Berlin, 29. Oktober 2021 – Nach 50 Tagen Streik und Tarifkonflikt bei den Servicetöchtern des Berliner Krankenhauskonzerns Vivantes haben die Beschäftigten und ver.di auch dort eine Einigung erzielt. Damit hat die sogenannte Berliner Krankenhausbewegung der Beschäftigten von Charité und Vivantes ihr Ziel erreicht: deutlich bessere Arbeitsbedingungen. Nach monatelangen Verhandlungen und Wochen des Streiks sollen die Beschäftigten bei den Töchtern der landeseigenen Vivantes-Kliniken noch in diesem Jahr mehr Geld bekommen.
Für zwei der fünf betroffenen Tochtergesellschaften heißt das: Rückwirkend zum 1. Juli werden die Löhne um 2,5 Prozent erhöht. Alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erhalten zudem eine Corona-Sonderzahlung von 1.500 Euro. Darauf haben sich ver.di und Vivantes in einem Eckpunktepapier verständigt. Das Eckpunktepapier dient nun als Basis für einen Tarifvertrag, der noch ausformuliert werden muss.
Der wichtigste Punkt der Einigung: Bis 2025 sollen sich die Löhne und Gehälter stufenweise dem Niveau des Tarifvertrags des öffentlichen Diensts (TVöD) annähern. Die Angleichung an den TVöD für die Servicetöchter war die Kernforderung der Gewerkschaft und der Beschäftigten. Laut dem Eckpunktepapier sieht diese Angleichung wie folgt aus: Beschäftigte der Vivantes-Reha-Einrichtungen sowie Technik- und Baumitarbeiter werden am Ende 96 Prozent der TVöD-Tarife erhalten. Alle anderen Bereiche bzw. Töchter werden 2025 bei 91 Prozent des TVöD angekommen sein. Das Motto der Streikenden „TVöD für alle an der Spree“ wäre dann nahezu erreicht. Die zum Teil um mehrere hundert Euro Lohnunterschied im Monat in den landeseigenen Betrieben werden damit annähernd ausgeglichen. Insgesamt betrifft die Einigung fünf Töchter des Vivantes-Konzerns, bei denen unter anderem Reinigungskräfte, das Küchenpersonal oder Instandhalter angestellt sind.
„Das Ergebnis ist ein Kompromiss. In Teilen ist es ein guter Kompromiss, in Teilen ein sehr schmerzhafter“, sagte Verdi-Verhandlungsführer Ivo Garbe. Nach den wochelangen Steiks und ersten Ergebnissen für die Klinikbeschäftigten bei Charité und Vivantes hat zuletzt der frühere brandenburgische Ministerpräsident Matthias Platzeck, SPD, in dem Tarifkonflikt vermittelt. Bis zum 15. Dezember soll nun ein Tarifvertrag erarbeitet werden, der am 1. Januar in Kraft treten soll.
Mit dem Eckpunktepapier für die Vivantes Servicetöchter sind nunmehr sämtliche Tarifauseinandersetzungen an den landeseigenen Kliniken Charité und Vivantes für die Laufzeit der künftigen Verträge vorerst beendet. Für die Pflegekräfte standen Eckpunktepapiere für einen Entlastungstarifvertrag mit besseren Arbeitsbedingungen bereits am 12. Oktober. Um eine Entlastung für die Pflegekräfte an der Charité zu erreichen, sollen dort in den nächsten drei Jahren mehr als 700 zusätzliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Pflege eingestellt werden. Es wird neue Richtwerte für die Personalbemessung für bestimmte Stationen wie die Intensivstationen geben, ebenso wie für Operationssäle und Zentrale Notaufnahmen. Die Beschäftigten werden Punkte sammeln können – etwa für Arbeit in unterbesetzten Schichten – die sie in Freizeit einlösen, aber auch für Erholungsbeihilfen, Kinderbetreuungszuschüsse, Altersteilzeitkonten oder Sabbaticals sammeln können. Dass sie Punkte auch bei hohem Einsatz von Leasingkräften oder nach Gewaltsituationen bekommen, ist neu und „war nur schwer durchzusetzen“, sagt die Intensivpflegekraft Dana Lützkendorf.
Das Eckpunktepapier für die Vivantes-Kliniken definiert für die Stationen, wie viele Patientinnen und Patienten von wie vielen Beschäftigten in jeder Schicht zukünftig betreut werden. Bei Unterschreitung der festgelegten Besetzungsregelungen erhalten die hiervon betroffenen Beschäftigten einen Belastungsausgleich. Dafür werden sogenannte Vivantes-Freizeitpunkte vergeben: Einen Punkt bekommt beispielsweise eine Pflegefachkraft, wenn sie eine Schicht lang in Unterbesetzung arbeiten musste. Im Jahr 2022 erhalten Beschäftigte für je neun Vivantes-Freizeitpunkte eine Freischicht oder einen Entgeltausgleich von 150 Euro; im Jahr 2023 genügen dafür je sieben Vivantes-Freizeitpunkte, und im Jahr 2024 je fünf Vivantes-Freizeitpunkte.
Die Anzahl der zu gewährenden freien Tage ist gedeckelt: Im Jahr 2022 auf sechs, im Jahr 2023 auf zehn und im Jahr 2024 auf 15 freie Tage; über die Deckelung hinausgehende Ansprüche werden in Entgelt ausgeglichen. Zur Förderung der Ausbildung werden Mindestzeiten definiert, in der die Auszubildenden Praxisanleitungen erhalten. Zudem erhalten alle Auszubildenden ein Notebook zur dienstlichen und privaten Nutzung, das nach Beendigung der Ausbildung ins private Eigentum übernommen werden kann. Bereits am Ende des 2. Ausbildungsjahres erhalten die Auszubildenden ein konkretes Übernahmeangebot.
Bis zum 1. Januar 2022 sollen die einzelnen Tarifverträge, die jetzt noch ausformuliert werden, in Kraft treten.
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