Wenn wir unsere Mitglieder zum Streik aufrufen, dann deshalb, weil die Arbeitgeber ihnen kein annehmbares Angebot für mehr Geld und bessere Arbeitsbedingungen gemacht haben. Die Arbeitgeber haben es in der Hand, mit fairen Angeboten von Anfang an Streiks zu vermeiden.
Da die Arbeitgeber meist viele Verhandlungsrunden um mehr Geld und bessere Arbeitsbedingungen ohne ein akzeptabels Angebot verstreichen lassen, kommt es regelmäßig zu Streiks, im Moment teils im Öffentlichen Personennahverkehr, im öffentlich-rechtlichen Rundfunk, in Zeitungsredaktionen und bei den Geldtransporten.
Deutsche Welle
Im Januar wird bei der Deutschen Welle gestreikt, weil die Verhandlungen nach acht Runden stocken. ver.di fordert auch hier eine Erhöhung der Gehälter und Honorare um 10,5 Prozent, um die Kaufkraftverluste der letzten Jahre auszugleichen. Bei der DW arbeiten rund 1.800 festangestellte und 2.000 freie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in unterschiedlichen Tätigkeitsfeldern. Im Gegensatz zu den anderen Sendern bezieht die Deutsche Welle ihren Etat nicht über den Rundfunkbeitrag, sondern wird über den Bundeshaushalt finanziert wird.
ver.di ruft nahezu täglich Mitglieder auf, ihre berechtigten Forderungen mit Streiks durchzusetzen. Es mag nerven, wenn im Alltag mal wieder nichts geht, aber die Streiks sind nicht nur legitim, sondern letztes Mittel im Arbeitskampf für mehr Geld und bessere Bedingungen. Davon haben übrigens wir alle etwas: besseren Service, höhere Qualität, mehr Tempo bei den Dienstleistungen.
Die ver.di-Mitglieder streiken für mehr Geld, für Respekt und Anerkennung ihrer Arbeit. Sie haben nicht nur während der Corona-Zeit hart geschuftet, um den Laden am Laufen zu halten. Auch schon vorher und auch jetzt hat sich die Arbeit überall verdichtet – mit Rekordmengen an Paketen, Rekordumsätzen im Online-Handel, Rekordarbeit in Krankenhäusern und Gesundheitsämtern, um nur einige Beispiele zu nennen. Der Arbeitsdruck ist in den von ver.di organisierten Branchen dauerhaft hoch, aber mehr Geld hat es in den vergangenen Jahren kaum gegeben.
So sind die Reallöhne 2022 im Vergleich zum Vorjahr um 4,1 Prozent gesunken. Dafür sind nach dem russischen Angriff auf die Ukraine die Preise rasant in die Höhe gegangen. Alle spüren, was für Löcher ein normaler Wocheneinkauf in den Geldbeutel reißt. Das setzt sich in der Energieversorgung fort: Die Preise für Gas, Strom und Öl sind um ein Mehrfaches gestiegen. So betrug die Inflation 2022 nach Angaben des statistischen Bundesamts 7,9 Prozent, im Januar 2023 lag die Preissteigerung immer noch bei 8,7 Prozent. Die Prognosen gehen von einem leichten Abflachen der Inflation auf einem immer noch hohen Niveau aus. Und natürlich können Kolleg*innen, die ein niedriges Einkommen und ohnehin schon kein Geld auf der hohen Kante haben, diese Preisentwicklung nicht stemmen. Zudem: Auch in 2023 sind die Löhne trotz einer durchschnittlichen Erhöhung von 5,6 Prozent bis zum dritten Quartal real um 1,7 Prozent gesunken im Vergleich zum Vorjahr.
Die Hans-Böckler-Stiftung belegt mit ihrer wissenschaftlichen Arbeit, dass sich die soziale Spaltung infolge der Inflation verschärft hat, besonders betroffen sind Familien mit niedrigen Einkommen. Viele Arbeitgeber nehmen ihre Verantwortung nicht an, rechnen die Inflation klein, erzählen das Märchen von der Lohn-Preis-Spirale oder verweisen auf vermeintlich leere öffentliche Kassen. Dabei sprudeln die Steuerquellen gerade in der Inflation besonders ergiebig, der Staat verdient an jeder Preissteigerung ordentlich mit und ein Unternehmen wie die Deutsche Post AG machen Rekordgewinne. Dass höhere Löhne die Preise weiter anheizen ist eine Legende und nicht zu belegen. Andersrum wird ein Schuh draus: Um die Wirtschaft vor einem nachhaltigen Abschwung zu schützen, muss die Binnennachfrage gestärkt werden und das heißt nichts Anderes als mehr Geld für den privaten Konsum, fürs Leben. Außerdem herrscht in immer mehr Branchen Mangel an Personal. Überall steigt der Arbeitsdruck weiter, weil Stellen unbesetzt sind. Mehr Geld macht Arbeit attraktiver, insofern streiken wir auch für die Zukunft der Arbeit in den ver.di-Branchen. Denn die wird nicht weniger, sondern mehr in den kommenden Jahren!
Die Arbeit der ver.di-Mitglieder in den Dienstleistungsberufen ist unentbehrlich für unseren Alltag. Sie sind es, die jeden Tag für einen sicheren und reibungslosen Ablauf unseres Lebens sorgen. Ohne die ver.di-Mitglieder geht es ganz offensichtlich nicht, ihr Einsatz hat direkten Einfluss auf unsere Lebensqualität. Natürlich wollen wir niemandem das Leben schwermachen, wir schließen Notdienstvereinbarungen in der sogenannten kritischen Infrastruktur, zum Beispiel für Krankenhäuser ab. Oder wir kündigen Streiks zum Beispiel in Kitas oder im Verkehr so rechtzeitig an, dass alle Betroffenen Zeit haben, sich auf die Situation einzustellen und Fahr- oder Betreuungsgemeinschaften zu gründen.
