte Vorhaltefinanzierung, um die Krankenhäuser langfristig zu stabilisieren und Fehlanreize zu vermeiden.
Um eine hochwertige Versorgung im Krankenhaus zu sichern, sind Qualitätsvorgaben gut und richtig. Klar ist allerdings: Die Versorgungsqualität hängt entscheidend davon ab, ob genug qualifiziertes Personal zur Verfügung steht. Deshalb muss die Einhaltung bedarfsgerechter Personalvorgaben als wichtiges Qualitätskriterium gelten. Konkret fordert ver.di, dass die Personalvorgaben für die Krankenhauspflege (PPR 2.0), Intensivstationen (INPULS), Psychiatrien und psychiatrische Fachabteilungen (PPP-RL) vollständig und verbindlich umgesetzt werden. Auch in allen anderen Bereichen braucht es ausreichend Personal.
Im System der Fallpauschalen, im Englischen DRGs abgekürzt für Diagnosis Related Groups, werden Kliniken nur für die durchgeführten Behandlungen entlohnt. Leistungen vorzuhalten, wird nicht honoriert. Das ist, als würde die Feuerwehr nur bezahlt, wenn es brennt. Wie unsinnig diese Form der Finanzierung ist, ist während der Corona-Pandemie vielen bewusst geworden. Im DRG-System werden den Behandlungsfällen bestimmte Preise zugeordnet. Kliniken, die viele lukrative Fälle behandeln und gleichzeitig geringe Kosten haben, können sich so einen finanziellen Vorteil verschaffen. Andere erleiden Verluste, zum Beispiel, weil sie mehr für Personal ausgeben. Die Folge: Es wird immer weniger Personal zur Versorgung von immer mehr Patient*innen eingesetzt. Und: Bestimmte Behandlungen werden nur deshalb und möglichst häufig durchgeführt, weil sie besonders lukrativ sind – selbst wenn sie nicht unbedingt medizinisch notwendig sind.
ver.di kritisiert, dass die geplante Reform zwar Fehlanreize eindämmen soll, jedoch nicht ausreichend durchdacht ist. Besonders problematisch ist die Absicht, die Finanzierung der Reform teilweise auf die gesetzlich Versicherten abzuwälzen, während die Privatversicherten außen vor bleiben. „Trotz aller Kritik sollen die gesetzlich Versicherten einen Großteil der für den Umbau der Krankenhauslandschaft notwendigen Investitionen bezahlen – das ist weder sachgerecht noch sozial“, urteilte die Gewerkschafterin. Die Versicherten zahlten ihre Beiträge für die Gesundheitsversorgung, nicht für die Infrastruktur. Und dass Privatversicherte, die in der Regel deutlich besser verdienten, nicht herangezogen würden, verschärfe die Ungleichheit. Die Weiterentwicklung der Krankenhaus-Infrastruktur komme allen Menschen zugute, sie müsse von Bund und Ländern aus Steuern finanziert werden.
Die Vorhaltevergütung soll helfen, die Krankenhäuser zu „entökonomisieren“ und vorhandene Fehlanreize zu überwinden. Bühler betont jedoch, dass die versprochene Abkehr von der folgenschweren Ökonomisierung mit dem aktuellen Gesetzentwurf nicht eingeläutet wird. Die bisherigen Planungen reichen nicht aus, um den Kostendruck signifikant zu verringern.
Zu Beginn des Prozesses, im Dezember 2022, hatte eine Kommission aus Expert*innen Vorschläge für eine Krankenhausreform gemacht. Darin war vorgesehen, die Krankenhäuser in Level, also Versorgungsstufen einzuteilen. Nur Kliniken, die die Kriterien eines bestimmten Levels erfüllten, sollten mit der Versorgung bestimmter Krankenhausbehandlungen beauftragt werden. Dagegen haben sich jedoch die Bundesländer ausgesprochen, die für die Krankenhausplanung zuständig sind. Einzig Krankenhäuser des „Levels 1i“ soll es auch laut dem Eckpunktepapier geben. Damit sind sektorenübergreifende Versorgungseinrichtungen gemeint, die die Brücke zwischen stationärer und ambulanter Versorgung bilden sollen.
Das lässt sich derzeit nicht sagen. Die Krankenhausplanung übernehmen weiterhin die Länder. Sie sollen künftig entscheiden, welche Leistungsgruppen und damit Behandlungen ein Krankenhaus anbietet. Vorgesehen sind dabei auch Ausnahmeregelungen, die es den Ländern ermöglichen sollen, die Gesundheitsversorgung auch in ländlichen Bereichen sicher zu stellen.
