Amazon

Hotspot Versandzentren

25.11.2020

Berlin, 25. November 2020 – Jeff Bezos, Gründer und oberster Chef von Amazon, ist der Krisengewinnler, wie er im Buche steht. Im dritten Quartal 2020 ist Amazons Umsatz im Vergleich zum Quartal des Vorjahres um 37 Prozent auf 96,1 Milliarden Dollar gestiegen, der Gewinn verdreifachte sich auf einen Rekordwert von 6,3 Milliarden Dollar. Kaum ein anderes Unternehmen hat in der Corona-Pandemie so gute Geschäfte gemacht. Und Bezos will in diesem Jahr noch höher hinaus. Bei der Veröffentlichung der Quartalszahlen Anfang November sprach er davon, dass Amazon im vierten Quartal mit einem „beispiellosen“ Weihnachtsgeschäft rechne. Der Konzern könnte erstmals im Jahresschlussquartal die Umsatzmarke von 100 Milliarden Dollar reißen.

Mit keinem Wort erwähnt Bezos diejenigen, die ihm diese Umsätze und Gewinne Tag für Tag, Jahr für Jahr einfahren. Es sind die rund 840.000 Beschäftigten, die inzwischen auf der ganzen Welt dafür sorgen, dass die Bestellungen, die über Amazon getätigt werden, möglichst schnell bei den Kunden ankommen. Ein Amazon-Beschäftigter des Amazon-Versandzentrums in Koblenz hat auf Bezos Ankündigung von der 100-Milliarden-Marke hin einmal ausgerechnet, was dabei herauskäme, würde Bezos rund 40 Milliarden Euro seines Jahresumsatzes auf seine weltweit Beschäftigten verteilen: Es wären 5.000 Euro für jede*n. „Das wäre ein schönes Weihnachtsgeschenk“, sagt Petra Kusenberg, die bei ver.di Rheinland-Pfalz-Saar für Amazon zuständig ist. Nur: Selbst 500 Euro Weihnachtsgeld oder Corona-Prämie sind noch ein Wunschtraum.

 
Nur eines von vielen am Tag: Ein Amazon-Mitarbeiter bringt ein schweres Paket in einem der Versandzentren des Online-Händlers auf den Weg

 

Nach acht Jahren Auseinandersetzung

Die Stundenzuschläge von zwei Euro, die Amazon Deutschland den über 20.000 in Deutschland Beschäftigten noch im Frühjahr während der ersten Corona-Welle zahlte, wurden im Sommer längst wieder gestrichen. Das war auch deshalb möglich, weil die Beschäftigten auch nach acht Jahren Auseinandersetzung und wiederholten Streiks immer noch keinen Tarifvertrag haben, und auch keine Betriebsvereinbarungen, die Zuschläge oder Tariferhöhungen für einen fest vereinbarten Zeitraum festschrieben. Und in Zeiten von Corona ist es den an fast allen Amazon-Standorten existenten Betriebsräten nicht einmal möglich, Betriebsvereinbarungen zu Kurzarbeitergeld oder Gesundheitsschutz abzuschließen.

Vor allem letzteres ist dringend nötig. Am Standort Graben bei Augsburg sind derzeit von den insgesamt 1.800 Beschäftigten rund 300 Beschäftigte an Covid-19 erkrankt. Von den ver.di-Mitgliedern unter den Infizierten liegen fünf auf der Intensivstation. Auch in Koblenz wurden bei einem ersten Massentest bei 800 von insgesamt 2.800 Beschäftigten 170 positiv getestet, beim letzten Test vor einer Woche noch einmal 130. Die komplette Nachtschicht musste für zwei Wochen in Quarantäne geschickt werden. Die zuständige Amtsärztin sagt, Amazon sei ein Corona-Hotspot, aber Amazon wolle das nicht eingestehen, berichtet Betreuungssekretärin Kusenberg. „Du kannst dir gar nicht aus dem Weg gehen“, sagen ihr immer wieder Beschäftigte.

