Nachdem das Angebot der Arbeitgeber in die Urabstimmung ging, hat sich die Mehrheit der Beschäftigten für die Annahme entschieden. Die Aussicht auf unbefristete Streiks hatte die Arbeitgeber unter Druck gesetzt und zu einem verbesserten Angebot von einer hohen Einmalzahlung im April, monatliche Zahlungen zum Inflationsausgleich bis März 2024 und ein tabellenwirksamer Festbetrag von 340 Euro ab April 2024 gezwungen.
Eine deutliche Mehrheit von 61,7 Prozent der ver.di-Mitglieder bei der Deutschen Post AG hat sich in der Urabstimmung für die Annahme des Tarifergebnisses entschieden. Die ver.di-Tarifkommission hat diesem Tarifergebnis nun auf ihrer Sitzung am heutigen Freitag (31.3.23) zugestimmt – damit tritt der Tarifvertrag in Kraft. Demnach erhalten die Tarifbeschäftigte, Azubis und Dual Studierende bei einer Laufzeit von 24 Monaten im April eine steuer- und abgabenfreie Sonderzahlung zum Inflationsausgleich in Höhe von 1.020 Euro. Teilzeitbeschäftigte bekommen sie anteilig. Vollzeitbeschäftigte erhalten außerdem eine tabellenwirksame Festbetragserhöhung von monatlich 340 Euro – das entspricht in den unteren drei Entgeltgruppen einer Erhöhung von 16,1 bis elf Prozent.
Zudem erwerben künftig neu eingestellte Beschäftigte bereits nach 30 Tagen Tätigkeit einen Anspruch auf ein 13. Monatsgehalt, bislang war dies erst nach einem Jahr Beschäftigung der Fall. Die Postzulage für die Beamtinnen und Beamten bei der Post in Höhe von vier Prozent der individuellen Besoldung wird fortgeschrieben.
„Die deutliche Zustimmung zum Tarifergebnis zeigt, dass wir mit unserem Ziel, insbesondere für die unteren Entgeltgruppen einen Inflationsausgleich zu schaffen, richtig lagen“, sagte die stellvertretende ver.di-Vorsitzende und Verhandlungsführerin Andrea Kocsis. „Ohne den Druck und die hohe Streikbereitschaft unserer Mitglieder hätten wir dieses Ziel nicht erreichen können. Dass sich ein Teil der Mitglieder mehr gewünscht hätte, ist angesichts der hohen Preissteigerungsrate absolut verständlich. Der Abschluss ist ein Kompromiss, aber am Ende auch ein gutes Ergebnis für unsere Mitglieder.“
„Mit diesem Tarifergebnis wird unser wichtigstes Ziel, einen Inflationsausgleich insbesondere für die unteren Einkommensgruppen zu schaffen, nach den aktuellen Prognosen der zu erwartenden Preissteigerungsrate erreicht“, sagte Kocsis. Zudem sei mit dem Tarifergebnis der Einkommenszuwachs für die Tarifbeschäftigten über die gesamte Laufzeit des Tarifvertrages um 25 Prozent gegenüber dem letzten Arbeitgeberangebot erhöht worden.
Noch in der 3. Tarifverhandlungsrunde für die rund 160.000 Beschäftigten der Deutschen Post AG wollten die Arbeitgeber nur eine geringe Entgelterhöhung im Jahr 2024 durchsetzen. Dadurch hätte sich aber das Risiko weiterer Reallohnverluste erhöht. Der weit überwiegende Teil der Postbeschäftigten ist in den Entgeltgruppen 1 bis 3 eingruppiert, das bedeutet ein Monatsgrundentgelt zwischen 2.108 und 3.090 Euro brutto. Damit sind sie in besonderem Maße von der hohen Inflation betroffen, da sie einen großen Anteil ihres Nettoeinkommens für Nahrungsmittel und Energie aufbringen müssen.
An dem Tag, an dem ver.di das Ergebnis der Urabstimmung bekannt gegeben hat, hatte das Unternehmen bei seiner Bilanzpressekonferenz erneut eine Rekordbilanz verkündet. Der Vorjahresergebnis wurde um sechs Prozent übertroffen. Die Dividende für die Aktionär*innen wurde erhöht. Auf die berechtigten Forderungen von ver.di hatte die Deutsche Post AG noch vor der Urabstimmung mit Drohungen reagiert. Betriebsbereiche sollten ausgegliedert und Stellen abgebaut werden, wenn ver.di nicht „von den hohen Forderungen abweiche“. ver.di hatte die Drohung als untaugliche Einschüchterung der Beschäftigten vor der Urabstimmung im laufenden Tarifkonflikt zurückgewiesen.
Kocsis wies darauf hin, dass ver.di schon länger für Eigenbeschäftigung u.a. in der Paketdienstbranche kämpfe, um Lohndumping und Ausbeutung von Beschäftigten durch Subunternehmen zu verhindern. „Die Drohung der DP AG macht deutlich, wie die Fremdvergabe eingesetzt wird, um Tarifbindung und Tarifautonomie zu unterlaufen.“ Dies bestätige einmal mehr, dass die Politik eingreifen und diese Geschäftsmodelle in der Branche gesetzlich verbieten müsse.
Im Vorfeld der vierten Verhandlungsrunde hatte ver.di die Beschäftigten bereits bundesweit zu Warnstreiks aufgerufen. Die Arbeitsniederlegungen erstreckten sich auf ausgewählte Betriebe aller Arbeitsbereiche bei der Deutschen Post AG. Insgesamt hatten sich fast 100.000 Streikende an Arbeitskampfmaßnahmen beteiligt. Begleitet wurden die Warnstreiks von Protestkundgebungen in insgesamt zehn Städten. Gestreikt wurde in allen Bundesländern in den Brief- und Paketzentren, punktuell auch in der Paket- und Briefzustellung.
Die bislang letzte letzte Tariferhöhung bei der DP AG war im Januar 2022. Sie lag bei 2 Prozent. Das neue Verhandlungsergebnis wird in den nächsten Wochen den ver.di-Mitgliedern bei der Deutschen Post AG zur Urabstimmung vorgelegt.
Weitere Informationen zur Tarifrunde finden sich hier: Tarifrunde Deutsche Post 2023 – ver.di (verdi.de)
Während der Corona-Pandemie 2020 ist das Sendungsvolumen rasant gestiegen und hat sich bis jetzt auf einem hohen Niveau gehalten. Die Gewinne des Dax-Konzerns taten es auch. So konnte das Unternehmen das Jahr 2021 mit einem Rekordergebnis von 5,1 Milliarden abschließen und strebt auch für 2022 ein sehr gutes Ergebnis an. Erwirtschaftet wird der Erfolg der Deutschen Post AG von den Kolleg*innen, die uns Tag für Tag Briefe und Pakete bringen und angesichts des hohen Sendungsvolumens vielfach einer hohen körperlichen und psychischen Belastung ausgesetzt sind. Sie sollen immer schneller, immer schwerer, immer mehr transportieren, um den Umsatz weiter zu steigern.
Die Kolleg*innen bei der Post arbeiten gerade unter Hochbelastung. Denn wie in vielen anderen Branchen auch gibt es einen akuten Arbeitskräftemangel, der aktuell zu Zustellungsausfällen führt und von den Beschäftigten aufgefangen wird. Die Gesellschaft und die Unternehmen sind auf die Dienstleistungen der Brief- und Paketzustellung angewiesen. Ob Medikamente, Bücher oder Gartenstühle – die Kolleg*innen bringen Waren aller Art zuverlässig bis zur Wohnungstür.