Unabhängig davon wird die Krankenhausreform jedoch frühestens 2025 in Kraft treten und dann werden auch nicht alle Schritte sofort gemacht. Bis die Änderungen spürbar sind, kann es also noch dauern. In der Zwischenzeit müssen Krankenhäuser womöglich schließen – ungeplant, aus rein finanziellen Gründen und unabhängig davon, ob sie benötigt werden. ver.di warnt eindringlich vor einem Kliniksterben, wenn nicht bald eine Brückenfinanzierung für wirtschaftlich angeschlagene Krankenhäuser geschaffen wird. Bund und Länder müssen schnell handeln, um planlose Schließungen zu verhindern und die flächendeckende Versorgung sicherzustellen. Hier mehr dazu.
Am 25. September findet eine Bundestagsanhörung zur Krankenhausreform statt. Das Bundeskabinett hatte am 15. Mai 2024 den vom Bundesgesundheitsministerium unter Beteiligung der Bundesländer eingebrachten Gesetzesentwurf zur Krankenhausreform verabschiedet. Das Gesetz soll voraussichtlich noch 2024 in Kraft treten.
ver.di hält eine grundlegende Reform der Krankenhausfinanzierung schon lange für überfällig. ver.di fordert jedoch deutliche Nachbesserungen am vorliegenden Gesetzentwurf, da die bisherige Planung nicht ausreicht, um die langfristige Stabilität der Krankenhauslandschaft zu sichern. Der Bundestag ist aufgefordert, den Entwurf massiv zu überarbeiten, damit eine gerechte und sozial ausgewogene Finanzierung gewährleistet wird.
Die Gewerkschaft fordert eine echte Vorhaltefinanzierung, um kurzfristig Kliniken in wirtschaftlicher Notlage zu stützen. Außerdem betont ver.di, dass die geplante Strukturreform nicht auf dem Rücken der gesetzlich Versicherten ausgetragen werden darf. Bund und Länder müssen die nötigen Mittel aus Steuermitteln bereitstellen, um die flächendeckende Gesundheitsversorgung zu sichern.
Entscheidend ist auch schon lange nach genug qualifiziertem Personal. Vor diesem Hintergrund ist es unverständlich, dass die Beschäftigten und ihre Gewerkschaft ver.di nach derzeitigen Planungen nicht in dem Ausschuss vertreten sein sollen, der die Qualitätskriterien festlegt.
Die Zeit drängt. Etliche Krankenhäuser sind in ihrer Existenz gefährdet, Fachabteilungen müssen schließen – weil sie sich nicht rechnen. Aus ver.di-Sicht darf es nicht sein, dass bedarfsnotwendige Kliniken schließen müssen, noch bevor die Reform greift. Diese Kliniken brauchen kurzfristige, zielgerichtete Hilfe. Und es braucht Geld für Investitionen, um einen sinnvollen Umbau der Kliniklandschaft zu ermöglichen. Dafür ist der geplante Transformationsfonds von 50 Milliarden Euro wichtig. „Die Hälfte dieser Summe den gesetzlich Versicherten aufbürden, geht allerdings gar nicht. Bund und Länder müssen die Finanzierung aus Steuermitteln sicherstellen“, fordert Sylvia Bühler, im ver.di-Bundesvorstand zuständig für die Gesundheitspolitik.
Wie diese tatsächlich eine gute Versorgung ermöglichen, die Ausbildungs- und Arbeitsbedingungen verbessern und eine angemessene Finanzierung sicherstellen kann, zeigen wir mit eigenen Vorschlägen auf. Weitere Infos krankenhausreform.verdi.de
Es gab in Deutschland laut Statistischem Bundesamt 2021 knapp 1.900 Krankenhäuser mit etwa 480.000 Betten. Behandelt wurden in dem Jahr etwa 16,7 Millionen Patient*innen. Von den Krankenhäusern waren mehr als 700 in privater Hand, etwa 600 freigemeinnützig und knapp 550 hatten einen öffentlichen Träger. Der Anteil kommerzieller Kliniken ist in den vergangenen 20 Jahren deutlich gestiegen, derjenige in öffentlicher und freigemeinnütziger Trägerschaft hingegen kontinuierlich zurückgegangen. Eine Ursache ist die Einführung des DRG-Systems, das einerseits den Kostendruck erhöhte und andererseits die Möglichkeit geschaffen hat, mit Krankenhäusern Gewinne zu erwirtschaften.
Die Krankenhausfinanzierung in Deutschland ist zweigeteilt. Die Bundesländer sind nicht nur für die bedarfsgerechte Krankenhausplanung zuständig, sondern auch für die Übernahme der zur Erfüllung des Versorgungsauftrages notwendigen Investitionskosten, wie die Instandhaltung von Gebäuden und Technik. Dieser Verpflichtung kommen die Länder seit vielen Jahren nur sehr unzureichend nach. Die laufenden Kosten der Krankenhäuser werden hingegen aus den Beiträgen zur Krankenversicherung bezahlt. Die Krankenhäuser kompensieren fehlende Investitionsmittel oft dadurch, dass sie Geld zweckentfremden, das eigentlich für die Patientenversorgung und das Personal gedacht ist.