Streiks sind für ver.di-Mitglieder das legitime letzte Mittel, ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen. Provoziert wird der Einsatz dieses Mittels von Arbeitgebern, die erst in der letzten Verhandlungsrunde ein Angebot auf den Tisch legen, das oftmals so schlecht ist, dass wir darüber nicht verhandeln können. Die ver.di-Forderungen werden dabei meist schon Monate im Voraus aufgestellt, nach Befragung der ver.di-Mitglieder und den entsprechenden Beschlüssen in der Tarifkommission. Sie werden auch von den ver.di-Mitgliedern selber begründet. Es gibt keinen Grund, Verhandlungen darüber rauszuzögern und keine Angebote vorzulegen. Das macht unsere Mitglieder wütend und hat mit Respekt für ihr Anliegen nichts zu tun. Insofern ist die richtige Adresse für Beschwerden über die ver.di-Streiks der jeweilige Arbeitgeber. Sie haben es in der Hand, mit fairen Angeboten von Anfang an Streiks zu vermeiden.
Ja! Streikrecht ist ein Grundrecht! Die genaue Ausgestaltung ist Richterrecht, sagt man auch, das heißt, es gibt dazu keine konkreten, gesetzlichen Bestimmungen. Wer einen Streik für unrechtmäßig hält, kann dies unmittelbar von Arbeitsgerichten klären lassen.
Das ist die praktische Umsetzung der in Artikel 9 unseres Grundgesetzes fest geschriebenen sogenannten Koalitionsfreiheit – ein hohes Gut, mit dem wir verantwortungsvoll und sensibel umgehen. Juristisch gibt es nach Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) keine Unterscheidung zwischen Warnstreik oder Streik, so lange ein Streik verhältnismäßig ist und die Gewerkschaft ihre Mitglieder dazu ordnungsgemäß aufgerufen hat, ist er rechtmäßig. Die Teilnahme an einem rechtmäßigen Streik stellt keine Verletzung des Arbeitsvertrags dar. Maßregelungen durch den Arbeitgeber wegen der Teilnahme an einem Streik sind verboten. Der bestreikte Arbeitgeber darf deshalb streikenden Kolleg*innen nicht kündigen. Nach Ende des Streiks besteht ein Anspruch auf Weiterbeschäftigung.
Während des Streiks ruht das Arbeitsverhältnis, die Beschäftigten brauchen keine Arbeitsleistung zu erbringen. Ein Anspruch auf Arbeitsentgelt besteht für die Dauer des Streiks nicht. ver.di-Mitglieder hingegen haben Anspruch auf Streikgeld.
Für eine Eskalation, also einen Streik in Tarifrunden, ist in aller Regel ein Arbeitgeber verantwortlich, der seine Beschäftigten nicht angemessen entlohnen und/oder keine besseren Arbeitsbedingungen schaffen will. Dagegen wehren sich die ver.di-Mitglieder und sie werden sich auch gegen jeden Versuch wehren, unser Streikrecht einzuschränken. Wer, wie es aktuell unter anderen die CDU tut, über eine Beschneidung dieses Grundrechts fantasiert, kann mit dem erbitterten Widerstand der Gewerkschaften rechnen. Und wer deeskalieren will in einer aufgeheizten Situation sollte dem verantwortlichen Arbeitgeber den Rat geben, ein vernünftiges Angebot vorzulegen.
Um zu streiken, ist eine Urabstimmung gesetzlich nicht vorgeschrieben. ver.di hat aber ein eigenes Regelwerk für Streiks, die Satzung und die sogenannte Arbeitskampfrichtlinie. Der Bundesvorstand kann demnach eine Urabstimmung einleiten, um die Entschlossenheit der ver.di-Mitglieder zu demonstrieren, ihre Forderung mit unbefristeten Streiks durchzusetzen.
Alle ver.di-Mitglieder, für die der Tarifvertrag gilt, um den gerungen wird, stimmen dann über die Frage ab, ob sie bereit sind, für die Durchsetzung ihrer Forderungen unbefristet zu streiken. Um in den unbefristeten Streik zu gehen, müssen sich mehr als 75 Prozent der stimmberechtigten und nicht verhinderten Mitglieder dafür aussprechen.
Wenn ver.di und der Arbeitgeber nach einem solchen Erzwingungsstreik ein Verhandlungsergebnis erzielen, wird dieses Ergebnis einer erneuten Urabstimmung unterzogen. Sprechen sich dabei mehr als 25 Prozent der aufgerufenen und nicht verhinderten Gewerkschaftsmitglieder für die Annahme des Verhandlungsergebnisses aus, wird der Arbeitskampf beendet. Über die endgültige Annahme des Verhandlungsergebnisses entscheidet dann die zuständige Tarifkommission.
In der rechtlichen Bewertung gibt es keinen Unterschied zwischen Streik und Warnstreik. Warnstreiks können während der Verhandlungen durchgeführt werden. Werden die Tarifverhandlungen für gescheitert erklärt und werden Streikmaßnahmen von der Tarifkommission beschlossen, erfolgt nach Prüfung der Voraussetzungen die Zustimmung durch den Bundesvorstand für die Urabstimmung und Erzwingungsstreik. Im Allgemeinen spricht man vor einer Urabstimmung vom Warnstreik und nach einer Urabstimmung vom (Erzwingungs-)Streik.
Das hat sich die Redaktion von Galileo gefragt und einen Warnstreiktag bei der Lufthansa begleitet.