 

„Immenser Druck, ständige Leistungsverdichtung, permanente Leistungskontrollen, schlechte Führungskultur, unzureichende Erholungs-/Durchatmungszeiten und fehlende Wertschätzung, gepaart mit mangelhaften Infektionsschutzvorkehrungen: Das alles sind schlechte Arbeitsbedingungen, die bei Amazon häufig an der Tagesordnung sind.“

Sylwia Lech, ver.di-Betreuungssekretärin Amazon Graben

„Amazon nimmt wenig Rücksicht auf die Gesundheit seiner Beschäftigten. Immenser Druck, ständige Leistungsverdichtung, permanente Leistungskontrollen, schlechte Führungskultur, unzureichende Erholungs-/Durchatmungszeiten und fehlende Wertschätzung, gepaart mit mangelhaften Infektionsschutzvorkehrungen: Das alles sind schlechte Arbeitsbedingungen, die bei Amazon häufig an der Tagesordnung sind“, sagt auch ver.di-Sekretärin Sylwia Lech, die die Amazon-Beschäftigten in Graben betreut. Petra Kusenberg sagt, momentan stehe die Gesundheit bei den Beschäftigten im Vordergrund, wenn sie streiken.

Streik während der Schnäppchenjagd

Und streiken werden sie in den kommenden Tagen auch wieder. Mit Beginn der Nachtschicht vom 25. November auf Donnerstag, wenn auf Amazon wegen der begonnenen Black-Friday-Week die Schnäppchenjagd beginnt, werden Beschäftigte an sieben Amazon-Versandzentren, in Leipzig, Bad Hersfeld mit zwei Standorten, Rheinberg, Werne, Graben und Koblenz, in einen vorläufig dreitägigen Streik treten. Mit dem Ziel der Anerkennung der Flächentarifverträge des Einzel- und Versandhandels durch Amazon sowie des Abschlusses eines Tarifvertrags für gute und gesunde Arbeit.

„Den Kolleginnen und Kollegen wird seit acht Jahren die geforderte tarifvertragliche und existenzsichernde Entlohnung vorenthalten. Gleichzeitig macht der Konzern mit dem reichsten Mann der Welt an der Spitze durch Coronavirus-Pandemie, Black Friday, Cyber Monday und im Weihnachtsgeschäft riesige zusätzliche Milliardengewinne“, sagt Orhan Akman, der in der ver.di-Bundesverwaltung für den Einzel- und Versandhandel zuständig ist. Zudem würden Schutzmaßnahmen in den Versandzentren missachtet und die Gesundheit der Beschäftigten den maximalen Profitzielen geopfert.

Tägliche Kontrolle

Tatsache ist, dass die Amtsärztin in Koblenz inzwischen täglich kontrollieren lässt, ob die Amazon-Beschäftigten auf dem gesamten Gelände und am Arbeitsplatz einen Mund-Nasen-Schutz tragen und Abstände eingehalten werden. „Die machen Amazon das Leben gerade schon schwer“, sagt Petra Kusenberg. Aber das sei auch wirklich nötig. Durch Umbaumaßnahmen käme zu dem eigentlichen Personal auch noch viel Fremdpersonal, das ein- und ausgeht.

„Betrachtet man die Werbekampagnen von Amazon genau, dann stellt man sehr schnell fest, dass man mit einem Klick nicht nur einen Artikel kauft, sondern die volle Emotionspalette gleich mit. Man fühlt sich geborgen und umsorgt. Ob es Amazon wahr haben will oder nicht, die Wahrheit ist, dass die Arbeitsbedingungen in Corona-Zeiten in Graben nicht gut sind“, sagt Sylwia Lech. Der bereits seit Frühjahr andauernde Corona Online-Boom hinterlasse bei den Beschäftigten seine Spuren. Tarifvertraglich abgesicherte Regelungen der Arbeitsbedingungen seien dabei aber nicht nur für die Beschäftigten gut, sondern müssten auch im Interesse eines Großkonzerns wie Amazon liegen, wenn ihm an der Gesundheit der Beschäftigten gelegen sei, so Lech.

Text: Petra Welzel

 

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